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Richter, Christoph

„Görlicensis, Diaconus zu Kohren in Meissen“, „Pfarrer zu Gnandstein in Meissen“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern ab 1655 bzw. ab 1663)
* 1618 Görlitz, † 1680 Gnandstein
Kalender seit 1655, erschienen bis 1699
Pseud.: → Graf, Jeremias; → Praetorius, Christoph

Über Christoph Richter ist in der Literatur bisher nur bekannt, daß er 1618 in Görlitz geboren und 1641 an der Universität Leipzig immatrikuliert wurde, 1648 eine Stelle als Diakon in Kohren und 1661 als Pfarrer in Gnandstein erhielt und schließlich 1680 starb (Erler, 1909, S. 357 „Richter Christoph. Görlic. 16 gr. i W 1641 P 3.“; Grünberg, 1939/40, Teil 2, S. 737). Da Richter die Laufbahn eines Pfarrers eingeschlagen hat, könnten die Görlitzer Pfarrer Gregor Richter d. Ä. (1560–1624) und Gregor Richter d. J. (1598–1633) Verwandte von ihm gewesen sein (vgl. Dietmann, 1777, S. 174–176, 261f.). Weitere Einzelheiten liefern jetzt seine Kalender und seine von 1668 bis 1680 geführte Korrespondenz mit → Gottfried Kirch. Aus dieser geht auch hervor, daß Kirch die von Richter begonnenen Kalenderreihen „Jahres-Zeiger“ und „Gesprächs-Kalender“ nach dessen Tod unter Beibehaltung von Richters Namen bis in die 1690er Jahre fortgeführt hat (Herbst, 2004a, S. 140f.).
In einem Brief an Kirch vom 30. August / 9. September 1676 bezeichnete Richter den Leipziger Universitätsprofessor Joachim Feller als „mein Schwager H. L. Joachim Feller“ und in einem zweiten Brief vom 30. Dezember 1678 / 9. Januar 1679 als „mein naher Schwager“ (Herbst, 2006, Bd. 1, S. 18, 50). Da Feller im Januar 1677 Johanna Thomasius, eine Tochter von Jakob Thomasius, und nicht etwa eine Schwester von Richter heiratete, bleibt nur der Schluß, daß Richter mit einer Schwester von Feller verheiratet war (vgl. Herbst, 2010a, S. 255). Ob aus dieser Ehe Kinder hervorgegangen sind, konnte nicht ermittelt werden.
Zum weiteren personellen Umfeld von Richter könnten Christian, Herr von Schönburg, zu Glauchau und Waldenburg (Adressat der Dedikation im Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1659, zweiter Teil, S. A1b–2a) sowie Haubold von Einsiedel, Herr auf Gnandstein und Wolfftitz, Richters „wolgeneigte[r] Förderer“ (Adressat der Dedikation im Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1658, zweiter Teil, S. A1b–2b), gehört haben.
In dem sich ausdifferenzierenden Kalendermarkt der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebührt Christoph Richter besondere Beachtung, weil er mit den Inhalten seiner Kalender die Ausbildung eines kritischen Urteilsvermögens der Leser förderte. Hierbei richtete er die Aufmerksamkeit seiner Leser von Anfang an auf die Unhaltbarkeit eines Teils der astrologischen Weissagungen, wie sie noch in den meisten Kalendern in der Mitte des 17. Jahrhunderts angetroffen wurden, insbesondere auch in denen des von Richter genannten Kalendermachers → Marcus Freund (vgl. Quellenzitat 3). Sowohl Richters Naturbetrachtung als auch dessen Haltung zur Astrologie gründete auf dem Studium der Bücher von Tycho Brahe, → Johannes Kepler, Athanasius Kircher, → Abdias Trew und Erhard Weigel. Dreimal schilderte Richter in seinen Kalendern mittels einer autobiographischen Rückblende (siehe die Quellenzitate), wie er zu seiner Position, die gängige Praxis des übertriebenen astrologischen Prophezeiens zu kritisieren, ohne jedoch die Astrologie als ganzes zu verwerfen, fand. Entscheidendes Kriterium für die Zulässigkeit astrologischer Vorhersagen war für Richter deren Vereinbarkeit mit der Vernunft. Bei dieser Prämisse seien nur noch vorsichtige Mutmaßungen zum „Gewitter/ in Säen und Pflantzen/ und in der Artzney Kunst/ wie auch etlicher massen im Nativität-stellen“ zu rechtfertigen (Quellenzitat 2). Alles andere seien „Chaldäische/ Abergläubische Grillen/ gelährte Narrenpossen/ Lug und Trug/ und lauter Alfantzerey“ (Quellenzitat 3).
