„Jeremias Graf von Newstad/ Der Astronomischen Wissenschafft Beflissener Liebhaber“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1659)
→ Richter, Christoph
Kalender seit 1659, erschienen bis mindestens 1690
Daß sich hinter dem Pseudonym „Jeremias Graf“ der Pfarrer Christoph Richter verbarg, folgt zweifelsfrei aus einem autobiographischen Dokument, einem lose eingelegten Blatt im 35. Kalender (das ist der von Jeremias Graf) des Jahrgangsbandes 1668 in der Kalendersammlung des Stadtarchivs Altenburg. Es wird als Quellenzitat vollständig wiedergegeben. Aus diesem Text wird auch geschlußfolgert, daß der Name → Christoph Praetorius auf dem Titelblatt des gleichnamigen Kalenders für 1658 das erste Pseudonym von Christoph Richter war.
Für 1671 ist jeweils ein „Schreib=Kalender“ in Oktav von Jeremias Graf und ein „Schreib=Kalender“ in Oktav von Christoph Richter überliefert. Beide sind im Aufbau und im Text völlig identisch. Auch dieser Aspekt belegt, daß „Jeremias Graf“ ein Pseudonym von Christoph Richter ist.
Wer für den Kalender nach Richters Tod (1680) verantwortlich zeichnete, konnte nicht ermittelt werden. Ob hierfür ebenfalls → Gottfried Kirch infrage kommt, der bereits die beiden anderen unter Richters richtigem Namen erschienenen Kalenderreihen bei denselben Druckern/Verlegern bis 1699 weiterführte, ist nicht klar.
Wegen des Nachahmens dieser Kalenderreihe (→ Gräuf, Jesaias (Pseud.) und → Graf, Andreas (Pseud.)) klagten Richter und sein Verleger bei der „Fürstl. Sächs. Regierung zu Altenburg“ (Quellenzitat).
Titel:
(1) 1659–1690: Deutlicher und Wolgefaster Haußhaltungs Calender, Format 4°.
(2) [?]–1671–[?]: Schreib=Kalender, Format 8°.
Druck und Verlag:
(1), (2) 1659: Otto Michael, Altenburg, 1660–1668: Johann Michael, Altenburg, 1667(sic)–1679: Johann Bauer, Leipzig, 1680–1685: Johann Bauers Witwe, Leipzig, 1686–1690: Johann Köler, Leipzig.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 94. Ergänzung: StA Kroppenstedt, Fach 328, Nr. 18 (Kalender für 1690); SLUB Dresden, Mscr. Dresd. Q. 251 (Ex. für 1671 der Reihe 2). VD17. CERL.
Online:
(1) [24.04.2014].
Literatur:
Klaus-Dieter Herbst: Frühaufklärung, Volksaufklärung, Aufklärung in dem „Altenburgischen Haushaltungs= und Geschichts=Kalender“. Eine zeitliche Längsschnittanalyse von 1646 bis 1842. In: Klaus-Dieter Herbst (Hrsg.): Astronomie – Literatur – Volksaufklärung. Der Schreibkalender der Frühen Neuzeit mit seinen Text- und Bildbeigaben. Bremen und Jena 2012, S. 237–267. Zu Graf/Richter: S. 237–242.
Quellenzitat:
„Großgünstige und günstige Leser/ es könte Euch vielleicht vergangenes Jahr vorkommen seyn/ daß dieses Kalenders und seines Nachdrucks/ wie auch beygefügter Aufflagen wegen/ Streit entstanden/ also daß deßwegen bey der Hochlöblichen Fürstl. Sächs. Regierung zu Altenburg Ich und mein Verleger Klage erhoben: Da denn in Betrachtung des angefügten Unrechts/ nicht allein die Injurien bey ernster Straffe verboten/ sondern auch Abschied ertheilet wor¬den/ daß Gegentheil diesen Kalender/ darüber Ihr Churfl. Durchl. zu Sachsen ein Privilegium ertheilet/ nachzudrucken nicht befuget seyn solle/ iedoch/ daß hingegen Johann Bauer sich des Fürstl. Sächs. und Altenburgischen Stadt=Wapens und Tituls bey künfftiger Drückung enthalten solle. Weil dann mein Verleger diesem Abschiede gehorsame Folge geleistet/ und Ihr auff diesem Kalender voriges Bildnis nicht erblicket oder beschauet: dürffet ihr Ihn deßwegen vor einen Andern nicht halten/ sondern eben vor denjenigen/ so vorhin zu Altenburg gedruckt/ und nicht von mir/ sondern von dem gemeinen Manne der Altenburgische Kalender ist intituliret und genennet worden. Solte aber voriges Bildnis oder Holtzschnitt auff einem andern Kalender gesetzet stehen: soll derselbe vor meine Arbeit nicht gehalten werden: Sintemal ich