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Wohlgemuth, Friedrich (Pseud.)

„Friederich Wohlgemuth/ genandt der Hinckende Bott/ der Mathematischen Künsten und denckwürdigen Geschichten Liebhaber“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1703)
→ [?]; ab 1743 → Schumacher, Christoph Siegmund
Kalender seit 1698 oder 1699, erschienen bis mindestens 1850

Unter dem Verfassernamen → Anthonius Sorgmann kamen bereits seit 1676 Kalenderreihen heraus, die mit dem Markenzeichen des ,Hinkenden Boten‘ um Käufer warben (gedruckt seit 1676 in Basel und seit 1684 auch in Colmar). In Offenbach am Main brachte der Drucker Bonaventura de Launoy die dritte Reihe eines Schreibkalenders mit diesem Markenzeichen auf den Kalendermarkt. Sind bei dem Namen Sorgmanns noch Zweifel möglich, ob es sich dabei um ein Pseudonym handelte oder nicht, so sind diese bei dem Namen „Friederich Wohlgemuth“ durch die nachgestellte Kennzeichnung als „der Hinckende Bott“ nicht angebracht. Einziger namentlich greifbarer Autor hinter dem Pseudonym ist Christoph Siegmund Schumacher, dessen Name auf dem Titelblatt des Kalenders für 1743 genannt wurde: „an das Licht gegeben […] und (auf Frankfurter Pol-Höhe) calculiert von Friedrich Wohlgemuths, als des Hinckenden Botten Contin[uator] Christoph Sigmund Schumacher, Astronomo zu Franckfurt am Mayn“ (zitiert nach Matthäus, 2018, S. 400).
Der älteste überlieferte Kalender ist ein Exemplar für 1703 (StA Offenbach; für den am 9. August 2017 gegebenen Hinweis auf dieses Exemplar und für die Übersendung einer Kopie der beiden Titelblätter am 18. August 2017 danke ich Dr. Klaus Matthäus, Erlangen). Auf dem Titelblatt heißt es, daß dieser „nun zum fünfften mal an den Tag gegeben“ wurde. Demnach wäre diese Reihe für das Jahr 1699 erstmals erschienen. Spätere Ausgaben verweisen jedoch auf 1698 als erstes Gültigkeitsjahr, denn für 1708 sei der Kalender „nun zum eilfften mal an den Tag gegeben“ (Ex. der UB Warschau, Obce-XVIII-4°-220, gesehen am 15.12.2015), der für 1718 sei bereits der 21. Jahrgang (nach Schrader, 1989, S. 146) und der für 1719 der 22. Jahrgang gewesen (nach Greilich, 2006, S. 11, Anm. 9). Der Drucker Bonaventura de Launoy, der seit 1685 in Offenbach eine Offizin betrieb (Reske, 2007, S. 754), erhielt 1699 ein kaiserliches Privilegium für den Kalender, das fortan mehrfach verlängert wurde (Schrader, 1989, S. 139). Nachdem de Launoy im Februar 1728 gestorben war, übernahm dessen Witwe Susanna Elisabetha die Druckerei und führte sie mit ihrem neuen Mann, dem Drucker Gerhard Groot, weiter (Matthäus, 2018, S. 397). Die Kalenderprivilegien wurden auch an Kinder de Launoys aus erster Ehe vergeben (vgl. Koppitz, 2008, S. 217, 313; Matthäus, 2018, S. 397).
Diese in Offenbach bei Frankfurt am Main gedruckte Kalenderreihe scheint die einzige eines ,Hinkenden Boten‘ gewesen zu sein, die sich in den deutschen Ländern langfristig durchgesetzt hat und über ein Jahrhundert lang erschien. Der in der jüngeren Literatur vertretenen These, daß die Kalender mit der Figur des ,Hinkenden Boten‘ einen neuen „Kalendertypus“ darstellen (Greilich, 2006, S. 12), der „zum Archetypus des populären Kalenders schlechthin avancierte“ (Lüsebrink/Mix, 2006, S. 182) und „an dem sich andere populäre Kalender zu messen hatten“ (Greilich/Mix, 2006, S. 6), wurde seit 2008 mehrfach widersprochen (Wernicke, 2008, S. 74; Herbst, 2011a, S. 132–138; Matthäus, 2018, S. 392; Böning, 2018, S. 472; Herbst, 2018d, S. 121–133). Auf dem deutschsprachigen Kalendermarkt waren die ,Hinkenden Boten‘ nur eine Variante unter zahlreichen anderen des für 1540 erstmals erschienenen Kalendertyps Schreibkalender (vgl. bei → Dionysius Sibenburger).
De Launoy druckte im 17. Jahrhundert auch Kalender von → Johann Jacob Zimmermann. Seit 1709 brachte de Launoy die Kalenderreihe eines → Jacob Honold (Pseud.), des eilenden Reichs-Boten heraus.
Eine in Erfurt gedruckte Reihe mit der Figur des ,Hinkenden Boten‘ auf dem Titelblatt erschien seit mindestens 1731 (siehe bei → Jeremias Neubarth (Pseud.?)).
Gerhard Groot, der die de Launoysche Offizin weiterführte, druckte für das Jahr 1738 einen weiteren Kalender mit einem hinkenden Boten auf dem Titelbild, bei dem aber kein vermeintlicher Verfasser angegeben wurde: „[Holzschnitt-Titel] Der Eÿlende Reiß=Bott [Zweites Titelblatt] Jährliches Tag=Buch, oder Haus= und Land=Calender“ (FB Gotha, H 8° 08833 (2,6)). Die inhaltliche Gestaltung dieses Kalenders unterscheidet sich deutlich von der Gestaltung der seit 1698 etablierten Kalenderreihe. Offenbar wurden zwei Kalenderreihen mit einem hinkenden Boten parallel herausgegeben, vielleicht noch eine dritte, denn in dem kaiserlichen Privilegium vom 16.1.1722 heißt es, daß „Launoy und seinen Ehelichen Leibs=Erben zweyter Ehe diese besondere Kayserl. Gnad gethan, und Freyheit gegeben, daß sie obgedachte drey Calender in offenen Druck weiter ausgehen“ lassen können und auf zehn Jahre kein Nachdruck erlaubt sei (zitiert nach dem Abdruck im Kalender „Der Hinckende Bot“ für 1729, Ex. der FB Gotha, H 8° 08833 (1,10)). Diese drei verschiedenen Kalender wurden nacheinander privilegiert bzw. das Privilegium wurde erneuert: am 16.10.1699, am 24.3.1706, am 3.3.1712 und am 16.1.1722.

