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richter_christoph [2019/11/13 12:18] klaus-dieter herbst |
richter_christoph [2023/05/04 16:40] klaus-dieter herbst |
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+ | ====== Richter, Christoph ====== | ||
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+ | **„Görlicensis, | ||
+ | * 1618 Görlitz, † 1680 Gnandstein\\ | ||
+ | Kalender seit 1655, erschienen bis 1699\\ | ||
+ | Pseud.: → [[graf_jeremias_pseud|Graf, | ||
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+ | Über Christoph Richter ist in der Literatur bisher nur bekannt, daß er 1618 in Görlitz geboren und 1641 an der Universität Leipzig immatrikuliert wurde, 1648 eine Stelle als Diakon in Kohren und 1661 als Pfarrer in Gnandstein erhielt und schließlich 1680 starb (Erler, 1909, S. 357 „Richter Christoph. Görlic. 16 gr. i W 1641 P 3.“; Grünberg, 1939/40, Teil 2, S. 737). Da Richter die Laufbahn eines Pfarrers eingeschlagen hat, könnten die Görlitzer Pfarrer Gregor Richter d. Ä. (1560–1624) und Gregor Richter d. J. (1598–1633) Verwandte von ihm gewesen sein (vgl. Dietmann, 1777, S. 174–176, 261f.). Weitere Einzelheiten liefern jetzt seine Kalender und seine von 1668 bis 1680 geführte Korrespondenz mit → [[kirch_gottfried|Gottfried Kirch]]. Aus dieser geht auch hervor, daß Kirch die von Richter begonnenen Kalenderreihen „Jahres-Zeiger“ und „Gesprächs-Kalender“ nach dessen Tod unter Beibehaltung von Richters Namen bis in die 1690er Jahre fortgeführt hat (Herbst, 2004a, S. 140f.).\\ | ||
+ | In einem Brief an Kirch vom 30. August / 9. September 1676 bezeichnete Richter den Leipziger Universitätsprofessor Joachim Feller als „mein Schwager H. L. Joachim Feller“ und in einem zweiten Brief vom 30. Dezember 1678 / 9. Januar 1679 als „mein naher Schwager“ (Herbst, 2006, Bd. 1, S. 18, 50). Da Feller im Januar 1677 Johanna Thomasius, eine Tochter von Jakob Thomasius, und nicht etwa eine Schwester von Richter heiratete, bleibt nur der Schluß, daß Richter mit einer Schwester von Feller verheiratet war (vgl. Herbst, 2010a, S. 255). Ob aus dieser Ehe Kinder hervorgegangen sind, konnte nicht ermittelt werden.\\ | ||
+ | Zum weiteren personellen Umfeld von Richter könnten Christian, Herr von Schönburg, zu Glauchau und Waldenburg (Adressat der Dedikation im Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1659, zweiter Teil, S. A1b–2a) sowie Haubold von Einsiedel, Herr auf Gnandstein und Wolfftitz, Richters „wolgeneigte[r] Förderer“ (Adressat der Dedikation im Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1658, zweiter Teil, S. A1b–2b), gehört haben.\\ | ||
+ | In dem sich ausdifferenzierenden Kalendermarkt der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebührt Christoph Richter besondere Beachtung, weil er mit den Inhalten seiner Kalender die Ausbildung eines kritischen Urteilsvermögens der Leser förderte. Hierbei richtete er die Aufmerksamkeit seiner Leser von Anfang an auf die Unhaltbarkeit eines Teils der astrologischen Weissagungen, | ||
+ | Mit Blick auf das Kalenderwesen wurde von Richter die Leistung erbracht, daß er als erster Kalendermacher die seit der Antike bekannte und in zahlreichen anderen Drucken seit dem 16. Jahrhundert angewandte Form des (Lehr-)Gesprächs in einem Kalender nutzte. Schon der Titel seines „Gesprächs=Kalenders“, | ||
+ | Da auch Richter von seinen Zeitgenossen wegen den teilweise eklatanten Unterschieden in den Ankündigungen astronomischer Ereignisse bei verschiedenen Kalendermachern angesprochen wurde, rechtfertigte er sich wiederholt. Dabei verglich er bis zu „20 Autores“ miteinander (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1663, zweiter Teil, S. B3b). Mitunter verwies er auch auf Zeitungsberichte, | ||
