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Raymarus Ursus, Nicolaus

„Nicolaus Raymarus Vrsus Dithmarsus Mathematicus“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt (A2), zit. 1591)
* 2.2.1551 Hennstedt/Holstein, † 15.8.1600 Prag
Kalender seit 1591, verfaßt bis mindestens 1594

Über Nicolaus Raymarus (Reimers) Ursus hat Dieter Launert 1999 eine erste umfassende und 2010 eine erweiterte Studie vorgestellt. Hier wird auf die zweite Bezug genommen. Von den Namensvarianten wird „Raymarus“ gewählt, weil diese auf den Schreibkalendern erscheint.
Raymarus wurde am 2. Februar 1551 in Hennstedt in Dithmarschen geboren. Er gehörte dem Geschlecht der „Baren“ (Bären, lat. Ursus) an (Launert, 2010, S. 12). Vermutlich war er der Sohn von Wolt Reimers (gest. 11.1.1569), der vor 1559 zu den 48 Regenten in Heide gehörte, und dessen Frau Wiben (ebd., S. 16). Mit 18 Jahren war Nicolaus Großknecht bei einem Baren-Verwandten in Hennstedt und hütete Schweine.
Als Autodidakt erlernte Raymarus die lateinische und griechische (und französische ?) Sprache und erwarb sich Kenntnisse in Mathematik, Astronomie und Philosophie (ebd., S. 17). Sein erster Förderer war Heinrich Rantzau (1526–1598), der ihn um 1573/74 auf den Hof Hattstedt in Dithmarschen holte (ebd., S. 21). Dort lebte er bis 1584 als Landmesser. In dieser Zeit verfaßte er die „Grammatica Ranzoviana“ und die „Geodaesia Ranzoviana“ (andere Drucke, Titel 1 und 2). Zwischenzeitlich weilte er seit Mai 1577 an der Universität in Rostock (Hofmeister, 1889, Bd. 2, S. 193 „[1577. Mense Maio] Nicolaus Vrsus Dithmarus“). 1584 trat Raymarus „in den Dienst des dänischen Edelmanns Erik Lange auf Engelsholm bei Vejle sowie auf Schloss Bygholm bei Horsens in Jütland“ (Launert, 2010, S. 26). Lange war mit Tycho Brahe (1546–1601) befreundet und so kam es, daß Raymarus den Astronomen im September 1584 auf der Insel Ven kennenlernte (ebd., S. 27). Bis zum Frühjahr 1585 blieb Raymarus in Diensten Langes (ebd., S. 32). Anschließend wurde er Hauslehrer in Pommern, erst bei Georg Swawe auf Gut Damnitz im Kreis Stolp (ebd., S. 36) und dann bei Andreas von Wolde auf Gut Wusterbarth und Koprieben im Kreis Belgard (ebd., S. 41, 44). 1586 reiste Raymarus wieder nach Westen und besuchte zunächst → Georg Rollenhagen in Magdeburg (ebd., S. 47). Im April 1586 kam er an den Hof des Landgrafen Wilhelm IV. (1532–1592) in Kassel, wo er sich mit Jost Bürgi (1552–1632) anfreundete (ebd., S. 48). Seit Sommer 1587 hielt sich Raymarus in Straßburg an der städtischen Akademie (dem Gymnasium) auf (ebd., S. 18, 56), wo er „Privatunterricht für Studenten in Mathematik“ gab und „Vorlesungen in Arithmetik, Geometrie und Astronomie“ hielt (ebd., S. 60; vgl. ebd., S. 64f.). Die Beziehung nach Straßburg könnte wiederum von Heinrich Rantzau geknüpft worden sein, der mit → Konrad Dasypodius in Straßburg in Kontakt stand (ebd., S. 56). Offenbar blieb Raymarus bis Anfang 1591 in Straßburg, denn danach weilte er in Wittenberg, wo er am 13. Mai 1591 in die Matrikel der Universität eingeschrieben wurde (Förstemann, 1841, Bd. 2, S. 382 „[1591. Maii] 13. Nicolaus Raymarus Vrsus Dithmarsus mathematicus gratis“). Im Sommer 1591 hielt er sich in Frankfurt am Main auf. Hier erhielt er „die Nachricht über seine Berufung als kaiserlicher Mathematiker an den Hof von Kaiser Rudolphs II. in Prag“ (Launert, 2010, S. 67). Damit verbunden war ein Lehrstuhl an der Prager Universität (ebd., S. 61). Während der Prager Zeit veröffentlichte Raymarus mehrere Werke. Er geriet 1596 aber auch in einen Plagiatsstreit mit Brahe, in dem Brahe Raymarus vorwarf, dieser habe 1584 während dessen Besuch auf Ven seine Idee des Weltsystems gestohlen. Raymarus wiederum behauptete, er hätte die Idee zuerst gehabt und bezichtigte Brahe des Plagiats (ebd., S. 73, ausführlich S. 71–94). Brahe, der im Frühjahr 1599 nach Prag kam und den Lehrstuhl von Raymarus übertragen bekam, entschied den Streit (wohl zu Unrecht; vgl. ebd., S. 106) für sich (ebd., S. 89). Raymarus wiederum verließ im Juli 1599 Prag und ging nach Schlesien, kehrte aber Ende 1599 zurück (ebd., S. 90f.) und traf im Januar 1600 mit → Johannes Kepler zusammen (ebd., S. 92; zur Korrespondenz mit Kepler in den Jahren 1595 bis 1597 siehe ebd., S. 95–100; zum Brief an Christoph Clavius vom 21. März 1594 siehe ebd., S. 330–342; zum Brief an Kaiser Rudolph II. vom 1. Juni 1597 siehe ebd., S. 368–370). Wenige Monate später starb Nicolaus Raymarus Ursus am 15. August 1600 in Prag an der Schwindsucht, einen Tag darauf wurde er in der Bethlehemskapelle beigesetzt (ebd. S. 101). Er hinterließ seine Witwe Ursula, über die sonst nichts weiter bekannt ist (ebd., S. 73, 104).
Das wissenschaftliche Hauptwerk von Raymarus ist dessen „Fundamentum Astronomicum“ aus dem Jahr 1588 (anderer Druck, Titel 3; vgl. Launert, 2012), in dem er ein System des Planetensystems entwarf, daß dem von Tycho Brahe ähnelte. Diese Veröffentlichung führte zu dem oben erwähnten Streit zwischen Brahe und Raymarus. Raymarus veröffentlichte mehrere „Diagramme“ mit Bildnissen, darunter jene von → Bartholomaeus Scultetus (vgl. Launert, 2010, S. 223) und von → Victorinus Schönfeldt (vgl. ebd., S. 236). Hervorzuheben ist ferner, daß Raymarus 1586 für Bürgi Copernicus’ „De revolutionibus“ (1543) ins Deutsche übersetzte. Die Handschrift (UB Graz, Ms. 560, 34/17f.) gilt als die erste deutsche Übersetzung (vgl. Hamel, 1998, S. 84–173 mit der wissenschaftlichen Teiledition der Grazer Handschrift).
Für die Jahre 1591 bis mindestens 1594 verfaßte Raymarus auch Schreibkalender in Quart (der Kalender mit Prognostikum für 1593 und das Kalendarium für 1594 sind beschrieben in Launert, 2010, S. 258–266, 272–274). Den in Straßburg gedruckten Kalender für 1591 (überliefert im StA Frankfurt an der Oder, I 797 (20), das Titelblatt fehlt, aber Blatt A2 nennt den Verfasser Nicolaus Raymarus Ursus) widmete Raymarus den „Herrn Ernst Friderichen/ vnd Herrn Jacob/ gebrüdern: Marggrauen zu Baden vnd Hochberg: Landgrauen zu Suffenberg: […]“). Um 1590 ließ ebenfalls → Lucas Bathodius Schreibkalender in Straßburg drucken.

