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Messing, Bernhard

„Bernhardus Messingius Rigensis Livonus“; Rigensis Livonvs/ vnder dem Bisthumb Halberstadt Astronomus“; „Rigenses Livonus. Der Keyserlichen Freyen Reichs Statt Lübeck Philomatus vnd Astronomus“ (Selbstbezeichnung auf den Titelblättern, zit. 1591 (Reihe 1, zweiter Teil), 1600 (Reihe 3, Kalendarium), 1604 (Reihe 2, zweiter Teil))
* ca. 1567 Riga, † nach 1607 Lübeck
Kalender seit 1591, verfaßt bis 1607
Pseud.: → Caesius, Johann; → Carolus à Praga; → Franck, Sebastian; → Francus, Benedictus; → Messing, Dominik; → Möller, Bartholomaeus; → Müller, Johann; → Müller, Josias; → Leonhardt Thurneyssers Discipel; → Mithobius, Hector

Bernhard Messing wurde etwa 1567 in Riga geboren. Über dessen Eltern und Kindheit konnten keine Einzelheiten ermittelt werden. Im April 1585 wurde Messing an der Universität Rostock immatrikuliert (Hofmeister, 1889, Bd. 2, S. 215 „Berhardus [sic] Messingius Rigenses“). Aus diesem Jahr 1585 wurde das ungefähre Geburtsjahr abgeschätzt. Im Mai 1591 wechselte er an die Universität Helmstedt (Zimmermann, 1926, S. 90 „Bernhardus Messingius, Rigensis 1591 Mai 16.“). Offensichtlich begann er 1590 publizistisch in Erscheinung zu treten. Der älteste bekannte Kalender von Messing wurde für 1591 verfaßt und 1590 durch Nicolaus Mollyn in Riga gedruckt. 1591 publizierte er eine Hochzeitsepistel für Philipp von Ulenbrock, Sohn des Bürgermeisters Heinrich Ulenbrock in Riga, und Anna Wehling (anderer Druck, Titel 1).
Nach dem Studium lebte Messing in Lübeck, wo er 1606 das Bürgerrecht erhielt. Dort geriet er mit dem Stadtarzt → David Herlicius in Streit, weil er dessen (Herlicius’) „Calender vnnd Prognostica vnter seinem Namen/ als wenn es seine Arbeit wehr/“ nachgedruckt und sogar Kalender unter Herlicius’ Namen „andern hohen vnd fürnehmen Städten/ Item Fürsten vnd Herren/ ja auch Königen dediciert vnd zugeschrieben“ hatte (Herlicius, 1606, S. A2a; vgl. Matthäus, 1969, Sp. 1131). Als Beispiele nannte Herlicius Kalender für das Jahr 1605, die Messing unter Herlicius’ Namen dem König von Dänemark, der Stadt Riga in Lettland und der Stadt Kolberg in Pommern widmete, wohingegen Herlicius selbst seinen Kalender nur dem Kurfürsten von Brandenburg gewidmet habe (Herlicius, 1606, S. A2b). Ferner prangerte Herlicius an, daß Messing seine Kalender „in vieler vnterschiedlicher Scribenten oder autorum Namen/ in den offenen Druck zugeben“ wagte. „Alß das Er sich bald nennet Bartholomeum Mollerum Astronomum Lubecensem, […] Doctorem Iosiam Mullerum, Medicum vnnd Astronomum zu Pergim, bald heist er Johannes Müller/ bald Bastian Francke/ bald Leonhard Thurneisers Discipel, bald nimbt er des hochgelarten Doctoris Hectoris Mitobij, weiland physici zu Hannouer/ an sich/ bald gibt er jhm den Namen Bernhardus Meßingius, mit welchem Namen dann er sich vor 5. oder 6. wochen zu Lübeck in die Bürgerschafft betrieglicher weise hat eingeflicket/ vnnd Tituliert sich nu: geschwornen Bürger zu Lübeck“ (ebd., S. A2b–3a). Schließlich beklagte Herlicius noch, daß Messing durch hinzugefügte „lecherliche dinge“ seine (Herlicius’) Kalender verfälsche (ebd., S. A3a), „[w]elches nicht alleine zum despect vnnd vernichtigung meiner Person/ vnd meines guten Namens/ so wol der Edlen löblichen Sternkunst gemeinet ist: Sondern es werden auch vnzehlich viel Leute/ durch solche vermengung/ betrogen/ vnd in jrrthumb geführet“ (ebd., S. A3b). Herlicius hätte dazu geschwiegen, wenn nicht ein „Bernhardum Meßingium von Riga aus Liefflandt“ eine „Teuffelische Schmehekarte/ […] wieder mich in den offenen Druck“ gegeben und in Lübeck und anderen Orten verteilt hätte (ebd., S. A3b). Messing scheint damit auf eine vorher gegen ihn gerichtete „erdichtede vnd nichtige Schmehkarten“ von Herlicius (Messing, 1606 (anderer Druck, Titel 3), Titelblatt) reagiert zu haben, denn am Ende seiner Entgegnung schrieb er, daß „ich viel mehr zu thun habe/ als auff deine [Herlicius’] tölpische angestiffte Possen/ zu errettung meines Calenders vnd ehrlichen Namens/ zu antworten/ […] vnd vermane letztlich dich/ vergünne dir auch zu schreiben/ was du kanst vnd magst/ aber meinen ehrlichen Namen zu schelten/ vnd meine Calender zuuerachten/ leide ich von dir nicht“ (ebd., S. C2b). Gegen die von Messing wider Herlicius vorgebrachten Beleidigungen (z. B. „sehet der auffgeblasene vnd Ehrgeitzige Fantast Dauid Herlitz an“, „was du geschrieben hast in all deinen Sachen/ ist alles lumpen vnd geflickete Arbeit“, „deine Wascherey vnd Pracherbrieffe/ damit du Landt vnd Leute bescheissest/ […] Ich frage dich nur/ du auffgeblasener Herlitz/ wor hastu deine Mathematische Kunst gelehrnet/ zu Ancklam in der Bierkannen/ oder hinder dem Kachelofen“, „der auffgeblasene/ ehrgeitzige vnd vnerfahrne Dauid Herlitz“, „das du ein auffgeblasener Doctor bist“, ebd., S. A4a, A4b, B1a, B3b, C2b) mußte Herlicius „nothwendig/ zu errettung meines ehrlichen Namens/ in einer kurtzen Apologia, warhafftig vnd gründlich antworten“ (Herlicius, 1606, S. A3b). Diese Verteidigung begann Herlicius mit der Schilderung der Vorfälle zwischen dem 14. und 25. Juni 1606, als Messing die Schmähschrift zu verteilen begann, dann mehrmals „aus wansinnigkeit/ splinternakicht/ als wie er in die Welt geboren/“ in die Kirche und durch die Stadt gelaufen ist und schließlich „für das Mülenthor zu Sanct Jürgen in die Thorenkiste gebracht vnd verschlossen worden“ ist (ebd., S. B1b). Herlicius deutete dieses von Wahnsinn geprägte Verhalten Messings als eine Strafe Gottes, weil Messing „seine Zunge vnd Vernunfft/ wieder die liebe des Nechsten/ Gottes Gebot/ vnd sein Gewissen/ mißbrauchet hat“ (ebd., S. B2a). Danach schilderte Herlicius Einzelheiten aus seinem Leben, um die Anschuldigungen von Messing als Lügen zu entlarven (ebd., S. B3a). Abschließend widerlegte Herlicius in elf Punkten die von Messing behaupteten angeblichen astronomischen und kalendariographischen Fehler in Herlicius’ Kalendern (ebd., S. B3b–D1b).
Dieser Streit ist in der Geschichte des Kalenderwesens der erste öffentlich ausgetragene Streit um die Wahrung des rechtmäßigen Gebrauchs von Namen auf den Titelblättern der Kalender (zu dieser Problematik um 1670 vgl. Herbst, 2012d). Messing war in diesem Zusammenhang nicht zimperlich, denn unter den von ihm benutzten Pseudonymen waren auch die Namen realer Personen (z. B. Hector Mithobius), die er – ohne jene oder ihre Erben gefragt zu haben – verwendete. Auch seinen Namen variierte er, indem er bei einem in Salzburg gedruckten Prognostikum für 1602 den Vornamen „Dominik“ verwendete (siehe Zinner, 1941/64, S. 327, Nr. 3939). Und → Georg Friedrich Caesius wußte zu berichten, daß Messing sich auch „Benedictus Francus, Johannes Caesius, Carolus à Praga, &c genennet hat“ (G. F. Caesius: Schreibkalender für 1609, zweiter Teil, S. A2v). Letztmals erschien der Name Messings auf einem Kalender für 1607.

