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Junius, Ulrich

„M. Ulrich Juni/ Ulm.“ (Selbstbezeichnung nach der Vorrede im „Verbesserten Calender“ (Reihe 1) für 1701, Kalendarium, S. A3b)
* 17.10.1670 Ulm, † 20.3.1726 Leipzig
Kalender seit 1700, verfaßt bis 1726

Ulrich Junius wurde am 17. Oktober 1670 als Sohn eines Leinwandwirkers und Händlers in Ulm geboren (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 161). Beide Eltern starben kurz aufeinander folgend im Februar und März 1693 (ebd., S. 162). In Ulm besuchte er das Gymnasium, wo → Jacob Honold d. Ä. sein Lehrer in Mathematik war. Nach der Schulzeit studierte er Mathematik und Theologie, zunächst seit dem 26. April 1694 an der Universität in Jena (Jauernig/Steiger, 1977, S. 447 „Juni, Ulrs., Ulmens., 26. April 1694“) und danach seit dem Sommersemester 1697 in Leipzig, wo er am 23. Januar 1700 zum Magister promoviert wurde (Erler, 1909, Bd. 2, S. 208 „Iunius, -ni Ulr. Ulm. 1 rt i S 1697 B 37, b. a. und m. 23.1.1700“). In Jena hatte Junius gehofft, Vorlesungen des damals berühmten Mathematikprofessors Erhard Weigel (1625–1699) hören zu können, doch wurde diese Hoffnung nicht erfüllt, weil Weigel damals sehr viel auf Reisen unterwegs war (Quellenzitat 1). In den Jahren 1699 und 1700 gehörte er zu den Kritikern der am 23. September 1699 von den evangelischen Reichsständen beschlossenen Kalenderreform (andere Drucke, Titel 2, 3, 5; vgl. Koller, 2014, bes. S. 386–398). In Leipzig wurde Junius 1702 anstelle des verstorbenen Valentin Friderici „zum Collegiato deß Großen Fürsten=Collegii erwehlet“ und 1705 zum außerordentlichen Professor der Mathematik ernannt (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 162). Am 15. Januar 1705 wurde er außerdem zum „HoffMathematicus“ bestallt, wofür er sich am 12. März 1705 in einem Brief an den Dresdner Hof bedankte (SächsHSA Dresden, 10036, Finanzarchiv Loc. 34215, Rep. XIX, Nr. 602, fol. 85).
Diese Ernennung stand in direktem Bezug zu dem am 1. November 1704 modifizierten kurfürstlichen Kalendermonopol (Privilegium vom 8. November 1699 für Thomas Fritzsch, vgl. Otto, 2000, S. 70), das jetzt die „Einführ= und Verkauffung frembder Calender“ im Kurfürstentum Sachsen regelte, und nicht verbot wie im Mandat vom 8.11.1699 (SächsHSA Dresden, 10036, Finanzarchiv Loc. 33461, Rep. XXXII, Nr. 30, fol. 40–43, abgedruckt jetzt in Herbst, 2014b, S. 396–398; vgl. Herbst, 2011a, S. 130 und Greiling, 2015, S. 107, Anm. 197). Eine Neuregelung wurde erforderlich, weil auf Druck ausländischer (vor allem Nürnberger) und Leipziger Verleger das Privilegium für Fritzsch am 12. Dezember 1703 von höchster Stelle wieder kassiert worden war (Otto, 2000, S. 70). Nach dem Mandat vom 1.11.1704, das in den Kalendern auszugsweise publiziert wurde, durften andere in Sachsen gedruckte und ausländische Kalender vertrieben werden, wenn sie durch einen besonderen Stempel gekennzeichnet worden sind. Mit dieser Neuregelung war die am 20. November 1704 erfolgte Bestallung von Jacob Fritzsch in Leipzig als Faktor der Kalender (Aufsicht über Druck und Vertrieb) in Sachsen verbunden, wofür sich dieser in einem Brief vom 12. März 1705 bedankte (SächsHSA Dresden, 10036, Finanzarchiv Loc. 34215, Rep. XIX, Nr. 602, fol. 86).
In den Positionen als Universitätsprofessor und Hofmathematiker unternahm Junius in den Jahren 1706 bis 1708 eine Bildungsreise, für die ihm „aus denen vom Calender Privilegio fallenden Geldern 500. Thlr. gezahlet werden solle“ (SächsHSA Dresden, 10036, Finanzarchiv Loc. 34215, Rep. XIX, Nr. 602, fol. 87b). Die Reise führte ihn unter anderem nach Nürnberg, Augsburg, Schaffhausen, Luzern, Basel, Zürich, Straßburg, Paris, Holland, England und wieder zurück nach Holland, wo er jeweils mit führenden Gelehrten, darunter Astronomen (in England z. B. Isaac Newton und John Flamsteed), zusammentraf (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 162f.; Döring, 1999, S. 87f.). Zahlreiche überlieferte Briefe künden von den Kontakten mit jenen Gelehrten (vgl. den Briefnachlaß in der UB Leipzig). Auch fügte Junius bei passenden Gelegenheiten Auszüge aus den Briefen von Astronomen im zweiten Teil seines „Verbesserten Calenders“ ein, was den Charakter dieses Kalenders als ein astronomisches Jahrbuch unterstreicht. Nachdem 1711 der ebenfalls aus Ulm stammende Mathematiker Christoph Pfautz in Leipzig gestorben war, erhielt Junius dessen ordentliche Professur auf dem Lehrstuhl der Mathematik (andere Drucke, Titel 8 und 9). Viermal wurde Junius Rektor der Leipziger Universität. 1723 wurde er Mitglied der Brandenburgischen Societät der Wissenschaften zu Berlin. Als Autor verschiedener astronomischer Schriften (vgl. die anderen Drucke) wurde Junius vor allem unter den Astronomen eine führende Gestalt in den ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts.