mich zu keinem Kalender bekenne/ ohne zu denen/ die mit Churfürstl. Sächs. Privilegio von Johann Bauern zu Leipzig gedrucket und verleget werden. Wiewol ich nun mich nicht versehen will/ daß ein redlicher ehrlicher Mann oder Studiosus, der ein erfahrner Liebhaber der Astronomischen Wissenschafft sey/ meinen erfundenen und bißher in diesem Kalender geführten Methodum mir werde abstelen und nachmachen: Dennoch aber/ weil es Himpler und Stimpler möchte geben/ die etwa genau die Ephemerides, auch wol noch nicht recht/ verstehen/ schweige dann/ daß Sie die Fundamenta Astronomiae und Theoriam Planetarum solten inne haben/ die sich unterfingen/ diese bißhero gebrauchte Art und Weise nachzuäffen: So wird gebeten/ daß man an solcher Falschheit wolle einen Abscheu haben/ und dieselbe straffen und schelten. Zwar ein Solcher würde sich selber und seinen guten Namen Schimpff zuziehen: sintemal er ehrlichen verständigen Leuten nicht anders würde vorkommen/ als der Aesopische Affe/ der den Fuchs ansprach/ er solte ihm etwas von seinem langen Schweiffe mittheilen/ daß er seine Schande könne zudecken: Weil Sie mit diesem Methodo die Schande ihrer Ungelährigkeit und Unwissenheit gerne wolten bemänteln.
Daß ich aber auff diesem Kalender den ertichteten Namen/ Jeremias Grafe/ gesetzet: ist geschehen/ weil schon vorhin/ ehe ich diesen heraus gab/ zu Leipzig einer unter meinem rechten Namen gedrucket wurde: Dannenhero ich ein Nomen Synonymicum gebrauchet/ weil Jeremias mit Christophoro, Grafe mit Richter übereinkommet. Jeremias kommt her vom יָרִים und יָהּ, heisset einen Exaltatorem oder Träger Gottes/ Christophorus einen Träger Christi. Daß Grafe in seinem eigentlichen Verstande bey den alten Deutschen einen Richter bedeutet habe/ ist so gar bekandt/ daß der jenige/ der es läugnen will/ satsam seine grobe Ungelährigkeit an Tag giebet: dannenhero vom Dressero Albino, Hammelmannen/ Zeilern und andern ein Marggraf Judex limitaneus, ein Landgrafe Judex provincialis, ein Pfaltzgrafe Judex Palatii Caesarei, ein Gografe Judex paganus im Lateinischen gegeben und erkläret werden: ja hiervon kan das SachsenRecht gnugsam zeugen. Verhoffe demnach/ weil ich mit diesem ertichteten Nomine Synonymico niemanden gefähret oder Schaden gethan/ es werde mir nicht verarget werden: sintemal ex. L. Unica C. de mutatione nominis bekand ist/ daß/ was einer zu seinem Namen in Veränderung seines Namens stifften kan/ das ist ohne Verbot und Straffe/ so ferne er seinem Nächsten nicht damit schadet. So ist auch nichts neues/ daß Theologi, JCti, Philosophi Tractätlein sub Nominibus transpositis aut Synonymicis heraus gegeben.
Daß ich unterschiedene Arten Kalender aufsetze/ und zum Drucke befördere/ darff man nicht einem Mißbrauche oder Geitze zu schreiben/ sondern ich thue es darumb/ weil man in einen Kalender nicht alles bringen kan/ und bald diesem diese Art/ einem andern eine andere gefället: Dann auch weil eine Art/ wegen Enge der Landschafften/ da der alte Kalender Brauch ist/ vor die Müh und den Fleiß/ so ich darauf wende/ nicht lohnet. Diese Art ist sonderlich vor die Einfältigen und die Bauern gestellet/ ohne viel Signaturen der Aspecten/ Planetenlauff/ und andere Astronomische Sachen/ die Sie vielmehr verwirret machen: Zu dem Ende/ daß sie sich in ihrer Einfalt dennoch in die auf einander folgende Zeit/ Monat/ Wochen/ Tage schicken und finden können. Hierauf bitte ich/ man wolle diesen/ als meinen rechten Haußhaltungs=Kalender/ zum Gebrauch auf= und annehmen/ mir und meiner Calendariographiae großgünstig und günstig geneigt verbleiben/ und dieselbe bester massen vertheidigen und befördern.
Christophorus Richter.“
(Deutlicher und Wolgefaster Haußhaltungs Calender für 1668, lose eingelegtes Blatt, Vorders., Rücks.)
Erstellt: 24.04.2014
Letzte Aktualisierung: 15.08.2019