Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


sibenburger_dionysius

Sibenburger, Dionysius

„Dionysius Sibenburger/ Burger zu Braunaw/ der siben Freyen künst/ ein Liebhaber“; „Der Freyen natürlichen Künsten/ Astronomey vnd beyder Ertzney Doctorn/ Jn der löblichen stat Saltzburg beschriben vnd gepracticirt“; „Der Stat Steyr zu Ehren“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1535 (Praktik), 1541 (Almanach), 1553 (Praktik))
* ca. 1502 Braunau, † nach 1553 [Steyr ?]
Praktiken seit 1534, Kalender seit 1540, verfaßt bis 1554

Mit dem Arzt und Kalendermacher Dionysius Sibenburger setzte eine Entwicklungsrichtung bei den Druckmedien ein, in der mit der Erfindung der Kalenderart „Schreibkalender“ ein Medium geschaffen wurde, das lange Zeit den einzigen Zugang vieler Menschen zu weltlichen Lesestoffen bot. Klaus Matthäus hat diese Entwicklung zuerst anhand der in Nürnberg gedruckten Kalender für 1559 von → Joachim Heller erkannt und 1969 beschrieben (Matthäus, 1969, Sp. 998). Heute ist bekannt, daß vor Heller (erster Schreibkalender für 1553) bereits Dionysius Sibenburger (Kalender für 1540, gedruckt in Nürnberg; zum Nachweis des Kalenders für 1540 siehe jetzt Herbst, 2017, S. 17), → Christoph Stathmion (1543, gedruckt in Nürnberg), → Georg Seyfridt (1544, gedruckt in Nürnberg), → Johannes Berthold Seipel, genannt Eipelius (1545, gedruckt in Erfurt), → Simon Heuring (1548, gedruckt in Nürnberg und Augsburg), Jeremias Brotbeihel (vermutlich schon 1549, gedruckt in Frankfurt am Main, später in Dillingen), → Johann Schröter (1551, gedruckt in Wien) und → Valentin Engelhardt (1552, gedruckt in Erfurt), und kurz nach Heller auch → Johann Hebenstreit (1554, gedruckt in Erfurt), → Bartholomaeus Reisacher (1554, gedruckt in Wien), → Simon Titius (1555, gedruckt in Königsberg), → Paul Fabricius (1556, gedruckt in Wien), → Jacob Cuno d. Ä. (1556 bzw. 1557, gedruckt in Wittenberg bzw. Leipzig) und → Hieronymus Lauterbach (1557, gedruckt in Wien und später in Graz) Schreibkalender in Quart verfaßt haben (für den am 17. März 2015 gegebenen Hinweis auf die ersten Schreibkalender von Sibenburger und Seyfridt danke ich Dr. Klaus Matthäus, Erlangen). Andere Kalendermacher verfaßten ebenfalls Schreibkalender, so → Philipp Melhofer (1543, gedruckt in Augsburg), → Johann Wolmar (1546, gedruckt in Magdeburg), → Tarquinius Schnellenberg (1548, gedruckt in Erfurt) und → Valentin Butzlin (1550, gedruckt in Zürich), jedoch waren das die kleineren Oktav-Kalender. Von → Jakob Ruf sind solche Kalender, aber ohne Schreibseite ab 1544 bekannt (gedruckt in Zürich). Einen Sedez-Buchkalender ohne Schreibseite verfaßten bereits für 1533 (sic) → Jacob Köbel und für 1544 → Petrus von Probosczowitz. Es bleibt zu ergründen, ob diese Entwicklung durch den Kalenderautor Sibenburger oder durch den Kalenderdrucker Hans Guldenmund initiiert wurde.
Über Dionysius Sibenburger sind nur wenige biographische Einzelheiten bekannt. Über die Eltern und Kindheit ist nichts bekannt. Der älteste Nachweis seiner Person ist der Eintrag in die Matrikel der Universität Wien. Demnach begann er im Juni 1520 mit dem Studium (Szaivert/Gall, 1971, S. 17 „[1520] Junii Dionisius Sibnburger de Brauna“). Daraus wird der Geburtsort Braunau, rund 50 km nördlich von Salzburg gelegen, und das ungefähre Geburtsjahr 1502 geschlossen. Am 10. Dezember 1524 wurde er Baccalaureus an der Artistenfakultät und am 2. Januar 1525 zur „Determination“, einem weiteren Teil der akademischen Prüfung, zugelassen (Maisel/Matschinegg, 2007, S. 198, Nr. 27614 und 27624). Als Bürger