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Ursinus, Adam

„Adamus Vrsinus/ Molybergensis“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1571)
*1.1.1524 Mühlberg bei Gotha, † 27.7.1590 Tonndorf bei Weimar
Kalender seit vermutlich 1556, verfaßt bis 1583

Adam Ursinus wurde am 1. Januar 1524 im thüringischen Mühlberg (ca. 25 km südwestlich von Erfurt) geboren (Bauer, 1992, S. 318). Sein Vater war der dort tätige Pfarrer Ulrich Baehr (1493–1565), der zunächst Benediktinermönch im Kloster zu Fulda war, 1521 aus dem Orden austrat, sich als Schuhmacher in Mühlberg niederließ und dort 1536 zum Pfarrer gewählt wurde, nachdem der bisherige Pfarrer Johann Bock (1466–1536) gestorben war (Meinhof, 2014, S. 1102). Der Sohn Adam Ursinus studierte seit dem Wintersemester 1543 an der Universität in Leipzig (ebd., S. 1102), seit dem 10. Oktober 1545 in Wittenberg (Förstemann, 1841, Bd. 1, S. 227 „[1545] Mense Octobri. 10. Adamus Vrsinus Molibergensis Thuringus“) und seit dem Sommersemester 1547 in Erfurt (Weissenborn, 1884, S. 367 „Adamus Ursinus Molbergk“). An der Erfurter Universität wurde er 1550 Lektor und an der Wittenberger Universität wurde er 1551 ordiniert (Bauer, 1992, S. 318). Danach ging er als Kaplan seines Vaters zurück nach Mühlberg. Seit 1553 versah er das Pfarramt in Tonndorf, einem etwa 20 km südöstlich von Erfurt gelegenen Ort (Bauer, 1992, S. 318; Meinhof, 2014, S. 1102). Er war zweimal verheiratet, zuerst mit Catharina (ihr Geburtsname ist nicht bekannt); der Name der zweiten Frau ist nicht bekannt. Die Tochter Maria heiratete am 21. November 1609 Vitus Rost in Troistedt. Elias Ursinus ist ein Bruder von Adam Ursinus (Meinhof, 2014, S. 1102; vgl. Bauer, 1992, S. 318 und Bauer, 1998, S. 538). Adam Ursinus verfaßte 1553 ein Erbbuch für Tonndorf, das er 1587 seinem Nachfolger im Pfarramt übergab (Meinhof, 2014, S. 1102). Er starb am 27. Juli 1590. Der Grabstein befindet sich in der Kirche von Tonndorf.
In dem Prognostikum für 1576 beschrieb Ursinus eine Begebenheit aus seiner Kindheit. Im Widmungsschreiben an Matthias von Hönningen, dem „Hennebergischen Landthofemeister/ vnd Marschalck/ Amptmann zu Meinungen/ vnd Maßfeldt“, erinnerte er: „Wie ich denn in meiner Kindheit/ E. G. zu etlichen malen/ bey meinem Herrn Vater/ Er Vlrich Behrn Gottseeligen/ so in die 30. Jhar zu Mölberg Pfarherr gewesen/ daselbst gesehen/ vnd erkand habe/ Do mich denn E. G. zu etlich malen fleissig zu studieren vermanet“ (Prognostikum für 1576, S. A2a und A4b). Zur Erinnerung daran widmete er dem Herrn „den Calender vnd Almanach des 76. Jhares“. Schon im Widmungsschreiben des Prognostikums für 1571 ging Ursinus erst ausführlich auf das Studium der Astronomie ein, durch das die Menschen „die fußstapffen [Gottes]/ seiner Göttlichen Weisheit/ Güte vnd Allmechtigkeit/ im gewissen Laufft/ vnd bewegung des Gestirns/ hetten warzunemen/ vnd dieselbigen hieraus zu loben vnd zu preisen“ (Prognostikum für 1570, S. A2b), um dann darauf zu verweisen, daß er „bißher/ vor meine Person/ etliche Jar anher/ dieser meinunge etliche Calender vnd Prognostica/ nach meinem geringen verstande/ gestellet/ vnd in offentlichem druck habe lassen ausgehen“ (Prognostikum für 1571, S. A3a; ähnlich in den anderen Prognostiken, z. B. für 1572, S. A4a, für 1573, S. A4a, für 1574, S. A2b usw.). Auch in dem Prognostikum für 1582 meinte Ursinus: „Habe ich derhalben/ wie bisher in etlichen vergangenen jharen/ also auch auff dieses schrifftkünfftige 82. Jhar/ Kalender vnd Almanach verfertiget/ zu befürderung des gemeinen nutzes […] dieweil ich im Herbst des vergangenen Jhares/ auff dem Schlosse zu Tundtorff/ in gegenwart vieler Ehrliebender/ Gelerter vnd hohes standes redlicher Leute/ […] mit E. A. G. vnd H. von den studijs Astronomicis/ vnd derselbigen rechtem/ Christlichem/ vnd Gottseligem gebrauch conferiret“ (Prognostikum für 1582, S. B2a–b).