Mit Blick auf das Kalenderwesen wurde von Richter die Leistung erbracht, daß er als erster Kalendermacher die seit der Antike bekannte und in zahlreichen anderen Drucken seit dem 16. Jahrhundert angewandte Form des (Lehr-)Gesprächs in einem Kalender nutzte. Schon der Titel seines „Gesprächs=Kalenders“, in „welchem zu Belustigung des Lesers Zweene Sternseher/ Ein Bürger/ Ein Bauer/ Ein Soldat/ Ein Artzt/ Ein Gespräch miteinander halten“, weist auf eine Neuheit im Kalenderwesen hin. Das eigentliche Gespräch folgt erst im zweiten Teil, dem „Dialogus Astrologicus, Astrologisches Gespräch Von dem Zustande des […] Jahres“. Die Ankündigung eines astrologischen Gesprächs läßt zunächst nicht erwarten, daß es auch um andere Sachen als um die traditionellen astrologischen Inhalte eines Prognostikums gehen könnte. Natürlich wird dieser Erwartung des Lesers auch Rechnung getragen, jedoch in einer Form, die dem einen Sternseher – dieser verkörpert einen modernen Astronomen – und den anderen Figuren erlaubt, dem zweiten Sternseher, der nach alter Art die Mutmaßungen vorbringt, teils energisch zu widersprechen. Dadurch, daß Richter die unsäglichen und der Vernunft widersprechenden Mutmaßungen nicht einfach wegließ, konnte er sicher sein, daß seine Kalender gekauft wurden. Indem er dann aber die Thematik problematisierte, wozu die Form des Gespräches für das Vorbringen gegensätzlicher Meinungen besonders geeignet ist, nahm er den Leser in die Pflicht, selbst mitzudenken und sich ein eigenes Urteil zu bilden. Nach dieser Methode verfuhr Richter auch bei zahlreichen anderen Themen aus Naturwissenschaft, Politik und Religion, denen er sich in seinen Kalendern zuwandte (siehe zusammenfassend jetzt Herbst, 2010a, S. 196–208). Andere Kalenderautoren folgten diesem Beispiel und ersannen ebenfalls Gesprächsszenen in ihren Kalendern.
Da auch Richter von seinen Zeitgenossen wegen den teilweise eklatanten Unterschieden in den Ankündigungen astronomischer Ereignisse bei verschiedenen Kalendermachern angesprochen wurde, rechtfertigte er sich wiederholt. Dabei verglich er bis zu „20 Autores“ miteinander (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1663, zweiter Teil, S. B3b). Mitunter verwies er auch auf Zeitungsberichte, z. B. auf jenen über eine Finsternis, die in fast keinem Kalender angekündigt worden war, aber in seinem (Gesprächs-Kalender für 1665, zweiter Teil, S. C2b–3b).
Auf eine langjährige Beobachtung des Wetters deutet die autobiographische Notiz hin, nach der Richter „nunmehr 15. Jahr nach einander alle Tage das Gewitter auffgeschrieben“ hatte (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1667, zweiter Teil, S. A2a; vgl. Herbst, 2010a, S. 215).
Richter beklagte das Nachmachen in „Methodum oder Formular“ seines erst unter dem Pseudonym „Christoph Praetorius“ und ab 1659 unter dem Pseudonym „Jeremias Graf“ veröffentlichten „Haußhaltungs=Calenders“ durch einen sogenannten → Andreas Graf (Pseud.), dessen Kalender „in Zwickauischer Druckerey“ hergestellt worden war (Haußhaltungs-Calender für 1664, zweiter Teil, angehängtes „NB.“).
