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Richter, Georg Friedrich

keine Selbstbezeichnung auf einem Titelblatt
* 26.10.1691 Schneeberg/Erzgeb., † 23.6.1742 Leipzig
Kalender seit 1727, verfaßt bis 1742
Übernommene Reihe: → Junius, Ulrich

Georg Friedrich Richter wurde am 26. Oktober 1691 in Schneeberg im Erzgebirge geboren (Götten, 1735, Bd. 2, S. 275). Sein Vater war der in Stollberg/Erzgeb. geborene Georg Richter d. J. (1658–1737), seit 1690 Oberpfarrer in Schneeberg, später Superintendent in Reichenbach (1703) und Oschatz (1720) im Vogtland. Die Mutter war Johanna Marie, eine Tochter des Zeug-Leutnants Gregor Pinckert in Dresden; sie starb bei der Geburt des zehnten Kindes und wurde am 26. Dezember 1706 begraben (Ranft, 1742, Teil 2, S. 1029). Georg Friedrich war das zweitgeborene Kind. Der Großvater väterlicherseits war Georg Richter d. Ä., der 86jährig als Rektor des Gymnasiums in Stollberg verstarb (ebd., S. 1025).
Richter besuchte die Schulen in Schneeberg und Plauen. Im Wintersemester 1708 begann er ein Studium an der Universität in Leipzig (Erler, 1909, Bd. 2, S. 358 „Richter, Geo. Frdr. Schneberg. dp. et prom. 18 gr. i W 1708 M 19, b. a. 23. XI. 1709, m. 6. XII. 1709“). Nachdem er am 23. November 1709 zum Baccalaureus Artium und am 6. Dezember 1709 zum Magister promoviert worden war, stand er mehreren Disputationen als Praeses vor. Am 15. September 1710 wurde Richter an der Universität in Altdorf immatrikuliert (Steinmeyer, 1912, Bd. 1, S. 492 „[1710] IX. 15. M. Georg. Fridericus Richterus, Schneeberg-Misnic“). Im Jahre 1712 kehrte Richter nach Leipzig zurück und wurde dort 1714 als Beisitzer in die Philosophische Fakultät aufgenommen. Er publizierte vor allem mathematische und naturwissenschaftliche Schriften, trat 1722 in das Collegium Anthologicum ein, wurde 1726 außerordentlicher Professor der Mathematik und 1730 Mitglied der Academia Naturae Curiosorum Leopoldina. Schließlich erhielt er 1735 den Lehrstuhl für Moral und Politik (Götten, 1735, Bd. 2, S. 277f.; vgl. Jöcher, 1750/51, Bd. 3, Sp. 2086f.).
Richter heiratete am 30. September 1737 Johanna Sophie Börner, Tochter des Theologen Christian Friedrich Börner (1683–1753). Sie starb bereits am 5. Februar 1739 unter Hinterlassung einer Tochter namens Friederike Sophie. Danach heiratete Richter am 2. Februar 1740 Auguste Gertrud Leidenfrost, Tochter des Hofrats August Leidenfrost in Merseburg. Aus dieser Ehe ging der Sohn Georg August hervor (Meißner, 1740; Ranft, 1742, Teil 2, S. 1030; Zedler, 1732, Bd. 31 (1742), Sp. 1336).
1739 übernahm Richter das Rektorat der Leipziger Universität. Er war ein aufgeklärter Zeitgenosse und Anhänger des Mathematikers, Juristen und Philosophen Christian Wolff (1679–1754) (Mühlpfordt, 2004, S. 165). Er gilt als Vertrauter von Ernst Christoph von Manteuffel (1676–1749) (ebd., S. 169f.). Manteuffel, bis 1730 in kursächsischen Diensten am Berliner Hof, hatte 1736 die Societas Alethophilorum (Gesellschaft der Wahrheitsliebenden) in Berlin mitgegründet und 1740 nach Leipzig verlegt (Döring, 2000, S. 99–101, 105). Richter war Mitglied dieser Gesellschaft (Mühlpfordt, 2004, S. 174). Für die Leipziger Gelehrtenzeitschrift „Acta Eruditorum“ schrieb er 51 Beiträge (ebd., S. 150). Nach einer Krankheit starb er am 23. Juni 1742 (Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Nr. LII, Leipzig, 28. Juni 1742, S. 464; Richter/Richter, 1742).