Junius heiratete zweimal. Seine erste Ehefrau Anna Elisabeth (geb. am 31. Mai 1682), geborene Olearius (Schwester von Johann Friedrich und Georg Philipp Olearius) und Witwe von Christoph Pfautz, heiratete er 1713 (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 164). Anna Elisabeth starb am 13. November 1720 während der Entbindung eines totgebornen Sohnes (vgl. anderer Druck, Titel 13). Aus dieser Ehe stammen die Kinder Ulrica Elisabeth, Johanna Wilhelmina, Christiana Sophia, Gottfried Ulrich, Friedrich August und Gottfried Christian (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 165). Die zweite Ehe ging Junius am 26. Februar 1722 mit Johanna Eleonora Jacobi, Tochter des Ratsherren und Stadtrichters Christian Benjamin Jacobi, ein (Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Nikolai Leipzig, Kirchenbuch Trauungen, Bd. 11 (1719–1731), S. 579; für den am 3. September 2017 gegebenen Hinweis auf den Kirchenbucheintrag danke ich Dr. Mark Lehmstedt, Leipzig). Hier kamen die Kinder Wilhelm Ludwig, Johann Friedrich und Christiana Eleonora (eine „Posthuma“) zur Welt (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 166). Junius starb am 20. März 1726 (ebd., S. 165). Über die aus der Bibliothek von Junius auf einer Auktion angebotenen Bücher gibt ein Katalog Auskunft (Auktionskatalog Junius, 1727).
Das Kalenderschreiben erlernte Junius von → Gottfried Kirch, dem damals bedeutendsten deutschen Astronomen und Kalendermacher. Am 14./24. August 1697 setzte ein sehr intensiv geführter Briefwechsel zwischen Junius und Kirch ein, der von einem Aufenthalt Junius’ bei Kirch in Guben von mindestens dem 5./15. März bis zum 19./29. April 1699 begleitet wurde. Infolgedessen entwickelte sich eine enge persönliche Beziehung zwischen Junius und der Familie Kirch, was auch in den Briefen zum Ausdruck kommt (der Briefwechsel mit Kirch ist publiziert in Herbst, 2006). Die enge Beziehung schlug jedoch 1700 in Feindschaft um, nachdem Junius Kalender- und Beobachtungsmaterial von Kirch ohne dessen Wissen verwendet hatte (Herbst, 2006, Bd. 3, S. 826).
Den ersten Schreibkalender verfaßte Junius für das Jahr 1700. Zwar wird sein Name auf dem Titelblatt des in Leipzig gedruckten „Verbesserte[n] Calender[s]“ – dem für Sachsen privilegierten Kalender – nicht genannt, doch besteht an Junius’ Autorschaft kein Zweifel, denn die Vorrede im Kalender des Folgejahres unterzeichnete der Autor mit „M. Ulrich Juni/ Ulm.“ (Verbesserter Calender für 1701, Kalendarium, S. A3b). Als ein vom König in Polen und Kurfürsten zu Sachsen bestallter Hofmathematiker und damit als „Calendariographus Regius“ (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 167) oblag es Junius, die jährlichen Kalender zu verfassen (analog dem königlichen Astronomen Gottfried Kirch in Berlin). Alle Exemplare dieser Kalenderreihe, die zu Junius’ Lebzeiten von von ihm verfaßt worden waren und danach von dessen Nachfolgern herausgegeben wurden, zeichnen sich durch einen äußerst hohen Anteil astronomischer Inhalte aus, insbesondere an exakten Vorausberechnungen (z. B. auch für die Beobachtung der Jupitersatelliten), aber auch an Beobachtungsergebnissen und Problemerörterungen (vgl. Herbst, 2009a, S. 211–214). Die zweiten Teile gleichen über weite Strecken einem astronomischen Jahrbuch, das vor allem in den ersten Jahren und in den Jahren ab 1720 ohne astrologische Elemente auskommt (extrem im Exemplar für 1708, zweiter Teil, S. F1a–G4b). Die im zweiten Jahrzehnt wieder eingefügten traditionellen Kapitel haben häufig nur die Überschrift mit dem früheren astrologischen Gebrauch gemeinsam, der Text ist dann eine Auseinandersetzung mit dem Problem des bei vielen Kalenderlesern noch vorhandenen Aberglaubens.