von Braunau begann er mit dem Schreiben der Jahresprognostiken (Praktik für 1535, Titelblatt). Gemeinsam mit einem aus Regensburg stammenden Ulrich Summrer wurde Sibenburger am 6., 12. und 19. Dezember 1536 an der Universität Padua zum Doktor der Medizin promoviert (Forin, 1969, Bd. 3.2, S. 407f., Nr. 2306 „1536 dec. 6, de mane. In eccl. S. Urbani Padue. D. prior dixit: ‚Excellentissimi doctores, audivistis hunc – iuvenem nomine d. Dionisium Sibenbürger q. d. Michaelis dioc. Salerburgensis‘ […]“, vgl. S. 409, Nr. 2308 zum 12. Dez. und S. 411, Nr. 2316 zum 19. Dez. 1536: „1536 dec. 19, de mane. In aula episcopali Padue. Et illico fuerunt introducti suprascripti duo Elemani, videlicet d. Dionisius et d. Udalricus, qui, in presentia i. u. doct. d. Iacobi Rotta vic. surrogati et in assistentia – d. vicerectoris ultrascripti, fuerunt in med. ambo conventuati – super punctis sibi hesterna die assignatis, – fuerunt approbati nem. pen. discentiente – et per – d. vicarium surrogatum pronuntiati.“). Danach ging er nach Salzburg, wo er am 7. Juli 1537 das Vorwort der Praktik für 1538 unterzeichnete (Acker, 1979, S. 28). Fortan bezeichnete er sich als Astronom und Doktor der Arznei in Salzburg (Praktik für 1540, Titelblatt; vgl. Zedler, 1732, Bd. 37, Sp. 1007 „Siebenbürger (Dionysius) ein Saltzburgischer Medicus, lebte um die Mitte des Sechzehnden Jahrhunderts“). 1552 erschien er als bestallter Stadtarzt in Steyr (Praktik für 1553, Widmung, nach Matthäus, 1969, Sp. 1079).
Mit dem Schreiben von Praktiken begann Sibenburger spätestens im Jahr 1533, denn in der am 3. Mai 1534 geschriebenen Widmung der Praktik für 1535 betonte er, daß er jetzt „abermals/ auß den lerern vnn Regeln der hochgelerten Astrologi“ die Praktik verfaßt habe (Praktik für 1535, S. A2a). Am Schluß dieser Praktik für 1535 richtete sich der Autor ausdrücklich „Zum Leser“, um darauf zu verweisen, daß bei den Vorhersagen die jeweilige Polhöhe, auf die sie gerichtet sind, beachtet werden müsse. Er gab den Rat: „Der halben so du ahn anderen frembden gegenden/ gewißlich ein gemaine practica lesen wilt/ vnd sie deyner wonung auch gleychförmig befunden werde/ must du erstlich vor allen dingenn/ die Polis höch/ wieuil grad vom Equinoctial/ etc. nach gelegenhait deiner wonung ermessen vnd wol bedencken.“ (Praktik für 1535, S. C4a).
Sibenburger verfaßte 1535 auch eine medizinische Handschrift (überliefert im TLF Innsbruck, vgl. Sandbichler, 1999, S. 98) und eine 1544 in Nürnberg bei Christoph Gutknecht für Salzburg gedruckte Pestschrift (anderer Druck), deren Verfasser in späteren religionshistorischen Arbeiten „für einen Liebhaber und Bekenner der Evangelischen Wahrheit“ gehalten wurde (Schelhorn, 1732, S. 150; vgl. Matthäus, 1969, Sp. 1079; Acker, 1979, S. 28).
Aufgrund der Bedeutung der Kalenderart „Schreibkalender“ wird das einzige überlieferte Exemplar von Sibenburgers Schreibkalendern hier aufgeführt, ebenso werden die überlieferten Praktiken genannt, die in der Folgezeit einem jeden Schreibkalender als zweiter Teil mitgegeben wurden. Sowohl das lateinische Diarium für 1548 (Druck Philipp Ulhart d. Ä., Augsburg, war in der SBPK Berlin, Oz 33100) als auch der vermutlich letzte Augsburger Druck (Practica Teütsch für 1554, Druck Hans Zimmermann, Augsburg, war in der SBPK Berlin, 8“@Ok 5028) sind Kriegsverluste (geprüft am 17.3.2016 in Berlin). Der letzte Nürnberger Druck (Practica Teutsch für 1554) ist hingegen in Edinburgh überliefert (für den am 3. September 2016 gegebenen Hinweis auf dieses Exemplar danke ich Prof. Dr. Richard L. Kremer, Dartmouth College).