In der bisherigen Literatur über Georg Friedrich Richter wird der Umstand, daß Richter auch Schreibkalender verfaßte, nicht erwähnt. Das ist nicht verwunderlich, denn bei keinem Kalender erscheint Richters Name auf dem Titelblatt. Nachdem aber Ulrich Junius im Frühjahr 1726 gestorben war, wurde Richter nicht nur dessen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Mathematik, sondern ihm wurde auch die Ausarbeitung des „Verbesserte[n] Calender[s]“ für das Kurfürstentum Sachsen übertragen. Darüber wurden Privilegien vom Kurfürsten vergeben, die anfangs (1700) auf den „Buchhändler Fritsche“ und dann auf die Professoren „Ulrich Junius, und, nach dessen Tode, Geo. Fried. Richter, zuletzt Joh. Gli. Waltz“ ausgestellt wurden (Schulze, 1802, S. 90). Das ist in der Literatur der bisher einzige Hinweis auf Richters Tätigkeit als Kalendermacher, der jetzt um eine Zeitungsmeldung vom 11. Oktober 1742 ergänzt werden kann. Darin heißt es, „daß nach Absterben des bisherigen Professoris Moralium, Herrn Georg Friedrich Richters, die Verfertigung des verbesserten Leipziger=Calenders von Herrn M. Johann Theophilus Walzen […] übernommen worden“ (Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Nr. LXXXII, Leipzig, 11. Oktober 1742, S. 736; vgl. bei → Walz, Johann Theophil). Die Zeitungsmeldung endet mit dem Hinweis: „Uebrigens wird dieser Calender auch in Zukunft, wie bisher, im Juniußischen Verlage verkaufet werden.“ Als Unternehmen ist ein Juniusscher Verlag nicht in Erscheinung getreten. Aber 1763 gründete Johann Friedrich Junius (1725–1794), ein Sohn von Ulrich Junius, die „Juniussche Verlagsbuchhandlung“ in Leipzig (DBE, 2001, Bd. 5, S. 384; für den am 1. April 2019 gegebenen Hinweis auf J. F. Junius danke ich Dr. Mark Lehmstedt, Leipzig).
Über eine Streitigkeit zwischen Richter und den Erben von Junius bezüglich eines Kalenderprivilegs vom Jahr 1739 geben zwei Akten Auskunft (SächsHSA Dresden, Oberkonsistorium Loc. 10750, C, Nr. 5; StA Leipzig, XLVI (F) 444). Das Privilegium wurde den Juniusschen Erben bis 1747 zugesprochen. Die Kalenderarbeit sollte weiterhin Richter besorgen, wofür er jährlich 200 Taler erhalten würde.
Die von Richter jährlich verfaßten Kalender gehören bereits zu den „aufgeklärten“ Kalendern, denn in ihnen sind fast keine astrologischen und abergläubischen Elemente mehr enthalten. So fehlen die Kapitel über die Witterung in den Jahreszeiten bzw. Monaten, über die Krankheiten, über die Fruchtbarkeit und über das Kriegswesen. Auch die sonst im Kalendarium üblichen Zeichen für auserwählte Tage fehlen. Einziges astrologisches Relikt sind die Mutmaßungen zum Wetter, die zusammen mit den astronomischen Angaben in eine Spalte des Kalendariums gesetzt wurden. Daß diese Mutmaßungen von den Leipziger Kalenderautoren nicht ernst genommen wurden, aber aus verlags-kaufmännischer Sicht gebracht werden mußten, wurde bereits in den Kalendertexten von Ulrich Junius thematisiert (vgl. Herbst, 2011a, S. 39–44). In diesem Zusammenhang sind die Beiträge über die „Observationes Meteorologicae“ der Jahre 1728 bis 1731 in der Zeitschrift „Acta Eruditorum“ von besonderem Interesse (andere Drucke), zeigt sich doch der Kalendermacher darin als aufgeklärter Naturwissenschaftler. Die astronomischen Angaben im zweiten Teil des Kalenders sind im Sinne eines astronomischen Jahrbuches zu würdigen (vgl. Herbst, 2013b).