Im „Vorbericht zu dieses Verbesserten Calenders Innhalt und Eintheilung“ (1706, Kalendarium, S. A3b–4a) gab Junius eine Einschätzung zum Verhältnis von astrologiefreien Kalendern und den Käufern. Demnach wird zwar ein „accurater Astronomischer/ und von allem Aberglauben und Wahrsagereyn gereinigter Calender […] von verständigen Leuten mehr gewünschet/ als daß man dessen heut zu tag habhafft werden kan“, aber es fehle vor allem „an dem Käuffer/ welcher gar selten einen andern Calender sich zuleget/ als der mit Astrologischen Vanitäten und Prognosticis angefüllet ist […] welche Weissagungen doch alle ein pur=lauterer Betrug sind“ (Verbesserter Calender für 1706, Kalendarium, S. A3b). Sodann rechtfertigte Junius sich dafür, daß er trotz seiner Ablehung der Wetterprognosen diese dennoch in den Kalender setzte, um „dem Verlag und Verkauff nicht hinderlich zu seyn“ (ebd.). Allerdings fehlen auch diese im Jahrgang für 1708 gänzlich. Die Kritik an der Überfrachtung früherer Kalender mit astrologischen Mutmaßungen („des nichts würdigen und untüchtigen Gezeugs“, „das unverantwortliche Geschmiere“) brachte Junius schon im ersten Jahrgang mit drastischen Beispielen vor und er stellte dazu fest: „Mundus vult decipi. Das Capitel aber vom Krieg und Frieden in diesen neu verbesserten Calender mit hinein zu flicken/ wäre gewiß ein unverantwortlich Ding/ dieweilen ja genugsam bekant/ in welcher Macht und Gewalt/ nächst GOtt/ dieses zu bewerckstelligen steht/ und die von denen Astrologastria falsch vorgegebene/ und wieder alle raison denen Planeten angedichtete Qualitäten und Eigenschafften/ wie solches künfftig hin solle demonstrirt werden/ nicht das wenigste hierzu contribuiren können“ (Quellenzitat 3).
Für das Jahr 1701 wurde eine zweite Kalenderreihe begründet. In der Vorrede des „Verbesserten Calenders“ für 1701 begründete Junius die unterschiedliche Gestaltung dieses „Verbesserten Calenders“ gegenüber dem neuen „Land= und Hauß=Calender“. Der Verleger habe sich entschlossen „zu einer gedoppelten/ und von einander unterschiedenen Calender=Arbeit“, um „so wohl dem gemeinen Mann/ als verständigern Leuten möchte gedienet/ und gefälliger massen willfahret werden“. Der „Land= und Hauß=Calender“ bringe neben „der richtigen Zeit= und Jahr=Rechnung fürnehmlich allerhand Anmerckungen und Reguln in sich/ die dem gemeinen= und mittel=Mann/ so wohl in Bestellung des Haußwesens/ als Anschickung der Felder/ zu wissen und zu beobachten sehr nützlich und fürträglich seyn werden.“ Mit dem anderen Kalender gedachte Junius „ein Muster einer rechten Astronomischen Arbeit für Augen zu legen/ allein es haben einige/ und zum Theil gar wichtige Umstände die gäntzliche elimination der astrologischen Ungründen/ und die selbst=gefällige disposition und Ausarbeitung des Calenders dieses mahl noch nicht verstattet/ verhoffen aber auf das künfftige Jahr mit GOttes Hülffe solches gewiß zu praestiren/ und denen Liebhabern der Astronomischen Wissenschafften/ auch andern courieusen und verständigen Leuten/ ein rechtes Calender=Muster zu zeigen/ biß dahin wir dann die noch im Wege stehende obstacula gäntzlich wegzuräumen beflissen seyn werden“ (Quellenzitat 4). Die hierin angesprochenen und in diesem Kalenderjahrgang noch vorhandenen astrologischen Reste sind die Erwählungen günstiger Tage und die Wettervorhersagen, die in den Monatstafeln noch zu finden sind.
Mit dem Jahrgang 1710 erfuhr der „Verbesserte Calender“ eine inhaltliche Neuausrichtung, indem er zu einem „Staats=Calender“ ausgestaltet wurde, ohne daß dieses im Titel kenntlich gemacht wurde (wohl deshalb wird diese Kalenderreihe nicht aufgeführt in Bauer, 1997/1999/2002, Bd. 1), lediglich die Recto-Seiten des Kalendariums sind seit dem Jahrgang 1710 (sic) mit „Verbesserter Staats=Calender“ überschrieben. Im zweiten Teil („Practica Oder Calender=Anhang“) wurde zunächst ein „Kurtzer Vorbericht/ Warumb diese Sorte Calender anitzo der Verbesserte Staats=Calender heisse?“ gegeben (Quellenzitat 5). Eigentlich müßte man – so Junius – „diese Art Calender den titul eines Astronomischen Calenders“ geben, weil nur astronomische Dinge darin enthalten seien. „Alleine weil diese Benennung bey den meisten nicht allzuwohl klinget/ so hat man dafür den Nahmen Staats=Calender erwehlet/ und solle auch in Zukunfft/ diesem Titul zu folge/ die materie darnach eingerichtet werden.“ Zu dieser Materie soll das schon von Anfang an gebrachte Verzeichnis der Geburtstage hoher Standespersonen gehören, in das aber jetzt noch die Personen des gesamten Königlichen Staats, „das ist/ auß welchen hohen Ministris dieses und jenes Collegium bestehe“, hinzugefügt werden sollen. Zu diesem Zweck wurden „diejenige/ welche hierzu etwas contribuiren können/ hiemit in gebühr ersuchet/ dem Publico zum Besten dieses gute Absehen helffen zu befördern“ (Verbesserter Calender für 1710, zweiter Teil, S. F1a). In dem Vorbericht zum „Calender=Anhang“ für 1711 ging Junius noch einmal auf das ein Jahr zuvor geäußerte Vorhaben ein, diesen Kalender als einen „Verbesserten Staats=Calender“ zu benennen. Zwar konnten bei der Beschaffung der Geburtstage hoher Personen Fortschritte erzielt werden, „[a]lleine was nunmehr die versprochene Nachricht von dem gesamten Staat Sr. Königl. Maj. in Pohlen und Churfürstl. Durchlauchtigkeit zu Sachsen anlanget/ aus welchen Ministris solcher bestehe/ und so weiter; da müssen wir leider ! bekennen/ daß so viel Schwierigkeiten sich hervorgethan/ welche aus dem Wege zu räumen/ unser Vermögen viel zu schwach gewesen“ (Verbesserter Calender für 1711, zweiter Teil, S. G1a).
