Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


freymund_wilhelm_ernst_pseud

Freymund, Wilhelm Ernst

„Wilhelmus Ernestus Freymund/ Fr. Mathemat. Astronom. & aliarum Artium, Cultor.“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1661)
→ [?]; wahrscheinlich Felsecker, Wolf Eberhard
Kalender seit 1661, erschienen bis 1715

Der Drucker und Verleger Wolf Eberhard Felsecker gab seit 1661 (Gültigkeitsjahr des ersten Schreibkalenders) Kalender heraus, wobei er fast bei allen Kalenderreihen Pseudonyme für die vermeintlichen Kalendermacher verwendete, neben Wilhelm Ernst Freymund auch → Juhrmann, Johann Friedrich (Pseud.), → Bielstädt, Gottfried Achatius (Pseud.), → Simplicissimus, Simplicius (Pseud.), → Weißkohl, Friedrich (Pseud.) und → Curaschiander (Pseud.). Lediglich der Name → Johann Christoph Wagner geht auf eine reale Person zurück. Für die ersten Jahrgänge 1661, 1662 und 1663 lieferte → Abraham Seidel die astronomischen Daten und astrologischen Wettervorhersagen, danach Wagner.
Die folgende Ausführung basiert auf dem Kapitel „3.1.1 Freymund“ in Herbst, 2009b (S. 292–296; dort ausführlicher und mit Literaturverweisen): Mit dem Kalender, der durch den vermeintlichen „Wilhelmum Ernestum Freymund/ Fr. Mathemat. Astronom. & aliarum Artium, Cultor“ (aus Franken, der Mathematik, Astronomie und anderen Künste Liebhaber) seit 1661 verfaßt worden ist, begründete Felsecker seine Tätigkeit als Verleger von Kalendern. Es fällt auf, daß der Verfassername und der Verlegername jeweils dieselben Initialen besitzen: W[ilhelm bzw. olf] E[rnst bzw. berhard] F[reymund bzw. elsecker]. Da trotz intensiver Recherche keine reale Person mit dem Namen W. E. Freymund nachzuweisen ist, ist die Vermutung möglich, daß Felsecker auf dem Titel seinen eigenen Namen mit einem Pseudonym verschlüsselte. Daß Felsecker mit Pseudonymen arbeitete, ist bereits in anderem Zusammenhang beschrieben worden. So konnte der vermeintliche Drucker Johann Filli[j]on als eben jener Wolf Eberhard Felsecker identifiziert werden (vgl. Dünnhaupt, 1990, Teil 3, S. 1836), der das Pseudonym aus dem Namen seines Sohnes Johann Jonathan Filius abgeleitet hat.
Felsecker kam zu einer Zeit nach Nürnberg, als dort noch der Schriftsteller Georg Philipp Harsdörffer wirkte (dieser starb 1658). Es ist denkbar, daß sich beide kannten, denn Felsecker arbeitete in den 1650er Jahren im Nürnberger Verlagshaus der Endter, das Werke von Harsdörffer herausbrachte. In den „Frauenzimmer-Gesprächspielen“ läßt Harsdörffer nun einen „Reymund“ auftreten, der zunächst als ein gereister und belesener Student (vgl. Bd. 5) und dann als ein geistreicher Hofjunker (vgl. Bd. 6) vorgestellt wird. Es ist bekannt, daß im Felseckerschen Kalender des Simplicissimus die Apophthegmata aus Werken von Harsdörffer verwendet wurden. Warum sollte es nicht weitere Anlehnungen an Harsdörffer in den Kalendern des Verlages Felsecker geben? Denkbar ist, daß „Freymund“ den Namen „Reymund“ aufnimmt, auch, daß der bis nach Rom „Gereiste“ (vgl. sechste Zeile im Lobgedicht, Kalender für 1661, zweiter Teil, S. A1b) auf Harsdörffer zielt, dessen Bildungsreise ihn bis dorthin brachte und dem Felsecker vielleicht aus wirklich empfundener Verehrung mit dem Freymundschen Kalender ein „Denkmal“ setzen wollte; man denke an die Zeile „Du lebest nach dem Tod/ du lebest hier und dort“ (zwölfte Zeile im Lobgedicht, Kalender für 1661, zweiter Teil, S. A1b).
Bei der Frage nach der Verfasserschaft können auch im Kalender abgebildete Porträts weiterhelfen. Das im zweiten Teil des Kalenders für 1661 wiedergegebene Porträt findet sich künstlerisch etwas abgewandelt auf dem Kupfertitel in der linken unteren Ecke. Die rechte untere Ecke wird 1661 noch ausgefüllt von einem Medaillon mit Himmelsglobus, der aber spätestens 1663 (1662 ist nicht überliefert, war überliefert in der SBPK Berlin und gilt als Kriegsverlust) einem zweiten Porträt weichen mußte. Dieses ähnelt einerseits dem auf dem Titelblatt des seit 1662 herausgegebenen Kalenders von Juhrmann und andererseits dem überlieferten Bildnis von Felsecker um 1660 (vgl. die Bilder Nr. 2 und Nr. 3 in Bechtold, 1925, S. 71f.)!
Seit dem frühen 17. Jahrhundert war es Brauch, daß ein auf dem Titelblatt oder auf dessen Rückseite gebrachtes Porträt den Verfasser darstellt. Es ist also durchaus vorstellbar, daß Felsecker als Verleger und (!) als hinter jeweils einem Pseudonym versteckter Verfasser wirkte und sich durch sein Porträt den Kennern zu erkennen gab. Nicht geklärt bleibt hingegen, wen das andere Medaillon auf dem Kupfertitel des Freymundschen Kalenders porträtiert, der der Verfasser „Freymund“ sein soll.

Titel:
1661–1686[?]: Historischer Zeit= Welt= Lauf= Friedens= Und Geschichts=Calender. [1687?]–1715: Curioser lesens= und denkwürdiger Geschichts=Calender.
Druck und Verlag:
1661–1681: Wolf Eberhard Felsecker, Nürnberg, 1682: Felseckers Witwe Susanna Maria und Erben, Nürnberg, 1683–1693: Johann Jonathan Felsecker, Nürnberg, [1694]: Felseckers Witwe Elisabeth, Nürnberg, 1695– 1711[?]: Johann Jonathan Felseckers Erben, Nürnberg, [1712?]–1715: Adam Jonathan Felsecker, Nürnberg.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 87. Herbst, 2011a, S. 23. Matthäus, 1969, Sp. 1349. VD17. CERL.
Online:
1661–1679, 1682 [24.09.2015].
Literatur:
Klaus-Dieter Herbst: Die Kalender des Verlages Felsecker – Eine Bestandsaufnahme der Jahrgänge 1661 bis 1675. In: Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Simplicianische Jahreskalender. Europäischer Wundergeschichten Calender 1670 bis 1672 (Nürnberg), Schreibkalender 1675 (Molsheim). Faksimiledruck der vier Kalenderjahrgänge erstmals neu herausgegeben und kommentiert von Klaus Matthäus und Klaus-Dieter Herbst. Erlangen, Jena 2009, S. 279–354.

Erstellt: 24.09.2015
Letzte Aktualisierung: 08.08.2019

freymund_wilhelm_ernst_pseud.txt · Zuletzt geändert: 2019/08/08 15:40 von klaus-dieter herbst