„Mag. Joh. Gaupp. Astron. Cult.“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1716 von Reihe 3)
* 7.12.1667 Lindau, † 17.5.1738 Lindau
Kalender seit 1700, erschienen bis 1807
Johannes Gaupp wurde am 7. Dezember 1667 in Lindau am Bodensee als Sohn des aus Biberach stammenden Seilers und Ratsherrn Christian Gaupp (1615–1706) geboren (Gaupp, 1978, S. 40 mit Bezug auf die „Lindauische Schul- und Predigerhistorie“ von Bonaventura Riesch, Manuskript 1739, überliefert im StA Lindau, Sign. StaLi. Lit. 16; für den Hinweis auf diese Literatur und Quelle danke ich Prof. Dr. Reinhard Gaupp, Dornburg). Die Mutter war Barbara Bertsch, Tochter des Lindauer Bürgermeisters Andreas Bertsch. Nach dem Besuch der Lateinschule in Lindau ging Gaupp am Himmelfahrtstag 1682 nach Ulm, wo er in der obersten Klasse des Gymnasiums als „Primus Ordinis inferioris“ lernte. Nach eineinhalb Jahren wurde er dort „ad Lectionis publicas“ promoviert. An der Universität in Tübingen erfuhr er im Oktober 1684 den Ritus der Deposition (Bürk/Wille, 1953, Bd. 1, S. 398 „[1684. X.] 22. Joannes Gaupp Lindavia - Acronianus“) und anschließend gab er „Collegia publica und privata“ (Gaupp, 1978, S. 40). Im Sommer 1685 begann er mit dem Studium an einer Universität. Zuerst bezog er am 4. Juni 1685 die Universität in Jena (Jauernig/Steiger, 1977, S. 293 „Gauppius, Joh. Lindavia Acronianus, 4. Juni 1685“). Hier hielt er Kollegien in Hebräisch, Logik, Metaphysik, Physik und begann, Theologie zu studieren. Am 21. September 1686 wurde er an der philosophischen Fakultät zum Magister promoviert (Gaupp, 1978, S. 40). Anschließend legte er sein Interesse auch auf die Mathematik. 1689 verließ Gaupp die Universität und ging zurück nach Lindau, wo er einige Predigten hielt. Sein Vater entschloß sich, dem Sohn weitere Studien zu finanzieren und so ging Gaupp im Januar 1690 auf Reisen. Diese führten ihn zunächst nach Augsburg, Altdorf – dort schrieb er sich am 14. Januar 1690 in die Matrikel der Universität ein (Steinmeyer, 1912, Bd. 1, S. 433 „[1690.] I. 14. M. Johannes Gaupp, Lindaviensis“) und wohnte bei → Johann Christoph Sturm –, Nürnberg – hier begegnete er dem Jenaer Mathematikprofessor Erhard Weigel, der sich gerade in Nürnberg aufhielt und Gaupp mit nach Jena nahm. In Jena wohnte er bei Weigel, hielt Kollegien und blieb bis Anfang 1691. Anschließend reiste er weiter über Erfurt, Gotha, Eisenach, Fulda, Frankfurt am Main, Köln, Amsterdam, Leiden, Haag und kam am 7. Juni 1691 in London an (Gaupp, 1978, S. 41). In England erlernte er die englische Sprache, wurde gefördert durch den Engländer John Kidd und machte sich bekannt mit dem Deutschprediger der schwedischen Kirche, Edzard, einem Sohn des Theologen Esdras Edzard (1629–1708) in Hamburg. In London erfüllte er den Hauptzweck seiner Reise und übergab dem Sekretär der Royal Society, Thomas Gale, Briefe von Weigel. Zwischenzeitlich besuchte Gaupp auch Oxford. Im September 1692 trat er die Rückreise auf das europäische Festland an und kam über Haag, Amsterdam, Bremen nach Hamburg, wo er mit → Johann Jacob Zimmermann zusammentraf (Gaupp, 1978, S. 42). Sechs Wochen hielt sich Gaupp bei Zimmermann auf, der ihn mit dem „Calculo astronomico“ vertraut machte. Schließlich reiste Gaupp über Lüneburg, Magdeburg, Zerbst nach Leipzig auf die Neujahrsmesse 1693 und weiter nach Jena, wo er