Bemerkenswert ist im Kalender für 1710 eine nochmalige Einlassung des Verfassers zum Problem „Vom Kriegs= und Friedens= Prognostico“ (zweiter Teil, S. G1a–b). Er wolle „damit denen bey zehn Jahren her öffters davon geführten weitläufftigen Discursen einmahl ein Ende machen/ weil doch solche gar wenig/ oder nichts gefruchtet haben.“ Junius appellierte noch einmal an diejenigen, die an solche astrologischen Schwachheiten glauben, ihre Einfalt einzusehen und lieferte ein Beispiel aus dem politischen Geschehen des Jahres 1708.
In dem Jahrgang 1716 sind die astronomischen Inhalte radikal reduziert (z. B. fehlen jetzt die Zeichnungen zu den Finsternissen und jegliche Tabellen zur Sichtbarkeit der Planeten und der Jupitersatelliten), stattdessen werden z. B. jeweils ganzseitige Kapitel „Vom Friedens= und Kriegs=Prognostico“ (zweiter Teil, S. G3b) und „Vom Gesund= und Kranckheits=Prognostico“ (zweiter Teil, S. G4a) eingeschoben, in denen sich der Verfasser mit eindeutig aufklärerischen Positionen äußerte. So sei es nicht möglich, das Kriegsgeschehen vorherzusagen, denn es „lehret uns die Vernunfft mit Approbation derer Geschichte, daß der Ausgang des Krieges sehr zweiffelhafftig“ sei. Und bei den Krankheiten solle man lieber das Wissen gelehrter Männer annehmen, denn „hierinne lässet sich auch in der That was zuverläßiges und gründlichers verrichten, als man etwan aus denen Sternen und deren Lauff zuvor sagen kan, was in künfftigen Zeiten von sonderbare Kranckheiten sich ereignen werden.“ Mit diesen und anderen Einlassungen in seinen Schreibkalendern trug auch Junius um 1700 neben → Johann Christoph Sturm in Altdorf, → Georg Albrecht Hamberger in Jena und Gottfried Kirch in Berlin zur frühen Aufklärung der Menschen bei (zur Würdigung der Kalenderreihe „Verbesserter Calender“ im Kontext der Frühaufklärung siehe Herbst, 2010a, S. 273–280). Dadurch, daß diese Gelehrten als Medium einen Schreibkalender benutzten, erreichten sie jedes Jahr viele tausend Menschen.
Seit dem Kalender für 1705 wurde der „Verbesserte Calender“ unmißverständlich als der für das gesamte „Sachsen Churfürstenthum/ incorporirt= und andere Lande“ maßgebende Kalender auf dem Titelblatt ausgegeben. Die andere Reihe wurde erst als „Sächsischer“ (1705) Land- und Haus-Kalender und dann ebenfalls als für „die gesammte Königliche Chur= und Fürstlich=Sächsische auch andere Lande“ (1710) gekennzeichnet. Daneben wurden weitere Reihen begonnen, bei denen die zweiten Teile („Calender=Practica“) z. B. des Kriegs- und Siegs-Kalenders für 1711 und 1715 identisch waren mit den zweiten Teilen des Haus- und Land-Kalenders. In einem Schreiben von Jacob Fritsch an den König und Kurfürsten vom 28. Oktober 1705 werden alle Kalendersorten für 1706 mit Titel, Format und Preis aufgelistet (SächsHSA Dresden, 10036, Finanzarchiv Loc. 34215, Rep. XIX, Nr. 602, fol. 88, gedruckt in Herbst, 2014b, S. 384). Über die Auflagenhöhe berichtete Fritsch nichts, doch ist bekannt, daß allein der „Verbesserte Calender“ für 1700, als es die anderen vier Quartkalender noch nicht gab, in einer Auflage von 600.000 Exemplaren gedruckt worden war (Habermann, 2012, S. 96). Wenn von diesen 50.000 Dutzend Kalendern nur 3 Groschen pro Dutzend (oder 3 Pfennige pro Kalender) in die Staatskasse gefloßen wären, dann hätten jedes Jahr 6.250 Taler für den Bau eines Observatoriums oder für die Errichtung einer Sächsischen Societät der Wissenschaften (vgl. Otto, 2000, S. 71, Anm. 99) zur Verfügung gestanden (zum Vergleich mit den finanziellen Verhältnissen bei der 1700 gegründeten Brandenburgischen Societät der Wissenschaften zu Berlin siehe Brather, 1993, S. 57, 233–258).
Neben diesen in Leipzig für Sachsen verfaßten Kalenderreihen schrieb Junius auch eine Kalenderreihe für seine Geburtsstadt Ulm, auf deren Titelblättern der Verfasser sich nur mit seinen Initialen → U. J. U. vorstellte.