Titel:
1591–1594[?]: Schreibkalender.
Druck und Verlag:
1591–[1592?]: Anton Bertram, Straßburg, 1593[?]–1594: Druck Martin Wittel, Erfurt, Verlag Paul Brachfeld, Frankfurt am Main.
Nachweis:
ZKAAD, 1987–1993, Teil 4, S. 335, Nr. 4119 (Ex. für 1591) und passim. Zinner, 1941/64, S. 306, Nr. 3552 (Prognostikum für 1593). BL London, 86109 bb 62 (4) (Kalendarium für 1593). VD16. CERL1. CERL2.
Online:
1593 Prognostikum [22.11.2016].
Andere Drucke (Auswahl):
Eine vollständige Übersicht zu den Werken von Nicolaus Raymarus Ursus mit ausführlicher Kommentierung der Werke bietet Launert, 2010, Teil 2. Hier werden nur die wichtigsten aufgeführt.
(1) Grammatica Ranzoviana, Scripta Ad Henricvm Ranzovivm, D. Iohannis Eqvitis Avrati Filivm, Regivm Vicarivm In Holsatia Est Dithmarsia. Ohne Ort 1580. KB Kopenhagen.
(2) Geodaesia Ranzoviana. LandtRechnen/ vnd Feldmessen/ sampt messen allerhand grösse. Alles auff eine leichte/ behende/ vnd vormals vnbekandte newe art/ künstlich/ gründlich vnd deutlich beschrieben/ […] Durch Nicolaum Reymers/ von Henstede/ in Dietmarschen. [Leipzig 1583]. BETH Zürich, Rar 4369:1. Online [22.11.2016]. Und in anderen Bibliotheken.
(3) Fvndamentvm Astronomicvm: Id Est. Nova Doctrina Sinvvm Et Triangvlorvm. Eaqve Absolvtissima Et Perfectissima, Eivsqve Vsvs In Astronomica Calculatione & Obseruatione. I. Hypotheses nouae ac verae motuum corporum Mundaorum. […]. Straßburg 1588. SLUB Dresden, Astron. 315.d. Online [22.11.2016]. Und in anderen Bibliotheken. Übersetzung ins Deutsche: Launert, 2012.
(4) Methamorphosis Logicae […]. Straßburg 1589. BSB München, Ph. sp. 909. Online [22.11.2016]. Und in anderen Bibliotheken.
(5) De Astronomicis Hypothesibvs, Sev Systemate Mvndano, Tractatvs Astronomicus & Cosmographicus; scitu cum jucundus tum utilissimus. […]. Prag 1597. BETH Zürich, Rar 4413. Online [08.12.2016].
Literatur (Auswahl):
Dieter Launert: Nicolaus Reimers Ursus. Leben und Werk. Zweite, verbesserte und erweiterte Auflage. Meldorf 2010.
Dieter Launert (Hrsg.): Astronomischer Grund. Fundamentum Astronomicum (1588) des Nicolaus Reimers Ursus. Frankfurt am Main 2012 (= Acta Historica Astronomiae, Vol. 47).

Erstellt: 08.12.2016
Letzte Aktualisierung: 09.11.2019

raymarus_ursus_nicolaus.txt · Zuletzt geändert: 2019/11/09 15:25 von klaus-dieter herbst