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Schumacher, Christoph Siegmund
„Christoph Sigmund Schumacher/ Astronomus allhier“; „Christoff Siegmund Schumacher, Sternkundiger, aus Rotenburg in Franken“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1738 (Reihe 1) und 1763 (Reihe 3))
* 1704 Rothenburg an der Tauber, † 23.12.1768 Leipzig
Kalender seit mindestens 1735, verfaßt bis mindestens 1763
Übernommene Reihe: → Wohlgemuth, Friedrich (Pseud.) (ab 1743)

Christoph Siegmund Schumacher war im 18. Jahrhundert als ein Astronom bekannt (vgl. Bernoulli, 1771, Bd. 2), über den auch die Lexika des 18. und 19. Jahrhunderts berichteten (HLH, 1794, Bd. 11, Abteilung 2, S. 356; Meusel, 1802, Bd. 12, S. 551; Poggendorff, 1863, Bd. 1, Sp. 548). Darüber hinaus ist er heute als offenbar erster namentlich verifizierbarer Beiträger zum in Offenbach herausgegebenen „Hinkenden Boten“ (siehe Wohlgemuth, Friedrich (Pseud.)) von Bedeutung (für den am 28. Januar 2018 gegebenen Hinweis auf Schumacher und dessen Bedeutung danke ich Dr. Klaus Matthäus, Erlangen).
Die meisten biographischen Details liefert ein Nachruf in der Bayreuther Zeitung (Baÿreuther Zeitungen, 1769, Nr. 22, 21. Februar, S. 121f.). Demnach wurde Schumacher 1704 in Rothenburg an der Tauber als Sohn eines namentlich nicht bekannten Schuhmachers geboren. Bei seinem Vater erlernte er zunächst das Schuhmacherhandwerk. Er interessierte sich aber schon seit der Jugend für die Kalender und Vorgänge am Himmel, sodaß er nach dem Ende der Lehrzeit die anschließenden Wanderjahre für das Selbststudium der Astronomie nutzte. Er ging nach Nürnberg und besuchte dort die Sternwarte des früheren Astronomen Georg Christoph Eimmart (1638–1705). Die Wanderschaft führte ihn anschließend nach Breslau und St. Petersburg, wo er Kontakt mit der Akademie der Wissenschaften hatte. Wohl über diesen Kontakt kam er nach Frankreich und von dort nach Berlin, wo er Pierre Moreau de Maupertius, damals Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, begegnete. Da er sich mit diesem nicht verstand, zog er weiter nach Frankfurt am Main. Aus Geldmangel „nahm er Kriegsdienste, und begab sich unter die Constabler“. In dieser Zeit „ließ er den hinkenden Bothen drucken“ (ebd., S. 122). Seine Wanderschaft führte ihn weiter nach Dresden, Rußland, Ungarn, Siebenbürgen und schließlich 1760 nach Jena. Überliefert ist ein „Gesuch des Kalenderschreibers Christoph Schumacher um Niederlassung in Jena“ (ThHSA Weimar, Akte Sign. A 8359; für den am 17. Mai 2018 gegebenen Hinweis auf diese Akte danke ich Dr. Klaus Matthäus). Daraus geht hervor, daß Schumacher keine Erlaubnis zur Niederlassung in Jena erhielt. Infolgedessen zog er weiter und ging nach Leipzig. Dort verstarb er in ärmlichen Verhältnissen aufgrund einer nicht behandelten „Rose am Fuß“ am 23. Dezember 1768. Soweit die Bayreuther Zeitung.
Eine Ergänzung zu den Aufenthaltsorten Schumachers liefert die Vorrede zum astronomischen Kalender für 1763, die der Astronom Johann Ernst Basilius Wiedeburg (1730–1789), Professor an der Jenaer Universität, verfaßte. In Jena hatte sich Schumacher am 17. Dezember 1761 in die Matrikel der Universität eingeschrieben (Köhler, 1992, S. 795 „[1761] Dezember 17. Chrph. Sigm. Schumacher. Rotenburg“). Nach Wiedeburgs Worten war der „Berechner“ des Kalenders „bereits ehedem in Berlin, bey Verfertigung verschiedener astronomischen Rechnungen rühmlich beschäftigt gewesen, auch [habe er] nacher sowol in Dreßden, als bey den Kayser= und Königlichen Akademien zu Petersburg, Halle und Göttingen sattsame Proben seiner in der Sternkunde erlangten Wissenschaften an den Tag gelegt“ (Kalender für 1763, Kalendarium, Vorrede, unpag.; zu den astronomischen Schriften siehe die anderen Drucke, Titel 2 bis 6).
