„Hieronymus Lauterbach der Freyen Künste Magister/ vnd ainer Ersamen Landschafft Schuel des Fürstenthumbs Steyer Rector“; „Ainer Löblichen Landschafft des Fürstenthumbs Steyer Obristen Schuel preceptor“; „[…] bestelter Mathematicus“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1562, 1574, 1575)
* 16.6.1531 Löbau/Oberlausitz, † 1577 Graz
Kalender seit ca. 1557, verfaßt bis 1577
Hieronymus Lauterbach wurde am 16. Juni 1531 in Löbau in der Oberlausitz geboren. Sein Vater war der Stadtschreiber Georg Lauterbach (Otto, 1800, Bd. 2, S. 403; Jöcher/Adelung, 1784, Bd. 3, Sp. 1420). Der ebenfalls am 16. Juni 1531 in Löbau geborene Johann Lauterbach (gest. 1593) war sein Zwillingsbruder. Dieser studierte in Wittenberg, wurde danach 1558 in Wien als „Poëta laureatus“ gekrönt und wirkte schließlich als Schulrektor in Heilbronn (Aschbach, 1888, Bd. 3, S. 203). 1562 trat Johann mit einem Glückwunschgedicht anläßlich der Hochzeit von → Victorinus Schönfeldt in Erscheinung (Nigrinus, 1562, S. E3b). Ein weiterer Bruder war Tobias Lauterbach (gest. 1566), der als Gesellschafter an der Offizin von Zacharias Bartsch in Graz beteiligt war (Stiefvater, 1887, S. 202). In den Akten des Stadtarchivs von Löbau wird neben dem Stadtschreiber Georg Lauterbach (nachweisbar von 1531 bis 1540) noch eine „Mathes Lauterbachin“ in einer Steuerliste von 1538 genannt (für den am 31. Mätz 2016 gegebenen Hinweis auf diese Akten danke ich Jürgen Görner, Stadtarchiv Löbau).
Lauterbach studierte seit 1547 zunächst an der Universität in Wittenberg (Jöcher/Adelung, 1784, Bd. 3, Sp. 1420; einen Eintrag in die Matrikel gibt es nicht). Um 1550 wird er sich vermutlich – wie sein Landsmann → Paul Fabricius – in Nürnberg aufgehalten haben, denn sonst hätte er kaum Veranlassung gehabt, eine Trostschrift (Epicedion) für ein 1550 bei Johann Daubmann in Nürnberg gedrucktes Buch beizutragen (Albulanus, 1550; vgl. den anderen Druck, Titel 1). Danach studierte er etwa zeitgleich wie Paul Fabricius an der Universität in Wien, wo er 1556 zum Magister Artium promoviert wurde (Sutter, 1975, S. 211; Seethaler, 1982, Bd. 1, S. 134, vgl. S. 386, Anm. 132 mit Verweis auf die Akte Lauterbach im UA Wien). Bereits 1555 erhielt er eine Professur als Nachfolger von Georg Joachim Rhaeticus (1514–1574), der 1554 im Zuge der Reformierung der Wiener Universität der „Mathematicus tertius“ geworden war (Aschbach, 1888, Bd. 3, S. 53, 202). Lauterbach bekam eine jährlich Besoldung von 100 Gulden. 1561 wurde Lauterbach zum Dekan der philosophischen Fakultät gewählt, gab jedoch die Universitätslaufbahn auf und nahm am 11. Mai 1561 die mit 200 Gulden jährlich besoldete Stelle eines „Obersten Schulpräzeptors“ an der landschaftlichen Schule (Lateinschule, Gymnasium) in Graz an (Sutter, 1975, S. 211; Peinlich, 1871, S. 9). Neben den schulischen Verpflichtungen widmete er sich dem Bau von astronomischen Instrumenten. Bekannt sind ein „Aequatorium omnis generis horarum“, 1563 beschrieben (anderer Druck, Titel 3), und eine sehr große Säulchensonnenuhr von 1576 (Sutter, 1975, S. 212f.; Zinner, 1956/79, S. 426). Er trat ebenfalls mit Gelegenheitsschriften hervor (andere Drucke, Titel 2, 5).