Nach dem Tod von Ulrich Junius im Frühjahr 1726 wurden die Leipziger Kalender von dessen Erben weiter anonym herausgegeben, wobei diese auf die von Junius für viele Jahre geleistete Vorarbeit zurückgreifen konnten (Sicul, 1723, Bd. 4, S. 168). Verfaßt wurden die Kalender jetzt aber von → Georg Friedrich Richter. Erst mit dem Kalender für 1746 wird ein weiterer Verfasser auf dem Titelblatt namentlich greifbar (→ Johann Theophil Walz). Die 1700 bzw. 1701 begonnenen Kalenderreihen (1 und 2) wurden nachweislich bis 1814 bzw. 1823 fortgeführt (sie sind fast komplett überliefert im StA Altenburg).
Der Verkauf des „Verbesserte[n] Calender[s]“ durch die Erben von Junius erfolgte „im Juniußischen Verlage“ (Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Nr. LXXXII, Leipzig, 11. Oktober 1742, S. 736). Als Unternehmen ist ein Juniusscher Verlag nicht in Erscheinung getreten. Aber 1763 gründete Johann Friedrich Junius (1725–1794), ein Sohn von Ulrich Junius (siehe oben), die „Juniussche Verlagsbuchhandlung“ in Leipzig (DBE, 2001, Bd. 5, S. 384; für den am 1. April 2019 gegebenen Hinweis auf J. F. Junius danke ich Dr. Mark Lehmstedt, Leipzig). Offenbar wurde im Zuge der Erteilung eines Privilegiums an die Universität Leipzig zur Herausgabe des Leipziger Kalenders (erteilt am 8. Januar 1748 von Kurfürst Friedrich August II.; siehe Schulze, 1802, S. 90) auch das Verlagsrecht neu geregelt, denn ab dem Kalender für 1749 wurde Sebastian Heinrich Barnbeck als Verleger („Zu finden bey“) auf dem Kalendertitelblatt genannt. Beim Kalender für 1750 erfolgte der Zusatz „und in Commission bey Johann Gabriel Büschel“, ab 1751 hieß es nur noch „Gedruckt und zu finden bey Johann Gabriel Büschel“.

Titel:
(1) 1700–1726: Verbesserter Calender, Format 4°.
(2) 1701–1704: Land= und Hauß=Calender. 1705–1745[?]: Hauß= Garten= und Land=Calender, Format 4°.
(3) 1706–1709[?]: Kriegs= und Siegs=Calender, Format 4°.
(4) 1706–[?]: Zeit= und Staats=Calender, Format 4°.
(5) 1706–[?]: Historien=Calender, Format 4°.
(6) 1700–[?]: SchreibCalender, Format 8°.
(7) 1706–[?]: SchreibCal: lang, Format 12°.
(8) 1706–[?]: HaushaltungsCalender, Format 16°.
(9) 1706–[?]: HaushaltungsCalender, Format 32°.
(10) 1706–[?]: Buch blätchen Calender, Format ?.
(11) 1710–1723[?]: Lehr= Kunst= und Welt=Calender, Format 4°.
Druck und Verlag:
1700–1705: Thomas Fritsch, Leipzig, 1706–1707: Jacob Fritsch, Leipzig, 1708–1726: keine Angaben auf den Titelblättern.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 112. Herbst, 2011a, S. 39–45, 75. CERL. VD18 (keine Kalender). SächsHSA Dresden, Geheimer Rat Loc. 7286/4, „Verbesserter Calender“ in 4° für 1719, 1722, 1723, 1725–1731, 1734–1741, 1743–1756, 1760, 1762–1802, 1804–1807 sowie 10006 Oberhofmarschallamt, O, IV, Nr. 76 ff., „Verbesserter SchreibCalender“ in 8° für 1700 ff.. Weitere Exemplare in SLUB Dresden, SUB Göttingen, BFS Halle, SUB Hamburg, ULB Münster, HAAB Weimar. Die Reihe des „Verbesserten Calenders“ befindet sich fast komplett von 1700 bis 1814 im StA Altenburg, dazu das Exemplar für 1845.
Online:
(1) 1700–1710, (2) 1701–1710 [11.07.2016], (11) 1710 [05.04.2019].
Andere Drucke:
(1) Mercurii In Sole Conspicui Calculus Anno M DC XCVII. D. XXIV. Octobr. Stil. Veter. Secundum Praecipuorum, maxime vero Recentiorum Autorum Tabulas Cui Accedit Calculus Instantis Eclipseos Lunae Partialis Die 19/29 Octobr. Anni hujus currentis Astronomis Rerum Coelestium Studiosis Geographis Aliisque Curiosis communicatus ab Ulrico Juni, Ulmens. Leipzig 1697. SUB Göttingen, 8 ASTR II, 3137. Online [12.07.2016]. Und in anderen Bibliotheken. Vergleiche eine zweite Ausgabe unter dem Titel: Mercurius In Sole Videndus Sive Calculus Rari hujus Phaenomeni […]. Leipzig 1697. ThULB Jena, 8 MS 11078 (5).
(2) Unpartheyisches Bedencken Uber die von Tit. Herrn Prof. Weigelio Dem höchst=ansehnlichsten Reichs=Collegio zu Regenspurg proponirte Calender=Vereinigung/ gestellet an einen Astronomum durch U. J. U. Leipzig [1699]. ThULB Jena, 4 Bud. Hist. un. 120, 68a(1).