Daß Ursinus tatsächlich auch Schreibkalender in Quart verfaßte, folgt aus dem bisher einzigen bekannten überlieferten Exemplar, dem „Schreibkalender“ für 1574 (StA Wertheim, G-Rep. 107, Nr. 5). Wann genau Ursinus mit dem Verfassen von Kalendern und Prognostiken begonnen hat, konnte nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich verfaßte er bereits für 1556 diese Jahreshefte, denn es ist aus jenem Jahr eine „Prognosticatio von dem Cometen 1556“ bekannt (anderer Druck, Titel 1). Da er ausdrücklich einen Kalender von dem Almanach unterschied, könnte der Kalender ein Schreibkalender und der Almanach ein Wandkalender gewesen sein. Wenn das so war, dann wäre Ursinus nach → Johannes Berthold Seipel, → Valentin Engelhardt und → Johann Hebenstreit der vierte Kalendermacher, der in Erfurt einen Schreibkalender drucken ließ. Der älteste überlieferte Schreibkalender ist allerdings der für 1570 von → Erasmus Reinhold d. J. Darüber hinaus wäre Ursinus der erste nachweisbare Pfarrer, der Schreibkalender und Prognostiken verfaßte. Die nächsten Pfarrer waren → Johannes Paceus und → Georg Caesius mit ihren Kalendern ab 1561 bzw. 1566.
Ursinus nutzte die Prognostiken, um auch seine astronomischen Beobachtungen zu publizieren. So fügte er dem Jahrgang 1574 eine Beschreibung der Supernova in der Cassiopeia von 1572 an (anderer Druck, Titel 4), wobei er diese Erscheinung noch als Komet bezeichnete. Ihm fiel die Erscheinung erstmals am 22. November 1572 um 7 Uhr abends auf. Da ihm die völlige Andersartigkeit gegenüber den herkömmlichen Kometen bewußt wurde, fügte er eine Klassifikation der Kometenerscheinungen in 12 Arten nach Plinius Secundus hinzu. Auch Ursinus deutete den neuen Stern als Zeichen, daß der Jüngste Tag bevorstehe. In diesem Zusammenhang verwies er auf eine andere Erscheinung, über die er in einem „sonderlichen Büchlein“ (vgl. anderer Druck, Titel 3) berichtet hatte: „Das auch solcher Jüngste Tag nicht gar ferne sey/ sollen vns erinnern die Mitternechtige Plaulinische gesichte/ so diese Jhar her so offt/ vnd viel am Himmel sind erschienen/ vnd gesehen worden/ mit einer solchen klarheit des Himmels/ vor vnd nach Mitternacht/ das man nicht anderst gemeinet/ oder gedacht/ als würde eine Newe Mitternechtige Sonne daselbst herfür gehen/ die solche klarheit regieret/ Wie ich daruon weiter in einem sonderlichen Büchlein/ im druck ausgangen weiter geschrieben habe“ (Ursinus, 1574 (anderer Druck, Titel 4), S. D1a).
In dem Prognostikum für 1574 brachte Ursinus eine bemerkenswerte Notiz über die Sterblichkeit der Menschen. Die Maßlosigkeit der Menschen in ihrer Lebensweise führe dazu, daß die Menschen schon in jungen Jahren „mit fehrlichen vnd tödlichen Kranckheiten beladen“ werden, welche auch die besten Ärzte nicht heilen können. „Daher kömmets/ das so wenig Leuthe jhr gebürlich alter erreichen/ sterben jung vor der zeit hinweg. Wenn jetziger zeit ein 60. jeriger stirbet/ So sterben darneben etliche 100. die solches ziel oder termin des alters gar nicht erreichen/ Vnd solches geschicht durch das gerechte vrtheil vnd straffung Gottes […]“ (Prognostikum für 1574, S. B3b).
Bei Ursinus fällt auf, daß er alle Widmungsschreiben in den Prognostiken nicht nur mit der Datumsangabe beschloß, sondern im Sinne von Paul Eber (vgl. das „Calendarium historicum“ von 1550) mit einer Historie, die auf den jeweiligen Tag fällt. Als Beispiel sei aus dem Prognostikum für 1575, das er dem Grafen Wilhelm zu Schwarzburg widmete, zitiert: „Datum Tundtorff/ Anno Christi, 1574. auff Sanct Veits Tag/ Vmb welchen vor 224. Jharen/ E. G. Vorfahr/ seliger/ Graff Günther von Schwartzenburg/ Erwelter Römischer Keyser/ zu Franckfurt am Mayn gestorben/ Vnd daselbst mit Keyserlichem Pracht ist begraben worden/ im 45. Jhar seines alters“ (Prognostikum für 1575, S. A4b).
Adam Ursinus ist der Verfasser einer Chronik von Thüringen bis 1500 mit einem Zusatz zu Erfurt und Nordhausen bis 1547, die 1730 gedruckt wurde (Ursinus, 1730 (anderer Druck, Titel 6)).
Die bekannten Publikationen von Adam Ursinus wurden in der Regel von Georg Baumann d. Ä. in Erfurt gedruckt, auch die Kometenschrift von 1556 (anderer Druck, Titel 1; vgl. Scheibel, 1804), auf deren früherer Existenz die Vermutung von den ersten Kalendern ab 1556 gründet (zu Baumann vgl. Reske, 2007, S. 207, der aber Scheibel, 1804 nicht kennt).