Offenbar verfaßte Schumacher bereits 1735 Kalender, denn am 22. September 1735 richtete er als „Astronomus von Neu Ysenburg“ an die Herren des Rats von Frankfurt am Main das Gesuch um Schutz in dieser Stadt. Darin schrieb er, daß er zwar das Schuhmacherhandwerk gelernt habe, „aber solches keines wegs zutreiben gesonnen, sondern vielmehr mit dem Calender machen mich ehrlich zu ernehren gesonnen“ (IStG Frankfurt/Main, Ratssupplikation 1735 II, fol. 596r). In der hierauf folgenden Befragung am 3. November 1735 gab er zu Protokoll, daß er „die Calender“ schreibe (vielleicht den in Offenbach gedruckten „Ysenburgischen […] Schreib=Calender“, siehe bei → Johann Jacob Zimmermann, Reihe 2), seit drei Jahren mit „Agnes von Battenberg in dem Darmbstättischen“ verheiratet sei, der evangelisch-lutherischen Religion angehöre, einen Sohn habe und 150 Gulden besitze (ebd., Ratssupplikation 1736 II, fol. 41r–v). Schumachers Gesuch wurde abgelehnt, weil er und seine Frau fremd seien. Dessen ungeachtet verfaßte er den Frankfurter Ratskalender in Quart (siehe Titel 2). Fast zwanzig Jahre später, am 10. Januar 1754, schrieb Schumacher erneut an den Frankfurter Rat, diesmal mit dem Ansinnen, ein Darlehen über 30 Gulden zu erhalten, damit er Papier kaufen könne, um den schon halb gedruckten Kalender (für 1755) noch zu Ende drucken lassen zu können (ebd., Ratssupplikation 1754 I, fol. 36v). Im gleichen Gesuch schlug Schumacher dem Rat vor, eine „Calender Fabrique in dem Waisenhauß“ sowie ein „kleines Astronomisches Observatorium“ errichten zu lassen. Die Bitte um den Kredit wurde zwar abgewiesen, aber „statt des nachgesuchten Darlehens“ gab man „ihme zehn Reichs Thaler“ mit der Auflage, „daß er auch den Calender verfertige“ (ebd., Bürgermeisterbücher 317 (1754), fol. 11r; für die Anfertigung und Übersendung der Transkriptionen danke ich Dr. Michael Matthäus, IStG Frankfurt/Main, und Dr. Klaus Matthäus, Erlangen).
Auch später betrieb Schumacher das Kalendermachen, worüber sogar in einer Zeitung berichtet wurde. Der „astronomische Kalender“ für 1763 wurde durch „Ihro Durchl. die verwittwete Herzogin zu Sachsen=weimar“ anbefohlen und gefördert (Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 1763, Nr. 62, 23. Mai, S. 497). Die Besprechung dieses Kalenders endet mit dem Resümee: „Liebhaber der Astronomie, werden wünschen, daß Hr. S. ferner Gelegenheit finden möge mit seinen Gaben nützlich zu seyn.“ (ebd., S. 498). Auch später fand Schumacher Erwähnung in den Göttingischen Anzeigen, so 1768 mit dessen kurzer Schrift (Kupferstich) über den Venustransit am 3. Juni 1769 (ebd., 1768, Nr. 49, 23. Apri, S. 391f.), 1769 mit der Todesanzeige und kurzer Lebensbeschreibung nach Mitteilung eines „Hrn Prof. Winkler“ (ebd., 1769, Nr. 20, 16. Februar, S. 199f.) und 1778 mit Hinweis auf Johann Bernoullis Notiz über Schumacher im Band 2 der „Nouvelles litteraires“ (ebd., 1778, Nr. 37, 26. März, S. 292).