Im Stadtarchiv Leipzig existiert eine Akte (II. Sekt. M 39), in der es um einen Privilegienstreit zwischen „Johann Michael Hoffbuchdrucker zu Altenburgk, contra Johann Bauern, Buchdruckern allhier“ [Leipzig] aus dem Jahr 1666 geht (die Verhandlung vor der fürstlichen Kommission erfolgte am 21. September 1666 im Beisein von Michael und Bauer). Dem liegen zwei fast identisch gestaltete Titelblätter bei, einmal das des in Altenburg für 1664 gedruckten Kalenders von Jeremias Graf mit dem Titel „Nach der Alten und Neuen Zeit Deutlicher und wolgefaster Haußhaltungs Calender“ und zum andern das des in Leipzig für 1667 (sic) gedruckten Kalenders von Jeremias Graf mit dem Titel „Der rechte Altenburgische Nach der Alten und Neuen Zeit Deutliche und wolgefaste Haußhaltungs=Calender“. Aus der Akte geht zweifelsfrei hervor, daß Christoph Richter den Drucker gewechselt hatte und für 1667 seinen Altenburger „Haußhaltungs=Calender“ auch in Leipzig drucken ließ, nachdem der Drucker Johann Bauer dafür am 26. Januar 1666 ein Privilegium erlangt hatte. Als Reaktion darauf hatte der Altenburger Drucker Johann Michael ab dem Kalenderjahrgang 1668 Gottfried Kirch als Autor für eine neue Kalenderreihe mit dem Titel „Der rechte Altenburgische Haußhaltungs= und Kunst=Calender“ gewonnen, die Kirch unter dem Pseudonym → „Jesaias Gräuf“ herausbrachte. Hierüber gerieten Kirch und Richter zunächst in Streit und später in eine freundschaftliche Beziehung, was mit einem Briefwechsel dokumentiert ist (siehe Herbst, 2006, Bd. 1, S. 4 passim).
Richter besorgte sich offenbar auch Literatur aus Frankreich. So erwähnte er im Gesprächs-Kalender für 1674 René Descartes bzw. „des Cartesii Lehre“, nach der „in Zahl/ Gewicht und Maaß die natürlichen Kräffte der Dinge bestehen“ (zweiter Teil, S. B2b). Auch war Richter der französischen Sprache mächtig, denn die Textspalte im Jahres-Zeiger Schreib-Kalender füllte er von Beginn an mit Historien, die er „auß Frantzösischer Sprache in die Deutsche übersetzt“ hatte (zitiert aus dem Kalender für 1656, Kalendarium, S. A4a). 1661 ließ er vierhundert der Historien in seinem „Historische[n] Schau=Spiel“ drucken.
Daneben verfaßte Richter zwei Druckschriften über die Kometen C/1664 W1 von Ende 1664 und C/1665 F1 vom Frühjahr 1665 (Kronk, 1999, S. 350–360; Brüning, 2000, S. 227f.). Eine Handschrift über den Kometen von 1664 (Brüning, 2000, S. 199, Nr. 1095) konnte noch nicht eingesehen werden.

Titel (ohne die der Pseud.):
(1) 1655–1699: Jahres-Zeiger Schreib-Kalender, Format 4°.
(2) 1658–1699: Gesprächs-Kalender, Format 4°.
(3) 1660[?]–1680[?]: Schreib=Kalender, Format 8°.
Druck und Verlag:
(1), (2), (3) 1655–1678: Johann Bauer, Leipzig, 1679–1685: Johann Bauers Witwe, Leipzig, 1686–1699: Johann Köler, Leipzig.
Nachweis:
Herbst, 2004a, S. 140–143. Herbst, 2008a, S. 138. Ergänzung: StA Bad Frankenhausen (Ex. für 1668 der Reihe 2); SLUB Dresden, Mscr. Dresd. Q. 243, 253, 256, 261, 263 (Ex. ab 1665 der Reihe 3); LASA Dessau (Ex. für 1662 der Reihe 3); LASA Magdeburg (Ex. für 1660 der Reihe 3); SHSTA Dresden (Ex. ab 1661 bis 1680 der Reihe 3); SSTA Chemnitz (Ex. für 1679 der Reihe 2). VD17. CERL.