Weigel das Antwortschreiben der Royal Society überbrachte. Auf Weigel machte Gaupp einen solchen guten Eindruck, daß dieser ihn zu seinem Nachfolger auf dem Lehrstuhl der Mathematik haben wollte (Gaupp, 1978, S. 42), doch Gaupp hielt sein Versprechen und ging im Februar 1693 zurück nach Lindau zu seinem Vater (Weigels Nachfolger wurde dann → Georg Albrecht Hamberger). In seiner Geburtsstadt wurde er am 7. Juni 1694 zum Pfarrer ordiniert. Kurz darauf, am 30. Juli 1694, ging Gaupp mit Christiana Fussenegger, Tochter des Pfarrers Jocob Fussenegger, die Ehe ein (ebd., S. 44). Von den vier in dieser Ehe geborenen Söhnen erreichten Jacob Andreas (gest. 1734) und Johannes (gest. 6.5.1745) das Erwachsenenalter. 1728 wurde Gaupp Oberpfarrer in Lindau. Schon davor übernahm er verschiedene kirchliche Aufgaben, z. B. Schulvisitationen. Er starb am 17. Mai 1738 in Lindau an der Wassersucht (ebd., S. 43).
Über sein kirchliches Amt hinaus war Gaupp vor allem auf dem Gebiet der Astronomie aktiv. Mit zahlreichen Astronomen unterhielt er Briefwechsel, z. B. mit → Gottfried Kirch und → Ulrich Junius. Er fertigte selbst Instrumente, schliff Gläser für Fernrohre und gilt als Erfinder der „würfel- und prismenförmigen Blocksonnenuhren mit Einstellung auf verschiedene Polhöhen“ (Zinner, 1956/79, S. 319). Auch war er der erste Astronom, der die Differenz des seit 1700 geltenden „Verbesserten Calenders“ und des 1582 eingeführten „Gregorianischen Calenders“ hinsichtlich des Osterdatums 1724 bemerkte und seine Briefpartner darauf aufmerksam machte (Gaupp, 1978, S. 43; vgl. die anderen Drucke, Titel 8 und 9); nach Gregorianischem Kalender (gemäß Zyklus) fiel Ostersonntag auf den 16. April, nach Verbessertem Kalender und damit astronomischer Rechnung auf den 9. April (Steinmetz, 2011, S. 380).
Johannes Gaupp verfaßte große und kleine Kalender ab dem Jahr 1700. Der erste von ihm verfaßte Kalender scheint nicht überliefert zu sein (erwähnt bei Matthäus, 1969, Sp. 1350). Die in Augsburg gedruckten waren „teils in deutscher, teils in lateinischer Sprache geschrieben“ und ebenso wie die in Nürnberg gedruckten „mit gelehrten Anmerkungen“ angefüllt (Gaupp, 1978, S. 44). Die meisten Kalender sind von der Nürnberger Reihe erhalten (im Stadtarchiv Altenburg für 1711, 1712, 1713, 1714, 1717, 1719, 1720, 1747, 1749, 1750ff.; in der Czartoryskich-Bibliothek Krakau fast alle Jahrgänge). Auf dem Titelblatt heißt es hinsichtlich der für bestimmte Kalenderteile zuständigen Verfasser: „Die Astronomische Calculation ist von M. Johann Gauppen/ Astronom. Cultore elaboriret/ und die Historische Beschreibung von den Verlegern dieses Calenders beygefüget worden“ (Kalender für 1711, Reihe 2). Unter den Astronomen und Liebhabern der Astronomie waren besonders die Kalender der lateinischen Reihe „Calendarium Astronomicum“ (Reihe 7), die von mindestens 1715 bis 1719 erschien, begehrt. Für 1720 und danach erschien diese Reihe nicht mehr, was aus einem Brief von Johann Leonhard Rost an → Christfried Kirch vom 21. September 1719 hervorgeht: „H. M. Gaupp Calendarium Astronomicum vor künftiges Jahr kommet aus Ermangelung eines Verlegers nicht zum Vorschein“ (UB Basel, L Ia 720, Bl. 53r–54r, hier 53v, Transkription [09.09.2017] bei Gaab, 2017 (Rost)). Eine systematische Auswertung der großen Schreibkalender von Johannes Gaupp steht noch aus.