Titel:
(1) [1556?]–1571–1583: Schreibkalender, Format 4°.
(1a) [1556?]–1571–1583: Prognosticon.
(2) [1556?]–1571–1583: Almanach, Format 2°.
Druck und Verlag:
Georg Baumann d. Ä., Erfurt.
Nachweis:
Zinner, 1941/64, S. 250, Nr. 2559 („Vorhersage für 1571“) und passim. ZKAAD, 1987–1993, S. 315, Nr. 3878 (Prognostikum für 1572), Nr. 3883 (Prognostikum für 1574). VD16. CERL. StA Wertheim (Schreibkalender für 1574).
Online:
(1a) 1571 Prognostikum, 1572 Prognostikum, 1573 Prognostikum, 1574 Prognostikum, 1576 Prognostikum, 1578 Prognostikum, 1579 Prognostikum, 1580 Prognostikum, 1581 Prognostikum, 1582 Prognostikum, 1583 Prognostikum [22.02.2016].
Andere Drucke:
(1) Prognosticatio von dem Cometen 1556. Erfurt [1556]. Zitiert nach Zinner, 1941/64, S. 226, Nr. 2167, vgl. Brüning, 2000, S. 39, Nr. 208.
(2) Warhafftige Beschreibung/ des grewlichen/ viel schedlichen Vngewitters/ so sich in diesem M. D. LXV. Jar/ den ersten Junij/ vber Tundtorff/ Newendorff/ Meckefeldt vnd Kletbich/ hat zugetragen. Wittenberg 1565. ThULB Jena, 4 Theol. XLVII, 13 (5). Andere Ausgabe: Nürnberg [1565]. HAB Wolfenbüttel, A: 218.11 Quod. (40). BSB München, Res/4 Phys. sp. 300,42, online [22.02.2016].
(3) Kurtze Beschreibunge der geschehenen vnd gesehenen vnnatürlichen Wunderzeichen am Himmel/ im 1568. 69. vnd 70. Jhare. Sampt einer kurtzen Erinnerung/ von derselbigen vrsachen vnd bedeutunge […]. Erfurt 1570. SB Regensburg, 999/Philos. 2361/2368. Online [22.02.2016].
(4) Kurtze beschreibunge/ des erschienenden Cometens/ des 1572. vnd 1573. Jhares. Erfurt 1574. ThULB Jena, 4 Theol. XLVII, 13 (23), angehängt an das Prognostikum für 1574 (Bogen C und D).
(5) Wunderzeichen der 4. Sonnen/ vnd 2. Regenbogen/ so den Dritten Maij/ dieses 1575. Jahrß/ frühe/ von 6. biß zu 8. vhren/ am Himmel erschienen sein. […]. Erfurt [1575]. StB Chemnitz. Andere Ausgabe: Köln 1575. ZB Zürich.
(6) Adami Vrsini, Molybergensis Chronicon Thvringiae Vernacvlvm Vsqve Ad Annvm M CCCCC. Cvm Appendicibvs De Erfvrto Et Nordhvsa Absolvtvm Anno M CCCCC XLVII. In: Johannis Burchardis Menckenii Scriptores Rervm Germanicarvm, Praecipve Saxonicarvm. Leipzig 1730. Bd. 3, Sp. 1239–1360. ThULB Jena, 2 Germ. III, 30c:3.

Erstellt: 23.02.2016
Letzte Aktualisierung: 09.12.2019

ursinus_adam.txt · Zuletzt geändert: 2019/12/09 08:33 von klaus-dieter herbst