Online:
(1), (2) [16.04.2014].
Andere Drucke:
(1) Berichtendes Send=Schreiben Vom Cometen/ So im Christmonat des 1664. Christen=Jahres ist erschienen: Darinnen derselbige Astronomicè, Physicè, Astrologicè, Theologicè Betrachtet und erkläret wird. Leipzig 1665. HAB Wolfenbüttel, Xb 2012. Online.
(2) Berichtendes Send=Schreiben Von dem Oster=neu/ Oder dem Andern Cometen/ So am H. Oster=tage/ und folgende zwey Wochen dieses 1665. Christen=Jahrs im Tische vornemlich ist erschienen: Darinnen derselbige Astronomicè, Physicè, Astrologicè, Theologicè Betrachtet und erkläret wird. Leipzig 1665. HAB Wolfenbüttel, A: 42.1 Astron. (9) und 45.4 Astron. (21).
(3) Spectaculum Historicum. Historisches Schau=Spiel/ So auf dem Schau=Platz dieser Welt von Gott/ von der Natur/ von guten und bösen Engeln/ von Frommen und Gottlosen Menschen/ in natürlichen Dingen und Politischen Welthändeln/ meistentheils in dem XVI. Seculo nach Christi Geburt/ ist gespielet worden/ Dargestellet in Vierhundert Gesamleten Wunder=Historien Von einem Liebhaber der Welt=Geschichte. Jena 1661. HAB Wolfenbüttel, M: Lb 79. Online. Fortsetzung: Leipzig 1667. SBPK Berlin, Yt 9066. Online.
Literatur:
Klaus-Dieter Herbst: Das Neueste im Jahresrhythmus. Zur Professionalisierung des Kalenderwesens im 17. Jahrhundert. In: Astrid Blome und Holger Böning (Hrsg.): Presse und Geschichte. Leistungen und Perspektiven der historischen Presseforschung. Bremen 2008 (= Presse und Geschichte – Neue Beiträge Bd. 36), S. 97–124. Zu Richter: S. 62–69.
Klaus-Dieter Herbst: Die Schreibkalender für das Jahr 1670. In: Peter Heßelmann (Hrsg.): Grimmelshausen als Kalenderschriftsteller und die zeitgenössische Kalenderliteratur. Bern, Berlin, Brüssel, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien 2011 (= Beihefte zu Simpliciana 5), S. 33–73. Zu Richter: S. 107–111.
Klaus-Dieter Herbst: Die Schreibkalender im Kontext der Frühaufklärung. Jena 2010 (= Acta Calendariographica – Forschungsberichte, Bd. 2). Zu Richter: S. 196–208.
Klaus-Dieter Herbst: Der Jahres-Zeiger Schreib-Kalender von Christoph Richter (1618–1680). Online-Publikation vom 24.11.2008, URL [24.04.2014].
Quellenzitate:
(1) „Es hat mich aber zur Calendariographia von Jugend auff angetrieben die Lust zu den Studiis Mathematicis, ferner die Betrachtung des grossen Wundergeschöpffs des Firmaments und der Sternen: sonderlich hat mein Gemüth wieder angefrischt das Sonnenfinsternüß und der Cometstern An. 1652: welcher Comet sich weidlich hat leiden/ und mit etlicher ungegründeten unnd unstylisirten Deutungen hat zerzerren/ zermarten lassen müssen. […] Ich will aber in dieser meiner CalenderArbeit und Meditation des Phoebi Regel in acht nehmen: Medio tutissimus ibis: In der Mitten wirstu am sichersten fahren: und wil also auff der Mittelstrasse bleiben: wil nicht auff Astrologische Vanitäten halten: auch nicht alles ungestüm verwerffen: sondern das Abergläubische/ und was der Vernunfft zuwider/ fliehen und meiden.“ (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1655, zweiter Teil, S. A3a–b).