Wann genau Lauterbach mit der Herausgabe von Schreibkalendern begann, konnte nicht ermittelt werden. In dem ältesten erhaltenen Exemplar, dem Kalender für 1562, teilte er mit, daß er schon seit „etlich jar/ vnd in sonderhait weil ich/ wiewol ein vnwirdiger Ordinarius Professor Mathematum der löblichen hohenschul zu Wienn gewesen/ järlich Calendaria vnd Prognostica“ in Druck gegeben hatte (Kalender für 1562, S. C3a, zitiert nach Seethaler, 1982, Bd. 2, S. 541). Raphael Hoffhalter, der unter anderem in Nürnberg bei Julius Paulus Fabricius als Setzer gearbeitet hatte (Reske, 2007, S. 968), begann 1556 in Wien zu drucken. Es ist denkbar, daß er Lauterbach als Kalendermacher unter Vertrag nehmen konnte und somit dessen Kalender ab 1557 druckte (vgl. Seethaler, Bd. 1, S. 134). Für das Jahr 1562 ließ Lauterbach einen Kalender sowohl in Wien (bei Hoffhalter) als auch in Graz, wohin er als Rektor der Lateinschule gewechselt war, drucken (bei Alexander Leopold, siehe Seethaler, 1982, Bd. 1, S. 134). Für den Grazer Kalender erhielt Lauterbach 30 Taler (Seethaler, 1982, S. 385, Anm. 129; Peinlich, 1871, S. 16; vgl. Stiefvater, 1887, S. 201). Nach dem Tod von Lauterbach übernahm → Georg Stadius dessen Grazer Kalenderreihe.
Der für 1572 verfaßte Schreibkalender ist mit 543 historischen Ereignissen angereichert worden (ausführlich dargestellt in Sutter, 1975, S. 214–255), die mehrere Seiten füllen. Die sonst dem Monatskalendarium gegenüberliegende unbedruckte Schreibseite folgt nach einigen Seiten jeweils am Ende eines Monats. Offenbar fand diese inhaltliche Gestaltung nicht bei allen Käufern Anklang, denn ab dem Kalender für 1573 gab es zwei Versionen des Kalenders. Bei der einen hatte Lauterbach die Historien gebracht, bei der anderen „fehlen jedoch diese Seiten mit den Historien, an deren Stelle mit einer grob-einfachen, schwarzen Leiste eingefaßte Vormerkblätter eingefügt sind. Der Käufer konnte demnach für 1573 zwischen Historienkalender und Schreibkalender wählen“ (Sutter, 1975, S. 256). Die in Graz überlieferten Exemplare für 1573 bis 1576 sind jene ohne Historien. Ein in der Königlichen Bibliothek Stockholm überliefertes Exemplar für 1574 mit 184 Seiten könnte eines mit den Historien sein, denn die Titelei verweist darauf, daß der „Almanach auffs 1574. Jar“ mit „einem newen angehenckten historischen Schreibkalender“ versehen sei.
Entgegen der bisher in der Literatur vertretenen Ansicht, daß Hieronymus Lauterbach „der erste gewesen sein [dürfte], der Schreibkalender und Calendarium Historicum miteinander verquickte und verwob“ (Sutter, 1975, S. 255), lieferte die jüngste Forschung frühere Beispiele für die Aufnahme der Historien in einen Kalender. Victorinus Schönfeldt fügte seinem Almanach für 1560 im Eingang historisch bedeutsame Jahreszahlen und am Ende eines jeden Monatskalendariums mehrere Historien hinzu. → Johann Hebenstreit wiederum brachte seit mindestens 1558 in seinen zweiten Teilen der Kalender, den Prognostiken, zahlreiche historische Exempel. Und → Bartholomaeus Scultetus verfaßte ab seinem Kalender für 1569 eine Spalte mit Historien. Nach dem jetzigen Kenntnisstand war Lauterbach der vierte Kalendermacher, der seit 1572 einen Kalender mit Historien auffüllte. Über die Gründe, warum Lauterbach die Historien in seinem Kalender für 1572 aufnahm, schrieb Berthold Sutter: „Er wollte Erzherzog Karl, seinem Landesfürsten, und dessen Gemahlin Maria von Bayern seine Reverenz erweisen, sich die Huld seines an der Astronomie interessierten Fürsten erhalten und sich zudem diesem für eine Remuneration dadurch empfehlen, daß er einen Bericht über die ‚hochzeitliche Heimführung‘ und die damit verbundenen Feiern in Graz zwischen dem 9. und 17. September 1571 in seinen Schreibkalender aufzunehmen gedachte“ (Sutter, 1975, S. 256). Lauterbach selbst schrieb im Exemplar für 1573, daß er „zu erinnerung Gottes furcht vnd tugentlichen lebens/ nit ohne geringe mühe vnd arbeit/ etliche Schöne Historien zusammengelesen vnnd darzu gesetzt“ habe (Prognostikum für 1573, zitiert nach Sutter, 1975, S. 256).
Aufgrund der Bedeutung der Kalenderart „Schreibkalender“ werden die überlieferten Exemplare von Lauterbachs Schreibkalendern hier gesondert aufgeführt, ebenso die Praktiken, die in der Folgezeit einem jeden Schreibkalender als zweiter Teil mitgegeben wurden.