Schreibkalender:
1541: Almanach, 4°, deutsch, Druck Hans Guldenmund, Nürnberg (RSB Zwickau, 22.9.15 (34))

Buchkalender:
1552: Almanach, mit angehängter Practica teutsch, 16°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (BSA Nürnberg, Rep. 129, Nr. 248/6)

Praktik bzw. Prognostikum:
1535: Practica Teijtsch, 4°, Druck Heinrich Steiner, Augsburg (LB Coburg Mo A 12#10; StB Mainz, III d:4°/416, Nr. 4)
1539: Practica, 4°, Druck ?, [Augsburg] (BL London nach RMK III, 1990, Bd. 1, S. 96, Nr. 5184)
1541: Practica Teutsch, 4°, Druck Hans Guldenmund, Nürnberg (SNB Budapest, Ant. 10.225; RNB St. Petersburg nach RMK III, 1990, Bd. 1, S. 99, Nr. 5189)
1542: Practica Teutsch, 4°, Druck Hans Guldenmund, Nürnberg (HAB Wolfenbüttel; A: 240.64 Quod. (2))
1545: Practica Teütsch, 4°, Druck Philipp Ulhart d. Ä., Augsburg (BSB München, Res/4 Astr. p. 528,36; HAB Wolfenbüttel, M: Nx 62 (3))
1545 [sic]: Practica Teutsch, 4°, Druck Christoph Zell, Nürnberg (RSB Zwickau, 22.9.15 (31))
1546: Practica teütsch, 4°, Druck Christoph Gutknecht, Nürnberg (GNM Nürnberg, 8 Nw. 2139 i)
1547: Practica Teutsch, 4°, Druck Christoph Gutknecht, Nürnberg (HAB Wolfenbüttel, A: 61.8 Pol. (25); UB Kiel, Cb 6866, Fragment; UB Frankfurt/Main und BL London nach RMK III, 1990, Bd. 1, S. 113, Nr. 5214)
1548: Practica Teutsch, 4°, Druck Wolfgang Heußler, Nürnberg (BSB München, Res/4 Astr. p. 528,32; UB Frankfurt/Main nach RMK III, 1990, Bd. 1, S. 114, Nr. 5217)
1548: Practica Teütsch, 4°, Druck ? (UB Erlangen, H61/4 Trew.S 83/119)
1549: Practica Teutsch, 4°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (SBPK Berlin, 8“@Jy 3268, gegenwärtiger Standort RNB Moskau)
1550: Practica Teutsch, 4°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (SUB Göttingen, 8 ASTR II, 6215 Rara; SBPK Berlin, 8“@Jy 3268, gegenwärtiger Standort RNB Moskau)
1551: Practica Teutsch, 4°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (SBPK Berlin, 8“@Jy 3268, gegenwärtiger Standort RNB Moskau)
1551: Practica Teutsch, 4°, Druck Valentin Otmar, Augsburg (UB Erlangen, H61/4 Trew.S 83/119)
1552: Practica Teutsch, 4°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (BL London nach RMK III, 1990, Bd. 1, S. 125, Nr. 5243)
1552: Practica Teütsch, 4°, Druck Hans Zimmermann, Augsburg (SBPK Berlin, 8“@Jy 3268, gegenwärtiger Standort RNB Moskau)
1553: Practica Teutsch, 4°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (HAB Wolfenbüttel, 42.5 Astron. (2); UB Tübingen, Bd 193.4)
1554: Practica Teutsch, 4°, Druck Friedrich Gutknecht, Nürnberg (Observatory Edinburgh, CR.7.361)