(3) Eines unbenandten Authoris Anmerckungen über das unpartheyische Bedencken von Tit. Herrn Prof. Weigelii proponirter Calender=Conciliation nebst einer Beantwortung derselben ausgefertiget von Ulrico Juni, Ulmesi. Leipzig [1699]. ThULB Jena, 4 Bud. Hist. un. 120, 68a(2). Und in anderen Bibliotheken.
(4) Epistola Ulrici Junii Ulmensis, de Dispositione Ephemeridum ad Seculum XVIII conficiendarum Benevolae Celebrium Mathematicorum Censurae ac Correctioni submissa. Leipzig [1699]. ThULB Jena, 4 Math. VII, 81 (1).
(5) Unpartheyisches Bedencken Uber die von Tit. Herrn Prof. Weigelio Dem höchst-ansehnlichsten Reichs-Collegio zu Regenspurg proponirte Calender-Vereinigung/ gestellet an einen Astronomum durch U. J. U. Leipzig [1699]. HAB Wolfenbüttel, Xb 7777. Und in anderer Bibliothek.
(6) Novae Motuum Coelestium Ephemerides Ad annum aerae Christianae 1701. 1702. 1703. Pro diversis diversarum Tabularum Celebriumque Observatoriorum Meridianis Juxta recentissimas Illustrium nostri aevi Astronomorum supputatae A M. Ulrico Junio Ulmensi. Leipzig 1701. ThULB Jena, 4 Math. VII, 81 (2). Und in anderen Bibliotheken.
(7) (Dissertation) Ulrich Junius (Praeses), Justinus Wachtel (Respondent) : Inclytae Facultatis Philosophicae benigno indultu Errores Astrologorum Circa Thema Genethliacum H. L. Q. C. Ad diem 9. Aprilis M DCC I. Leipzig 1701. HAB Wolfenbüttel, M : Fd 64. Online [12.07.2016]. Und in anderer Bibliothek.
(8) Divino Favente Numine Ad Orationem Inauguralem Professioni Ordinariae Mathematum D. I. Julii MDCCXI. […] Academiae Cives Qua Decet Observatia Ac Humanitate Invitat Ulricus Junius […]. Leipzig 1711. FB Gotha, Math 4° 00215/01 (H,13). Und in anderer Bibliothek.
(9) (Dissertation) Principem Mathematicorum Joannem Kepplerum In Scriptis Editis Atque Ineditis Dissertatione Publica Pro Loco In Amplissimo Philosophorum Ordine Placido Eruditorum Examini D. XXVI. Septemb. Anni MDCCXI. Sistit M. Ulricus Junius, Ulmens. Mathem. Prof. Publ. Ord. Leipzig [1711]. FB Gotha, P 8° 12600 (34).
(10) Ad Solennem Promotionis Magisterialis Actum, Die XIV. Februarii Anno Salutis MDCCXV. H. L. Q. C. Celebrandum, Facultatis Philosophicae Lipsiensis Decanus Ulricus Junius, P. P. Officiose Decenterque Invitat. Leipzig 1715. ULB Halle, Pon IIp 451, QK (1). Online [12.07.2016].
(11) (Gelegenheitsschrift, Einladung) Rector academiae Lipsiensis ad panegyrin solennem […] invitat […]. Leipzig [1716]. SBPK Berlin, 2”@Rz 1877.
(12) De mercurio sub sole conspicius […]. Leipzig 1719. SUB Hamburg, Mf 31, Hamburger Sternwarte.
(13) (Gelegenheitsschrift, Tod) Thränen Getreuer Liebe, bey dem Grabe Seiner Geliebtesten Ehegattin, Frauen Annen Elisabeth, Juniußin, gebohrner Olearien, Schmertzlich vergossen von Dero hinterlassenem betrübtesten Wittwer. [Leipzig 1720]. FB Gotha, LP Q 4° I, 00036 (13). Online [12.07.2016].
(14) (Gelegenheitsschrift, Einladung) De Calculo paschali […]. Leipzig 1723. HAB Wolfenbüttel, M: Li 2827.
(15) De paschate protestantium Anno 1724 celebrando […]. Leipzig [1723]. ULB Halle, Pon IIi 2628, QK.
(16) (Gelegenheitsschrift, Einladung) Ad Solennem Magistrorum Promotionem Die XI. Februarii Anno salutis MDCCXXIII. […] Invitatio Ulrici Junii, P. P. Ordinis Philosophici h. t. Decani […]. Leipzig 1723. SBPK Berlin, 32a in:@Bibl. Diez qu. 2423.
(17) (Universitätsprogramm, Anzeige des Todes von Ulrich Junius) Rector academiae Lipsiensis exequias […]. Leipzig 1726. ULB Halle, Pon Zc 595, FK.
Weitere Universitätsprogramme, Reden und Dissertationen von 1718 („de congressu solis cum Mercurio et Venere“), 1719 („De Tychonis sententia, non solem sed terram moveri, contrariis Copernici et aliorum optionibus omnino praeferenda“ und „Continuatio Dissertationis de Mercurio sub sole viso“), 1722 („de incrementis scientiarum Astronomicarum ex Societate Acad. Reg. Parisiens.“) und 1725 („De Deo tanquam Geometra, et optimo machinarum opifice“) werden in Sicul, 1723, Bd. 4, S. 167 aufgelistet.