Titel (ohne die der Pseudonyme):
(1) 1591–[?]: Schreibcalender, Format 8°.
(2) 1592–1607: Schreibcalender sampt Practick, Format 4°.
(3) [?]–1600–[?]: Schreib Kalender, Format 4°.
Druck und Verlag:
(1) Nicolaus Mollyn, Riga.
(2) 1592–[1600?]: Augustin Ferber d. Ä., Rostock, 1601[?]–1607: Druck Abraham Wagenmann, Nürnberg, Verlag Johann Lauer, Nürnberg.
(3) Conrad Kürner, Salzburg.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 126. Matthäus, 1969, Sp. 1357. Wernicke, 2012a, S. 31. Zinner, 1941/64, S. 301, Nr. 3450 (für 1592) und passim. ZKAAD, 1987–1993, Teil 4, S. 336, Nr. 4133 (für 1592). Šiško, 2013, S. 40, Nr. 6 (für 1591). ÖNB Wien (Ex. für 1600 der Reihe 3). VD16. VD17. CERL.
Online:
(3) 1600 [10.01.2018].
Andere Drucke:
(1) Nuptiis ornatissimi et doctissimi juvenis Philippi ab Ulenbrock […]. Rostock 1591. HAB Wolfenbüttel, A: 214.1 Quod. (3).
(2) Typis ocularis qui in solis defectu … conspiciendum sese offeret anno 1593 die martis ex Tabulis Pritenicis, Peurbachii atque Schoneri subductus. Magdeburg 1592. Zit. nach Zinner, 1941/64, S. 303, Nr. 3506a.
(3) Mens generosa ultra polos. Bernhardj Meßingij Rigensis Livonj, Warhafftige vnnd gründtliche Antwort/ auff die erdichtede vnd nichtige Schmehkarten/ des ruhmretigen/ auffgeblasenen/ ehrgeitzigen vnd Geldtsüchtigen Menschen/ Dauid Herlitz/ der Mathematischen Kunst ein grosser Hudeler vnd Fantast/ zu Stargardt in Pommern/ meinen ehrlichen Namen/ wie auch meine Calender/ die zu Saltzburg/ Nürnberg vnd Prag jährlichen gedruckt werden/ zu vertheidigen vnd zu erretten. Ohne Ort [1606]. HAB Wolfenbüttel, T 369.4° Helmst. (4).

Erstellt: 03.08.2015
Letzte Aktualisierung: 10.01.2018

messing_bernhard.txt · Zuletzt geändert: 2018/01/10 17:44 von klaus-dieter herbst