Titel:
Deutsche Prognostiken und Kalender:
(1) 1534–1554[?]: Practica Teutsch, Format 4°.
(2) 1535–[?]: Practica duytsch, [Format 4° ?].
(3) 1540–[1554?]: Almanach, Format 4°.
(6) 1552: Almanach, Format 16°.
(7) 1552: Practica teutsch, Format 16°.
Lateinische Prognostiken und Kalender:
(4) [?]–1548–[?]: Diarium, Format 8°.
(5) [?]–1548–[?]: Practica Latina, Format 8°.
Druck und Verlag:
(1) 1535: Heinrich Steiner, Augsburg, 1540: ?, Salzburg, 1542: Heinrich Steiner, Augsburg, ebenfalls 1542: Hans Guldenmund, Nürnberg, ebenfalls 1542: ?, Passau, 1545: Philipp Ulhart d. Ä., Augsburg, ebenfalls 1545: Christoph Zell, Nürnberg, 1546: ?; Nürnberg, 1547: Christoph Gutknecht, Nürnberg, 1548: Wolfgang Heußler, Nürnberg, 1549–1554: Friedrich Gutknecht, Nürnberg, ebenfalls 1551: Valentin Otmar, Augsburg, 1552–1554: Hans Zimmermann, Augsburg.
(2) 1535: Servas Kruffter, Köln.
(3) 1541: Hans Guldenmund, Nürnberg, 1552: Friedrich Gutknecht, Nürnberg.
(4), (5) Philipp Ulhart d. Ä., Augsburg.
(6), (7) Friedrich Gutknecht, Nürnberg.
Nachweis: ZKAAD, 1987–1993, Teil 4, S. 307, Nr. 3776 (Almanach 1541) und S. 309, Nr. 3801 (Practica 1545). Zinner, 1941/64, S. 186, Nr. 1611 („Vorhersage für 1535“), Nr. 1612 (dasselbe, niederdeutsch), S. 197, Nr. 1764 („Vorhersage für 1540“), S. 200, Nr. 1808 („Vorhersage für 1542“), S. 207, Nr. 1885 („Vorhersage (Practica) für 1545“), S. 208, Nr. 1901 („Vorhersage für 1546 (Practica teutsch) für 1546“), Nr. 1902 („Vorhersage (Practica Teutsch) für 1547“), S. 210, Nr. 1944 (lat. Kalender 1548), Nr. 1945 („Vorhersage (Practica Teutsch) für 1548“), S. 212, Nr. 1974 („Vorhersage für 1549“),, S. 214, Nr. 2003 („Vorhersage für 1550“), S. 217, Nr. 2036 („Vorhersage (Practica) für 1551“), S. 218, Nr. 2052 („Vorhersage für 1552“), S. 222, Nr. 2105 („Vorhersage für 1554“), S. 458, Nr. 1791a („Vorhersage für 1541“), S. 460, Nr. 2052a („Kalender für 1552“). Hellmann, 1924, S. 6 (Diarium und Practica 1548). Matthäus, 1969, Sp. 1362. BSA Nürnberg (Ex. für 1552 der Reihen 6 und 7). VD16. CERL.
Online:
(1) 1535 Prognostikum, 1545 Prognostikum, 1548 Prognostikum [08.02.2016].
Anderer Druck:
Ein Nützlichs/ Vnnd Tröstlichs Regiment/ wider das Gyfftig Fieber der Pestilentz/ wie vnnd wo hyn/ ein yeder die grausamen Plag fliehen/ vnd Christlich vonn diser Welt abzuschayden/ Menigklich zu nutz vnd gut […]. Nürnberg 1544. BSB München, Res/4 Path. 345, online, und Res/4 Path. 309#Beibd. 2, online [08.02.2016].
Handschrift:
Puech von dem rechten Grund der gantzen Gotlichen Kunst der Artzeney. 1535. 324 Bl. TLF Innsbruck, FB 1981. Beschrieben in Sandbichler, 1999, S. 98, online [09.03.2016].
Literatur:
Klaus Matthäus: Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens. Die Entwicklung der in Nürnberg gedruckten Jahreskalender in Buchform. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Frankfurt am Main 1969, Bd. IX, Sp. 967–1396. Zu Dionysius Sibenburger: Sp. 1079.
Klaus-Dieter Herbst: Die Erfindung des Schreibkalenders um 1540. In: Almanach und Practica für das Jahr 1541 verfaßt von Dionysius Sibenburger. Neu herausgegeben (Reprint) von Klaus-Dieter Herbst mit einem Beitrag von Klaus-Dieter Herbst über die Erfindung des Schreibkalenders. Jena 2017, S. 11–32.

Erstellt: 08.02.2016
Letzte Aktualisierung vor 20.01.2020: 22.11.2019
Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 22.02.2024

sibenburger_dionysius.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/22 16:07 von klaus-dieter herbst