Unter Gaupps Namen wurden nicht nur in Augsburg (vgl. Reihen 3 und 4), sondern auch in Nürnberg Kalender verschiedener Formate gedruckt. Das folgt aus dem kaiserlichen Privilegium, das Johann Andreas Endters Erben am 13. August 1742 (für 15 Jahre) ausgestellt wurde. Dieses Privilegium galt auch für „Johann Gaupps Schwedischer Glücks und Unglücks Sternen Calender in verschiedenen Formaten“ (Koppitz, 2008, S. 118). Aus dem Verlag der Endter sind bisher nur die Schreibkalender in Quart bekannt.
Titel:
Deutsche Kalender:
(1) 1700: Zeit- Fest- Sonn- und Mondlauff Calender, Format 4°.
(2) 1704–1713: [Kupfertitel] Die Zeiten und Läufften Der neuesten Staats= und Kriegs= Begebenheiten. [Zweites Titelblatt] Verbesserter Almanach/ Calender oder Jahr-Buch. 1714–1807: [Kupfertitel] M. J. Gaupps Calender […] Nebst denen alt= und neuen Schwedischen Glücks= und Unglücks=Sternen, Format 4°.
(3) [?]–1716–[?]: Astronomischer Himmels=Calender, Format 12°.
(4) [?]–1719–[?]: Geographischer Welt=Calender, Format 4°.
(5) [?]–[?]: Kalender für Lindau [kein Exemplar ermittelt].
(6) [?]–[?]: Kalender für Konstanz [kein Exemplar ermittelt].
Lateinische Kalender:
(7) 1715[?]–1719: Calendarium Astronomicum, Format 4° lang.
Druck und Verlag:
(1) Felsecker, Nürnberg.
(2) Endter, Nürnberg.
(3), (4), (7) Caspar Brechenmacher, Augsburg.
(5) ?, Lindau.
(6) ?, Konstanz.
Nachweis:
Herbst, 2011a, S. 23. Matthäus, 1969, Sp. 1350. Endter, 1788. Gaupp, 1978, S. 44 (Kalenderdruck in Nürnberg, Augsburg, Lindau, Konstanz und lateinische Kalender). BSB München (Ex. für 1716 der Reihe 3, Eph. astr. 60, und für 1719 der Reihe 4, Verlust, Ex. für 1718 der Reihe 7, Res. Eph. astr. 6). BO Paris (Ex. für 1715 der Reihe 7). Nova Litteraria, 1718, S. 151 (Ex. für 1718 der Reihe 7 genannt). ZDB. CERL.
Online:
(3) 1716 [17.02.2017].
(7) 1718 [02.10.2017].
Andere Drucke:
(1) (Disputation) Erhard Weigel (Präses), Johannes Gaupp (Respondent): Globorvm Correctorvm Et Perpetvorvm Novissima Descriptio & Vsvs. Jena 1690. SStB Augsburg, Phil. 3034#Beibd. Online [1702.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(2) Gnomonica Mechanica. Oder: Mechanische Sonnen=Uhr=Kunst. In welcher Den Anfängern ein besonderer/ leichter/ und wolverständlicher Weg gezeiget wird/ auff alle ebene Flächen Sonnen=Uhren zu verzeichnen/ und solche recht zu gebrauchen […]. Lindau 1708. BSB München, 4 Math. a. 118. Online [17.02.2017]. Andere Ausgaben: Augsburg 1711. BSB München, 4 Math. a. 118 h-1. Online [17.02.2017]. Frankfurt am Main und Leipzig (Druck in Lindau, Verlag in Ulm) 1720. SStB Augsburg, 4 Math. 216. Online [17.02.2017]. Jeweils auch in anderen Bibliotheken.