Literatur:
Nachruf auf Ulrich Junius. In: Christoph Ernst Siculs Annalivm Lipsiensivm Maxime Academicorvm Continuatio […] Oder Des Leipziger Leipziger Jahr=Buchs […] Fortsetzung. Bände 3 und 4. Leipzig 1723–1731. SLUB Dresden, Hist. Sax. H. 1389-3 bzw. -4. Hier Bd. 4, S. 161–168. Online [12.07.2016].
Detlef Döring: Michael Gottlieb Hansch (1683–1749), Ulrich Junius (1670–1726) und der Versuch einer Edition der Werke und Briefe Johannes Keplers. In: Beiträge zur Astronomiegeschichte Bd. 2. Herausgegeben von Wolfgang R. Dick und Jürgen Hamel. Thun und Frankfurt am Main 1999 (= Acta Historica Astronomiae Vol. 5), S. 80–121, bes. S. 85–89.
(Auktionskatalog Junius, 1727) Bibliotheca Juniana Selecta Librorum, In Primis Mathematicorum Et Disciplinarum Omnium Cum Instrumento Vario Mathematicorum Et Physicorum Quorum Auctio Fiet A Die III. Aug. M DCC XXVII. In Vaporario Collegii Rubri. Leipzig 1727. ULB Halle, Pon Zc 596 (1). Online [12.07.2016].
Quellenzitate:
(1) „Weil ich nun von Jugend auf grossen Lust zu dem Studio Mathematico hatte, begabe ich mich ao. 93. [sic] nach Jena, in Hoffnung allda etwas rechtschaffenes zuerlernen, allein ist mir niemahlen so gut worden, daß ich H. Prof. Weigel wegen der so viel von ihm fürgenohmenen reisen einmahl hätte hören lesen können; ertheilte mir aber den rath, daß ich mich mit gelegenheit den Calculum zuerlernen zu meinem Hochgeehrten Hn. verfügen solte. Hiermit acquiescirte ich, schaffte mir gute bücher zur Hand, und habe die Sach Selbst nach mögligkeit unternohmen, da ich es dann mit Gottes hülff noch zimlich weit gebracht, zudem daß ich niemahlns von einem menschen eine manuduction hatte, ob ich es schon hertzlich gerne bezahlen wolte.“ (Ulrich Junius an Gottfried Kirch, Leipzig 14./24. August 1697, zitiert nach Herbst, 2006, Bd. 2, S. 233; vgl. Herbst, 2013c, S. 161).
(2) „EIn accurater Astronomischer/ und von allem Aberglauben und Wahrsagereyn gereinigter Calender wird von verständigen Leuten mehr gewünschet/ als daß man dessen heut zu tag habhafft werden kan. Nun fehlet es zwar nicht allemahl an einem Autore, der eine richtige und wohl fundirte Arbeit außfertigen könte/ sondern der Haupt=Mangel liegt an dem Käuffer/ welcher gar selten einen andern Calender sich zuleget/ als der mit Astrologischen Vanitäten und Prognosticis angefüllet ist. In Ermangelung nun eines solchen fast ungereumten Zeitbuchs geräth bey ietzigen Zeiten der Verleger in Schaden/ er mag gleich noch so viel Unkosten auf einen netten Druck/ Papier und Arbeit verwendet haben. Jedoch wäre denen Liebhabern dieser curieusen Unwahrheiten mit der Witterung noch zu gratificiren/ wenn man nur nicht auch die Prognostica von Krieg und Frieden/ von Staats= und Bürgerlichen Begebenheiten/ von Glück und Unglück/ von Gesund= und Kranckheiten etc. in einem Calender praetendirte/ welche Weissagungen doch alle ein pur=lauterer Betrug sind.“ (Verbesserter Calender für 1706, Kalendarium, S. A3b).
(3) „Es ist nicht der mühe werth/ daß wir uns in recensione und examinatione vieler arten und gattungen von Calendern lange auffhalten/ dann wir sonsten nur damit zu einer besorgenden verdrießlichen Weitläufftigkeit/ die sich aber um einer solchen geringen Ursache willen der Mühe nicht verlohnet/ Anlaß geben würden: genug ists/ daß diese titulirte v. gr. Butterfladens/ alt und jung Eulenspiegels/ hinckenden Bothens/ Kilian Brustflecks und Hallorum etc. Calender alsobald im ersten Anblick wenig hievon haben promittiren können/ wessen man sich sonsten in einem rechten Calender gewöhnlicher massen zu versehen hat. Ja es seynd in unterschiedlichen Calendern zum öfftern solche leichtfertige und nichtswürdige discurse geführet worden/ darinnen die Erbarkeit gantz beyseit gesetzet/ und ein rechtschaffenes Gemüthe einen Abscheu hieran getragen. Ein anderer hat einen grossen und weitläufftigen Bericht thun wollen/ daß (s. v.) der Floh der König unter den unvernunfftigen Thieren seye; und was des Dings mehr ist. Mit dem ungegründeten und abergläubischen prognosticiren ist es darinnen so weit gekommen/ daß man es in der Meteorologia, (die doch so wenig certò kan vorher gesagt werden/ als ex themate natalitio hominis, ob der Natus 3 oder 4 Frauen bekomme/ etc.) nicht einmahl bewenden lassen/ sondern es haben gar die Fragen/ wann es gut Lerchen streichen/ Gänse mästen/ Zucht=Kälber schneiden/ Federn schliessen/ neue Kleider anlegen/ in die Häuser ziehen/ dreschen/ und was des albern Zeugs mehr ist/ aus dem Gestirne am Himmel sollen dediciret werden. Ja dieses alles wäre endlich zu vergessen/ wann nur die Thorheit nicht noch höher