Titel:
1727–1742: Verbesserter Calender [in Nachfolge von Ulrich Junius].
Druck und Verlag:
Druck ?, Verlag Junius, Leipzig.
Nachweis:
Herbst, 2011a, S. 39. CERL (ohne Kalender). VD18 (ohne Kalender).
Online:
1711–1795 mit Lücken [28.03.2019].
Andere Drucke:
Georg Friedrich Richter verfaßte über vierzig Disputationen, Aufsätze und Bücher. Sie sind verzeichnet in HLH, 1794, Bd. 9.2 (1807), S. 252f. (vgl. Götten, 1735, Bd. 2, S. 278–281; Zedler, 1732, Bd. 31 (1742), Sp. 1336–1338; Jöcher, 1750/51, Bd. 3, Sp. 2087f.). Als Kalendermacher sind die Beiträge über die „Observationes Meteorologicae“ der Jahre 1728 bis 1731 in der Zeitschrift „Acta Eruditorum“ von Interesse:
(1) Observationes Meteorologicae, habitae Lipsiae, A. 1728, a G. F. R.. In: Acta Eruditorum Anno MDCXXIX publicata. Leipzig 1729, S. 40–46.
(2) Observationes Meteorologicae, factae Lipsiae, 1729, a G. F. R. In: Acta Eruditorum Anno MDCXXX publicata. Leipzig 1730, S. 32–45.
(3) Observationum Meteorologicarum Lipsiensium Continuatio, ad A. 1730; Autore G. F. R. In: Acta Eruditorum Anno MDCXXXI publicata. Leipzig 1731, S. 76–85.
(4) Diarium Meteorologicarum Lipsiense ad A. 1731, Observatore G. F. R. In: Actorum Eruditorum, Quae Lipsiae publicantur, Supplementa. Tomus X. Leipzig 1734, S. 61–70.
Literatur (Auswahl):
(Gelegenheitsschrift: Hochzeit) Christian Gottfried Meißner: Bey der Richter= und Leidenfrostischen Eheverbindung, Welche den 2 Febr. 1740 in Merseburg höchstglücklich vollzogen wurde, Wollte seine Ergebenheit beobachten, Deroselben gehorsamster Diener […]. Leipzig 1740. ULB Halle, 78 N 13, Kapsel (79). Online [28.03.2019].
(Gelegenheitsschrift: Tod) Georg Gottlob Richter, Georg Gottfried Richter: Svper Obitv Viri De Re Litteraria Meritissimi Georgii Friedrici Richteri Professoris Moralivm Et Politices Apvd Lipsienses Ordinarii Mathematvm Extraordinarii Academiae Bibliothecarii Vt Et Societatis Caesareae Natvrae Cvriosorvm Collegae Die XXIII. Ivn. A. R. S. MDCCXLII. Anno Aetatis LI. Difficili Ac Divtvrno Morbo Exstincti. Göttingen 1742. SUB Göttingen, 4 P LAT REC II, 4372 (7). Online [28.02.2019].

Erstellt: 01.04.2019
Letzte Aktualisierung: 23.12.2019

richter_georg_friedrich.txt · Zuletzt geändert: 2019/12/23 07:57 von klaus-dieter herbst