Überliefert ist ein „Haushaltungs=Calender“ für 1756, den Schumacher für den Dresdener Horizont berechnete und auch in Dresden bzw. in Friedrichstadt drucken ließ. Vermutlich lebte er somit damals in Dresden. Im Jahre 1760 lebte Schumacher noch immer als „Kalenderschreiber“ in Dresden (anderer Druck, Titel 2, S. E4b). Danach ging er über Jena nach Leipzig (siehe oben). In beiden Orten fand er Gelegenheit, astronomische Schriften zu verfassen. 1768 veröffentlichte er unter dem Pseudonym „Friedrich Wohlgemuth“ einen fiktiven Brief über „den Durchgang der Venus durch die Sonne“ (anderer Druck, Titel 6), in dem er bekannte, daß er „Prognostica gestellet“ habe, „da ich der hinkende Bote zu Ofenbach war“; und weiter: „Da ich nun alt bin, mag ich keine astrologische Prognostica mehr stellen; denn um einige Thaler muß man dichten und schreiben, was man niemalen geglaubet hat“ (ebd., S. 3). Im weiteren Verlauf beschrieb Schumacher (Wohlgemuth) das astronomische Ereignis der 1769 erwarteten Venuspassage und bettete diese ein in den astronomiehistorischen Kontext. Er gab ferner den Hinweis: „Die Zeichnung dieses Phaenomeni auf einer Landkarte bekommt man zu Leipzig unter dem Rathhause bey dem Buchdrucker Köhl vor 4 gl.“ (ebd., S. 15; vgl. den anderen Druck, Titel 5).
Waren die überlieferten Frankfurter Rats- und Stadt-Kalender für 1738 und 1739 noch gewöhnliche Schreibkalender (in Quart), so fehlen bei dem überlieferten kleinen Kalender für 1763 (in Oktav) die unbedruckten Schreibseiten. Dieser ist auch bar jeglicher astrologischer Elemente und ist somit einzureihen in die seit 1676 unternommenen Versuche, ein astronomisches Jahrbuch zu etablieren (vgl. Herbst, 2013b). Bereits in der „Unterredung“ zwischen dem Astronom Alethophilus und dem Tagelöhner Biedermann (anderer Druck, Titel 1) legte Schumacher seine konsequent antiastrologische Grundhaltung dar. (Daß diese anonym herausgegebene Schrift von Schumacher verfaßt wurde, wird hier aufgrund des astronomischen Inhalts und der Bezugnahme auf den Offenbacher „Hinkenden Boten“ für 1742 vermutet. Den Kalender für 1743 brachte dann Schumacher selbst heraus.) Mit Argumenten, die allein aus der Erfahrung und der Geschichte genommen wurden, klärte der Verfasser den Leser darüber auf, daß von den astrologischen Mutmaßungen der traditionellen Kalendermacher nichts zu halten sei. Insbesondere am Beispiel des „Hinckend= und stolpernd, doch eilfertig fliegend= und laufende Reichs=Both“ von „Friedrich Wohlgemuth, genannt der Hinckende Both“ für 1742 (Zitierung des Titels nach dem anderen Druck, Titel 1, S. 4) führte Schumacher vor Augen, daß der Kalendariograph seine Worte „nach Gewohnheit anderer neuen Propheten, auf Schrauben setzet“ (ebd., S. 15), was bedeute, „die Einfälltigen äffen und bey der Nase herum ziehen“ (ebd., S. 16). Mit dieser Schrift von 1742 ist Schumacher nicht nur als Autodidakt, der es zum Verfassen von gelehrten Texten brachte, zu würdigen (vgl. Siegert, 2015), sondern ebenfalls als früher Aufklärer und Verfasser eines Reformkalenders (vgl. Siegert, 2012).

Titel (ohne den des Pseudonyms Wohlgemuth):
(1) [1735?]–[?]: Calender [kein Exemplar ermittelt], Format ?.
(2) 1738[?]–1739[?]: Raths= und Stadt=Calender (für Frankfurt am Main), Format 4°.
(3) 1755–[?]: Calender [kein Exemplar ermittelt], Format ?.