(2) „Aber ich kann mit Warheit bekennen/ daß meine Natur von Jugend auff curieux, vorwitzig und sorgfältig gewesen viel seltzames zu wissen und zu erfahren/ und unter andern sonderlich die Mysteria Astrologica, und verborgene Schätze der Astrologischen Weißheit zu erforschen: habe aber befunden/ daß es nicht allein Stückwerck und Flickwerck/ sondern meistentheils Lappenwerck sey/ bevoraus in dieser Art/ davon ich ietzt rede.“ (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1670, zweiter Teil, S. B4a). Richter kritisierte an dieser Stelle die Weissagungen anderer Kalendermacher über die Wappen der Potentaten, Fürsten, Städte und Länder, von denen er nichts hielt, „weil dieselben Sachen und Verkündigen gantz keinen Grund/ ja meistentheils auch nicht nur einen Scheingrund haben.“ Seine Überzeugung wurde noch gestärkt, nachdem er Bücher der Gelehrten Tycho Brahe, Johannes Kepler, Athanasius Kircher und Erhard Weigel gelesen hatte (ebd., zweiter Teil, S. B4b). Am Schluß seiner zweiseitigen Ausführung über die Zulässigkeit astrologischer Vorhersagen formulierte Richter seine Haltung dazu: „Ich will aber hier nicht das Kind mit dem Bade außschütten/ und alles verwerffen/ sondern sage/ daß wo man aus dem Gestirne/ und desselben Gestalt und Gegenhalt etwas probabiliter außführen kann/ daß man es vor eine weitläufftige Muthmassung/ oder vor einen Eruditum ingenii lusum wol kann annehmen/ iedoch daß man die futura contingentia individualia außenlasse/ und bescheidentlich fahre/ sonderlich kann man Astrologiam lassen passiren im Gewitter/ in Säen und Pflantzen/ und in der Artzney Kunst/ wie auch etlicher massen im Nativität-stellen/ doch daß man nirgend zu weit gehe/ sondern es Muthmassungen seyn lasse.“ (ebd., zweiter Teil, S. C1a).
(3) Mit Blick auf dieselbe schrieb Richter im Kalender für 1675: „In meiner Jugend/ wenn ich Marci Freundes/ und andere dergleichen Kalender=Weissagungen lase: dachte ich/ den Mann möchte man in Gold einfassen/ der so auß dem Gestirne kann propheceyen: und weil meine Natur curiosa war/ bekam ich desto mehr Lust zu dem Astronomischen Studio/ und wündschete/ daß ich doch auch ein so grosser Künstler möchte werden/ der auß dem Sternbuche könnte zukünfftige Dinge propheceyen: […] Als ich aber diesen Sachen nachforschete/ hin und wieder Astrologische Schrifften zusammen trug/ in Meynung etwa die grossen Geheimnüsse zuerschnappen und zuertappen/ befand ich mich endlich/ da mir die Augen auffgiengen/ betrogen: für grosse Mysteria fand ich Chaldäische/ Abergläubische Grillen/ gelährte Narrenpossen/ Lug und Trug/ und lauter Alfantzerey: hielt es aber dennoch für einen eruditum ingenii lusum, vor eine gelehrte Kurtzweile des Gemüthes: als ich aber weiter die Schrifften Tychonis Brahe/ Johannis Kepleri/ und anderer Astronomorum/ sonderlich auch des Abdiae Treuens Astrologiam Correctam durchwanderte: ward ich noch mehr von der Blindheit errettet und erleuchtet/ in dem ich sahe/ wie sie diese unverantwortliche Weissagungen tadelten/ scholten und straffeten. Dieses hat mich beweget/ daß ich solches vor einen lautern Tand/ Eytelkeit/ ja gar für eine Leichtfertigkeit halte/ wenn man vorsetzlich die Leute damit äffen und betriegen will. Denn es hat keinen Grund in der Astronomie/ sonsten würden es die vornehmsten Astronomi nicht verwerffen. Es kan solche Weissagung nicht bewiesen werden auß dem Lauffe der Planeten/ […]“. (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1675, zweiter Teil, S. A1a–b).

Erstellt: 24.04.2014
Letzte Aktualisierung vor 20.01.2020: 13.11.2019
Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 04.05.2023

richter_christoph.txt · Zuletzt geändert: 2023/05/04 16:40 von klaus-dieter herbst