Schreibkalender:
1562: Almanach, 4°, Druck Raphael Hoffhalter, Wien (ÖNB Wien, Cod. Vindob. 8276)
1572: Ein Newer Historien vnd Schreibkalender, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6706 I)
1573: Almanach, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLA Graz, Kal. 1573 Graz)
1574: Almanach, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6707 I)
1574: Almanach […] Auch einem newen angehenckten historischen Schreibkalender, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (KB Stockholm)
1575: Almanach, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6706 I)
1576: Almanach, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6706 I)
Praktik bzw. Prognostikum:
1562: Practica, 4°, Druck Raphael Hoffhalter, Wien (ÖNB Wien, Cod. Vindob. 8276, adl. 4)
1572: Practica, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6706 I)
1573: Practica, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLA Graz, Kal. 1573 Graz)
1575: Prognosticon Vnnd Practica, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6706 I)
1576: Prognosticon Vnnd Practica, 4°, Druck Zacharias Bartsch, Graz (SLB Graz, 6706 I)
Titel:
[1557?]–1562[?]: Almanach. [?]–1572: Ein Newer Historien vnd Schreibkalender. 1573–1577: Almanach […] Auch einem newen angehenckten historischen Schreibkalender.
Druck und Verlag:
[1557?]–1562: Raphael Hoffhalter, Wien, 1562[sic]–1563: Alexander Leopold, Graz, 1564–[?]: Andreas Franck, Graz, [1565?]–1577: Zacharias Bartsch, Graz.
Nachweis:
Zinner, 1941/64, S. 233. Seethaler, 1982, Bd. 2, S. 541. Sutter, 1975, S. 329f. VD16.CERL.
Andere Drucke:
(1) Epicedion D. Remigij Albulani Treuirensis, fidelis quondam Euangelicae professionis Ministri, apud Bacharanos, in Christo defuncti, Autore Hieronymo Lavterbachio Lobauiensi. 8°. Nürnberg 1551. SBPK Berlin, in:@Dg 5276 (S. B5a–C4b). Vgl.: Ein Trostbüchlein/ allen krancken/ betrübten/ vnd gefangen nützlich/ damit sie in jhrer angst/ noth vnnd widerwertigkeit auffrichtig biß an das ende/ in Gott verharren mögen. Dieses Trostbüchlein ist enthalten in Albulanus, 1550, ab S. F2a.
(2) Epithalamia et carmina gratulatoria, in honorem nuptiarum […] Johannis Dreheri, et honestiss. Virginis Dorotheae, Domi: Thomae Am Endt Consulis Lobauiensis vigilantissimi filiae. […]. Wien 1559. VD16 L 732.
(3) Aequatorium omnis generis horarum simul ostendens ortum et occasum solis, quantitatem diei et noctis pro elevatione poli 48. graduum. Exusum Graecii Styriae Matropoli apud Andream Franck. Anno 1563. Zitiert nach Sutter, 1975, S. 212, Anm. 10.
(4) Täflein der tag vnd nachtleng/ Auffgangs vnd Nidergangs der Sonnen/ vber das gantze Jhar. Auff die Polus höhe 45. gerechnet. Graz 1570. BSB München, Res/4 Eph. astr. 63, online. […] Auff die Polus höhe 46 gerechnet. Graz 1570. BSB München, Res/4 Eph. astr. 63#Beibd. 1, online. […] Auff die Polus höhe 47 gerechnet. Graz 1570. BSB München, Res/4 Eph. astr. 63#Beibd. 2, online. […] Auff die Polus höhe 48 gerechnet. Graz 1570. BSB München, Res/4 Eph. astr. 63#Beibd. 3, online [22.03.2016].
(5) Caroli Archiduci Austriae serenissimo &c. eiusque dulcissimae convigi Mariae illustrissimi ducis Bavariae Alberti filiae &c. – Panthera Styriae exvltans Gratulor. – Votum subditorvm Styriae. […]. Graz 1571. Zitiert nach Sutter, 1975, S. 213, Anm. 14.
Literatur:
Richard Peinlich: Die steirischen Landschaftsmathematiker vor Kepler. Graz 1871. Zu Hieronymus Lauterbach: S. 8–18.
Joseph Aschbach: Geschichte der Universität Wien. 3 Bände. Wien 1865–1898. Zu Hieronymus Lauterbach: Bd. 3, S. 203–204.
Berthold Sutter: Johannes Keplers Stellung innerhalb der Grazer Kalendertradition des 16. Jahrhunderts. In: Johannes Kepler 1571–1971. Gedenkschrift der Universität Graz. Herausgegeben vom Akademischen Senat. Graz 1975. Zu Hieronymus Lauterbach: S. 211–214. Zu Lauterbachs Historienkalender auf 1572: S. 214–257. Zu Aufbau und Inhalt der Lauterbachschen Kalender: S. 257–263.
Erstellt: 23.03.2016
Letzte Aktualisierung: 22.10.2019