Titel:
1698–1850[?]: [Erstes Titelblatt] Der Hinckende Bot. [Zweites Titelblatt] Der Hinckend= und Stolpernd= doch eilfertig fliegend= und lauffende Bott. Das ist: Neu= Verbesserter Reichs= Staats= Geschichts= Kriegs= Siegs= und Friedens=Calender [später mit leicht wechselnden Titeln].
Druck und Verlag:
1698–1728: Bonaventura de Launoy, Offenbach am Main, 1729: de Launoys Witwe, Offenbach am Main, 1730–1739: Gerhard Groot (verh. mit Susanna Elisabetha Launoy), Offenbach am Main, 1740–1741: Gerhard Groots Witwe, Offenbach am Main, 1742–1746: Johann Heinrich Faust (verh. mit Regina Philippina Launoy), Offenbach am Main, 1747–1755: Johann Heinrich Fausts Witwe, Offenbach am Main, 1756–1768: Bonaventura Hauch und H. G. Karge, Offenbach am Main, 1769–1775: Bonaventura Hauch und H. G. Karges Witwe, Offenbach am Main, 1776–1792: Druck Heinrich Gottlieb Hauch, Offenbach am Main, Verlag Bonaventura Hauchs Witwe, Offenbach am Main, 1793–[1802?]: Heinrich Gottlieb Hauch, Offenbach am Main, 1803[?]–1815[?]: Druck Heinrich Gottlieb Hauch, Offenbach am Main, Verlag Johann Christian Jäger, Frankfurt am Main, 1816[?]–[1841]: Druck ?, Offenbach am Main, Verlag Johann Christian Jäger, Frankfurt am Main, 1842[?]–1850: Druck Seiboldsche Druckerei, Offenbach am Main, Verlag Johann Christian Jäger, Frankfurt am Main. 1808 auch Verlag Huber und Compagnie, Koblenz.
Nachweis:
Schrader, 1989, S. 146 (Ex. für 1703, 1718). Greilich/Mix, 2006, S. 416–421 (Ex. ab 1716), S. 458f. (Ex. ab 1720, dort als eine separate Reihe mit Verlagsort Trier aufgeführt; die Trierer Reihe setzte aber erst nach 1814 ein, siehe Matthäus, 2018, S. 393, Anm. 69). Ergänzung nach Autopsie: UB Warschau (Ex. für 1708, 1710), BSB München (Ex. für 1749), FB Gotha (Ex. für 1724, 1729, 1730, 1731, 1745), LASA Dessau (Ex. für 1770, 1775, 1776, 1778, 1783, 1784, 1786–1792), StA Werl (Ex. für 1759, 1761, 1766-1782, 1788, 1790, 1793, 1794), HSTA Stuttgart (Ex. für 1710, 1711), StA Offenbach (Ex. für 1703, 1711, 1720, 1728, 1729, 1732, 1737, 1739-1752, 1754-1758, 1771, 1772, 1775, 1776, 1779, 1780, 1782, 1784, 1785, 1792-1795 und nachfolgende ab 1801). Ergänzung nach GBV: HAAB Weimar (Ex. für 1739, 1745, 1746, 1749, 1782, 1783, 1816, 1817, 1821), UB Augsburg (Ex. für 1742), HM Frankfurt/Main (Ex. für 1743, 1775, 1776), PLB Speyer (Ex. für 1755, 1804), UB Frankfurt/Main (Ex. für 1766–1768, 1812), GHB Kassel (Ex. für 1789). (Die Exemplare gemäß GBV wurden noch nicht eingesehen.) CERL1. CERL2. Koppitz, 2008, S. 313 (Privilegien der Offizin de Launoy für die Kalenderreihe vom 16.1.1722, 19.2.1732, 27.9.1740), 217 (Privilegium vom 13.3.1789 für Anna Maria Hauch, Witwe von Bonaventura Hauch).
Online:
1766–1768, 1812 [09.08.2017].

Erstellt: 09.08.2017
Letzte Aktualisierung vor 20.01.2020: 26.04.2019
Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 18.08.2023

wohlgemuth_friederich_pseud.txt · Zuletzt geändert: 2023/08/18 12:25 von klaus-dieter herbst