(4) 1756[?]–[1760?]: Friedrichstädter Astronomisch=Verbesserter, […] Haushaltungs=Calender, Format 4°.
(5) 1763–[?]: Verbessertes Astronomisches Jahr= und Tagebuch (auf Horizont von Weimar), Format 8°.
(6) 1754–1765: Verbesserter Ost Indianischer Schreibkalender, Format 8°.
Druck und Verlag:
(1) ?, [Offenbach am Main ?].
(2) Franz Varrentrapp, Frankfurt am Main.
(3) ?, [Frankfurt am Main ?].
(4) Christian Heinrich Hagenmüller, Friedrichstadt (bei Dresden).
(5) Georg Michael Marggraf, Jena.
(6) „Imprimé pour la mission danoise de Trankebar“, Halle (Houzeau/Lancaster, 1880 und 1889/1964, Bd. 1, Teil 2, S. 1595, Nr. 15550).
Nachweis:
Bauer, 1997/1999/2002, Bd. 3, S. 95f. (Reihe 2). SUB Göttingen, Astron. I, 3180 (Reihe 5). CERL. (Houzeau/Lancaster, 1880und 1889/1964, Bd. 1, Teil 2, S. 1595, Nr. 15550 (Reihe 6).
Online:
(5) 1763 [19.02.2018],
(4) 1756 [28.05.2018].
Andere Drucke:
(1) Nachdenckliche und erbauliche Unterredung zwischen Aegidio Alethophilo, einem berühmten Astronomo und Dietrich Biedermann, einem alten Tag=Löhner von dem grossen Comet-Stern, welcher sich nach Wissagung Friedrich Wohlgemuths, eines bekannten Calendariographi zu Offenbach, in diesem 1742sten Jahre, im Monat Decembris annoch zeigen soll, darinnen die Fragen: I. Ob dieser Comet-Stern, eben derjenige, so vor der Zerstörung Jerusalem ein gantzes Jahr über der Stadt gestanden, seyn? und II. Ob er Miß=Wachs, Pest und Krieg andeuten werde? kürtzlich erörtert sind. Frankfurt/Main und Leipzig 1742. HAAB Weimar, 19 A 21345 (4).
(2) C. S. Schumachers Untersuchung der Osterfeyer von Anno 1700 bis 2500. Ohne Ort [1760] (4 Blatt mit Bogensignatur E). ULB Halle, Pon IIi 2639, QK. Online [19.02.2018].
(3) Von der Erscheinung des Venus=Sterns in der Sonnenscheibe. Gestellt durch C. S. Schuhmacher, Sternkundiger aus Rothenburg in Franken. Ohne Ort [1761] (4 Blatt mit Bogensignatur H). ULB Halle, Pon 3380, 4Ö (1). Online [19.02.2018].
(4) Herrn Edmund Halleys richtige Sonnen=Tabellen auf den Londonischen mittlern Mittag gestellt; In den verbesserten Stylum current reducirt von Christoff Siegmund Schumacher Sternkundiger. Jena 1761. ThULB Jena, 2004 A 7638 (4). SUB Göttingen, 8 ASTR II, 2715, online [19.02.2018].
(5) Der Durchgang der Venus durch die Sonne, vorgestellt auf einem Kupferstich. Leipzig 1768. Zitiert nach Meusel, 1802, Bd. 12, S. 551.
(6) Friedrich Wohlgemuths Schreiben an den Verfasser der Fidibus, den Durchgang der Venus durch die Sonne betreffend. Herausgegeben von dem Letztern. Leipzig [1768]. SLUB Dresden, Biogr. erud. D. 3066.
(7) Beschreibung des Weltgebäudes. Ohne Ort und Jahr. SUB Göttingen, 8 H SUBS 6207 (3).
Literatur:
Nachruf vom 16. Februar 1769 auf Christoph Siegmund Schumacher in: Baÿreuther Zeitungen, 1769, Nr. 22, 21. Februar, S. 121f.

Erstellt: 19.02.2018
Letzte Aktualisierung vor 20.01.202: 25.11.2019
Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 14.09.2021

schumacher_christoph_siegmund.txt · Zuletzt geändert: 2021/09/14 08:51 von klaus-dieter herbst