(3) Tabulae Gnomonicae, Oder: Tafeln Zur Mechanischen Sonnen=Uhr=Kunst Durch welche Auff eine gantz leichte Weise/ alle vorkommende Sonnen=Uhren am allerrichtigsten verzeichnet/ auch andere nutzliche Auffgaben auffgelöset werden können; Zum Theil aus berühmter Mathematicorum Schrifften gezogen […]. Lindau 1708. BSB München, 4 Math. a. 118 h-1#Beibd. 1. Online [17.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(4) Ausführliche Beschreibung Der grossen Sonnen=Finsternuß/ Welche Anno M. DCC. XV. Den 3. May/ Vormittag/ In gantz Europa/ Und zum Theil auch ausser demselbigen/ Zu sehen seyn wird […]. Augsburg 1715. SB Regensburg, 999/Philos. 3197. Online [17.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(5). Ephemeris Motuum Coelestium Prima, Ad Annum à Nativitate D. N. J. C. M. DCC. XVII. Ex Astronomicis Tabulis recentissimis Dn. Phil. De La Hire computata, Sed ad meridianum Uranoburgicum directa […]. Augsburg 1716. SB Regensburg, 999/Philos. 3068 (1/4. Online [17.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(6) Ephemerides Motuum Coelestium Secunda, tertia, et quarta, Ad Annos à Nativitate D. N. J. C. M. 1718. 1719. 1720. Ex Astronomicis Tabulis recentissimis Dn. Phil. De La Hire computatae, Sed ad meridianum Uranoburgicum directae […]. Augsburg 1718. SB Regensburg, 999/Philos. 3068 (1/4. Online [17.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(7) Gnomonicae Mechanicae Continuatio. Fortsetzung der Mechanischen Sonnen=Uhr=Kunst/ In welcher Nebst Erläuterung ein und anderer Materien/ von neuem ausgerechnete Tafeln/ der Sonnen=Höhen/ und des Azimuths derselben/ auf alle Polus=Höhen/ von Teutschland/ und nächst angränzenden Ländern/ beygebracht […]. Frankfurt am Main und Leipzig (Druck in Lindau, Verlag in Ulm) 1720. BSB München, 4 Math. a. 118 h-3. Online [17.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(8) Ausführliche Relation An Einen Hoch=Edel= und Hochweisen Magistrat Des Heil. Reichs Stadt Lindau Von der Oster=Differenz des Verbesserten und Gregorianischen Calenders. […]. Regensburg 1722. Staatsarchiv Zürich, Archivabt., B VIII 368.
(9) Die Beständige Richtigkeit Des Verbesserten Calenders Derer Evangelischen im Heil. Röm. Reich/ Auf Veranlassung unterschiedlicher Censuren/ welche über denselbigen ergangen/ Umständlich gezeiget und deutlich erkläret. Regensburg [1724]. SLUB Dresden, Hist. Germ. D. 250, misc. 12. Online [17.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(10) Eigentliche Beschreibung der grossen Sonnen-Finsternuß, welche Anno M. DCC. XXIV, den 22. May, Des Abends, vor- und bey dem Untergang der Sonnen, auf dem Westlichen horizont, zu sehen seyn wird […]. Augsburg 1724. SBPK Berlin, 8“ Kart. A 2410.
Literatur (Auswahl):
Robert Gaupp: Chronik und Genealogie der Familie Gaupp. Waiblingen 1978. Zu Johannes Gaupp: S. 40–45.
Karl G. Hofbauer, Patrizia Solombrino: Zeit im Buch: die Sonnenuhren des Johannes Gaupp. Katalog zur Ausstellung in der Universitätsbibliothek Basel. Basel 2009.
Erstellt: 17.02.2017
Letzte Aktualisierung: 13.08.2019