gestiegen/ und sich gar auff die Nativitäten der Menschen/ in diesem oder jenem Monat gebohren/ extendirt hätte: alß zum Exempel; ein Knabe im Februario gebohren/ bekomme einen dünnen/ ein Mädglein aber einen dicken Bart. […] Damit ich mich aber mit diesem unnützen Gewäsche nicht länger auffhalte/ so will hiermit nur obiter anmelden/ daß hinkünfftig successive in denen Calendern ex professo hiervon handeln wolle/ ob das bißhero gewöhnliche prognosticiren einen Grund habe/ und was von diesem oder jenem zu halten seyn möchte? welches sich am besten fragweise wird erörtern lassen/ womit im nechstkünfftigen Jahr/ geliebts GOtt/ der Anfang solle gemacht werden/ biß dahin dann auch mit dem gewöhnlichen/ doch behutsamen/ prognosticiren, weil ie der gemeine Mann sich nicht auff einmahl davon abwenden lässet/ wird müssen fortgefahren werden/ sonsten es hier/ wie dem Sel. Hn. Petro Crügero, Professori Mathematum Dantiscano anno 1609. begegnet/ als Er in Seinem Calender die gantz ungegründete Prognostica aussen liesse/ geschehen dürffte. Dann (schreibet Er in Seinem Prognostico ad annum 1619.) „da wolts dem gemeinen Mann nicht behagen/ und blieben dem Verleger die Exemplaria liegen/ habe also nachmahls müssen/ wieder meinen Willen/ die prognostica in die Calender hinein fügen/ und das Gewitter/ und Aderlassen/ damit sie es nicht anderweit suchen dörfften/ für die Nasen setzen.“ Das heist wohl recht: Mundus vult decipi. Das Capitel aber vom Krieg und Frieden in diesen neu verbesserten Calender mit hinein zu flicken/ wäre gewiß ein unverantwortlich Ding/ dieweilen ja genugsam bekant/ in welcher Macht und Gewalt/ nächst GOtt/ dieses zu bewerckstelligen steh/ und die von denen Astrologastria falsch vorgegebene/ und wieder alle raison denen Planeten angedichtete Qualitäten und Eigenschafften/ wie solches künfftig hin solle demonstrirt werden/ nicht das wenigste hierzu contribuiren können.“ (Verbesserter Calender für 1700, Kalendarium, S. A3b–4a).
(4) „Damit nun mit dem Calender so wohl dem gemeinen Mann/ als verständigern Leuten möchte gedienet/ und gefälliger massen willfahret werden/ so hat der Verleger aus dieser Absicht zu einer gedoppelten/ und von einander unterschiedenen Calender=Arbeit sich resolvirt/ womit Er aller und ieder Verlangen zu willfahren gedencket. Die eine Gattung ist unter dem Titul: Land= und Hauß=Calender/ in öffentlichen Druck kommen/ und hält nebst der richtigen Zeit= und Jahr=Rechnung fürnehmlich allerhand Anmerckungen und Reguln in sich/ die dem gemeinen= und mittel=Mann/ so wohl in Bestellung des Haußwesens/ als Anschickung der Felder/ zu wissen und zu beobachten sehr nützlich und fürträglich seyn werden. Was man sonsten noch weiter in selbigem Calender abgehandelt hat/ davon wird ein Liebhaber in der Vorrede daselbsten gnugsame Nachricht finden. Was aber die Einrichtung dieses Calenders anbetrifft/ so hat man wohl vermeynet/ damit für ietzo zu einem richtigen Schluß zu kommen/ und ein Muster einer rechten Astronomischen Arbeit für Augen zu legen/ allein es haben einige/ und zum Theil gar wichtige Umstände die gäntzliche elimination der astrologischen Ungründen/ und die selbst=gefällige disposition und Ausarbeitung des Calenders dieses mahl noch nicht verstattet/ verhoffen aber auf das künfftige Jahr mit GOttes Hülffe solches gewiß zu praestiren/ und denen Liebhabern der Astronomischen Wissenschafften/ auch andern courieusen und verständigen Leuten/ ein rechtes Calender=Muster zu zeigen/ biß dahin wir dann die noch im Wege stehende obstacula gäntzlich wegzuräumen beflissen seyn werden.“ (Verbesserter Calender für 1701, Kalendarium, S. A3a).
(5) „Kurtzer Vorbericht/ Warumb diese Sorte Calender anitzo der Verbesserte Staats=Calender heisse? […] ES zeiget die hierunten folgende Eintheilung dieses Calenders zur genüge/ daß fast alles/ was darinnen enthalten/ Astronomica seyen/ welche auf einen guten Grund gebauet/ und eigentlich alleine in ein Calender=Buch gehören; da hingegen die nichtswürdige Astrologica billich darauß wegzulassen seynd: Und solchem nach solte diese Art Calender den titul eines Astronomischen Calenders verdienen. Alleine weil diese Benennung bey den meisten nicht allzuwohl klinget/ so hat man dafür den Nahmen Staats=Calender erwehlet/ und solle auch in Zukunfft/ diesem Titul zu folge/ die materie darnach eingerichtet werden.“ (Verbesserter Calender für 1710, zweiter Teil, S. F1a).

Erstellt: 12.07.2016
Letzte Aktualisierung vor 20.01.2020: 14.10.2019
Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 15.03.2023

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