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Schimpferin, Salome

„Jungfer Salome Schimpferin/ Zu Hall in Sachsen/ der Astrologischen Wissenschafften beflissenen“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1655)
* [?] Halle, † [?]
Kalender seit 1654, verfaßt bis 1660

Die einzigen Quellen zum Leben der Salome Schimpferin sind die Vorreden und Dedikationsschreiben in ihren Kalendern. Danach stammte sie aus Halle an der Saale und besuchte bis zum 12. Lebensjahr eine Schule (Planeten=Calender für 1656, zweiter Teil, S. A3a). Auf Anraten ihres „Vielgelibten und Hochverdienten Herrn Vetters Bartholomaei Schimpfers“ wandte sie sich der Astronomie zu (Planeten=Calender für 1659, zweiter Teil, S. A3a). Somit war sie eine Cousine von → Bartholomaeus Schimpffer in Halle. Offenbar begleitete sie ihren Vetter auf dessen Reisen, denn im Widmungsbrief vom 22. Juli 1655 schrieb sie beispielsweise, daß „am Fürstlichen Sächsischen Hof zu Altenburg nicht allein meinem Herrn Vetter/ sondern auch mir hohe Gnade wiederfahren“ sei (ebd., S. A3a).
Ihre erste „Calender=Arbeit“ verfaßte sie für das Jahr 1654 (Planeten=Calender für 1655, zweiter Teil, S. A1b). Der „Planeten=Calender“ besticht durch drei Merkmale: die tägliche Angabe der Planetenpositionen im Kalendarium (vermutlich aus einem Ephemeridenwerk entnommen), die Widmungen an hochrangige Frauen des Adels und die einleitenden Verse. Die Empfängerinnen der Dedikationen waren Dorothea, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg (Kalender für 1655), Magdalena Sibylle, Herzogin zu Sachsen (1656), Anna-Sophie, Herzogin in Bayern, des Stifts Quedlinburg Abtissin (1657) und Sophie Margarethe, Fürstin zu Anhalt-Bernburg (1659).
Die im Kalender für 1656 gedruckten Verse beginnen folgenden Worten: „Gott hat dem weiblichen Geschlecht so wol gegeben Nach Sinn/ Witz und Verstand/ in dieser Welt zu lebe(n)/ Gleich wie dem Man(n)esVolck“ (Quellenzitat). Damit bezog die Schimpferin Stellung in einer schon im 17. Jahrhundert geführten Debatte um die Frage, ob bzw. inwieweit es bei der Bildung und Bildungsfähigkeit eine Gleichheit der Geschlechter gibt. Es ist vorstellbar, daß sie Kenntnis von der „Dissertatio de ingenii muliebris ad doctrinam et meliores litteras aptitudine“ bekommen hatte, die 1641 von Anna Maria van Schurman verfaßt worden war und „zum geläufigen Schriftkanon der europäischen Debatte über Frauenbildung“ gehörte (Schurmann, 1641/2009, S. CXXI). Kam der van Schurman die Gleichrangigkeit der Geschlechter noch „unangemessen“ vor (Spang, 2009, S. 105), so scheint die Schimpferin von dieser Gleichheit ausgegangen zu sein.
In zeitgenössischen Drucken wurde die Schimpferin in einer Reihe mit heute anerkannten bedeutsamen Frauen, zum Beispiel mit der Astronomin Maria Cunitia, erwähnt. So richtete der Arzt und Kalendermacher → Christoph Schorer 1654 eine „Erinnerung von bevorstehender Sonnen=Finsternüß an das Löbl. Frawen=Zimmer. Edles Volck!“ und schrieb: „Damit ihr aber/ Edles Volck/ euch desto eher solche Forcht entschlagen könnet/ wil ich euch zuverstehen geben/ was eine Finsternüß sey: […] Es ist aber eine Finsternüß/ wie solche die Himmlisch gelehrte Fraw Maria Cunitia, (seht/ Edles Volck/ wie günstig euch diese Zeit/ in dem sie ewer Geschlecht durch vier sonderbahr gelehrte und in Schrifften berühmte Weibsbilder/ (das ich der Majestätischen Christlichsten Christinae, als einer irrdischen Göttin/ geschweige/) als Annam Mariam Schürmannin/ und Annam Ovenam im NiederLand/ Mariam Cunitiam in Schlesien/ und Salome Schimpfferin in Sachsen/ in den Himmel erhebet)“ (Schorer, 1654, unpag. [S. 4]; vgl. Herbst, 2010a, S. 97). Demnach galt Salome Schimpfer unter ihren Zeitgenossen bereits in dem Jahr, für das sie ihren ersten Kalender herausgebracht hatte, als eine gelehrte Frau.

Titel:
(1) 1654–1660: Planeten=Calender.
Druck und Verlag:
1654–1658: Timotheus Ritzsch, Leipzig, 1659: Johann Bauer, Leipzig, 1660: Melchior Göpner, Zwickau.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 143. VD17. CERL.
Online:
(1) [07.10.2014].
Literatur:
Klaus-Dieter Herbst: Leipzig als Druckort von Kalendern in der Frühen Neuzeit. In: Detlef Döring (Hrsg.): Leipzigs Bedeutung für die Geschichte Sachsens. Politik, Wirtschaft und Kultur in sechs Jahrhunderten. Leipzig 2014 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Leipzig, Bd. 7), S. 347–398, zu Salome Schimpferin: S. 366–368.
Quellenzitat:
„Gott hat dem weiblichen Geschlecht so wol gegeben
Nach Sinn/ Witz und Verstand/ in dieser Welt zu lebe(n)/
Gleich wie dem Man(n)esVolck. Im blauen Buch der Sterne(n)
Kan Manns= und Weibesbild des HimmelsLauff erlernen.
So wird/ O Leser/ mich ja niemand drumb verdencken/
Wann meine Sinnen sich zur Sonnen=Strasse lencken:
Der Himmel/ anzusehen/ steht mir und iedem offen;
Mit mir die Frommen auch hinein zu kommen hoffen.
Die Ephemerides/ der Circul und die Tafeln/
An dieser Kunst zu seyn/ sind meine feste Stafeln;
Die runde Globus=Kugel mit Freuden ich umbdrehe/
Vnd seh/ an welchem Ort Sol oder Luna stehe:
Daher ich nun diß dritt Calender=Wercklein schreibe/
Auch fort/ so lang Gott will/ bey dieser Weise bleibe.
Du/ lieber Leser/ laß dir dieses Werck gefallen/
Darzu aus deinem Mund das Glück und Heyl erschallen!
Was Jungfern heben an/ sieht man zum besten deuten/
Vnd so es sonderbahr/ behagt es tapffern Leuten.“
(Planeten=Calender für 1656, zweiter Teil, S. A1b).

Erstellt: 07.10.2014

schimpfferin_salome.txt · Zuletzt geändert: 2017/01/30 13:40 von klaus-dieter herbst