+ | Auf eine langjährige Beobachtung des Wetters deutet die autobiographische Notiz hin, nach der Richter „nunmehr 15. Jahr nach einander alle Tage das Gewitter auffgeschrieben“ hatte (Jahres-Zeiger Schreib-Kalender für 1667, zweiter Teil, S. A2a; vgl. Herbst, 2010a, S. 215).\\ | ||
+ | Richter beklagte das Nachmachen in „Methodum oder Formular“ seines erst unter dem Pseudonym „Christoph Praetorius“ und ab 1659 unter dem Pseudonym „Jeremias Graf“ veröffentlichten „Haußhaltungs=Calenders“ durch einen sogenannten → [[graf_andreas_pseud|Andreas Graf (Pseud.)]], dessen Kalender „in Zwickauischer Druckerey“ hergestellt worden war (Haußhaltungs-Calender für 1664, zweiter Teil, angehängtes „NB.“).\\ | ||
+ | Im Stadtarchiv Leipzig existiert eine Akte (II. Sekt. M 39), in der es um einen Privilegienstreit zwischen „Johann Michael Hoffbuchdrucker zu Altenburgk, contra Johann Bauern, Buchdruckern allhier“ [Leipzig] aus dem Jahr 1666 geht (die Verhandlung vor der fürstlichen Kommission erfolgte am 21. September 1666 im Beisein von Michael und Bauer). Dem liegen zwei fast identisch gestaltete Titelblätter bei, einmal das des in Altenburg für 1664 gedruckten Kalenders von Jeremias Graf mit dem Titel „Nach der Alten und Neuen Zeit Deutlicher und wolgefaster Haußhaltungs Calender“ und zum andern das des in Leipzig für 1667 (sic) gedruckten Kalenders von Jeremias Graf mit dem Titel „Der rechte Altenburgische Nach der Alten und Neuen Zeit Deutliche und wolgefaste Haußhaltungs=Calender“. Aus der Akte geht zweifelsfrei hervor, daß Christoph Richter den Drucker gewechselt hatte und für 1667 seinen Altenburger „Haußhaltungs=Calender“ auch in Leipzig drucken ließ, nachdem der Drucker Johann Bauer dafür am 26. Januar 1666 ein Privilegium erlangt hatte. Als Reaktion darauf hatte der Altenburger Drucker Johann Michael ab dem Kalenderjahrgang 1668 Gottfried Kirch als Autor für eine neue Kalenderreihe mit dem Titel „Der rechte Altenburgische Haußhaltungs= und Kunst=Calender“ gewonnen, die Kirch unter dem Pseudonym → „[[graeuf_jesaias_pseud|Jesaias Gräuf]]“ herausbrachte. Hierüber gerieten Kirch und Richter zunächst in Streit und später in eine freundschaftliche Beziehung, was mit einem Briefwechsel dokumentiert ist (siehe Herbst, 2006, Bd. 1, S. 4 passim).\\ | ||
+ | Richter besorgte sich offenbar auch Literatur aus Frankreich. So erwähnte er im Gesprächs-Kalender für 1674 René Descartes bzw. „des Cartesii Lehre“, nach der „in Zahl/ Gewicht und Maaß die natürlichen Kräffte der Dinge bestehen“ (zweiter Teil, S. B2b). Auch war Richter der französischen Sprache mächtig, denn die Textspalte im Jahres-Zeiger Schreib-Kalender füllte er von Beginn an mit Historien, die er „auß Frantzösischer Sprache in die Deutsche übersetzt“ hatte (zitiert aus dem Kalender für 1656, Kalendarium, | ||
+ | Daneben verfaßte Richter zwei Druckschriften über die Kometen C/1664 W1 von Ende 1664 und C/1665 F1 vom Frühjahr 1665 (Kronk, 1999, S. 350–360; Brüning, 2000, S. 227f.). Eine Handschrift über den Kometen von 1664 (Brüning, 2000, S. 199, Nr. 1095) konnte noch nicht eingesehen werden. | ||
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+ | **Titel (ohne die der Pseud.): | ||
+ | (1) 1655–1699: | ||
+ | (2) 1658–1699: | ||
+ | (3) 1660[? | ||
+ | **Druck und Verlag:**\\ | ||
+ | (1), (2), (3) 1655–1678: | ||
+ | **Nachweis: | ||
+ | Herbst, 2004a, S. 140–143. Herbst, 2008a, S. 138. Ergänzung: StA Bad Frankenhausen (Ex. für 1668 der Reihe 2); SLUB Dresden, Mscr. Dresd. Q. 243, 253, 256, 261, 263 (Ex. ab 1665 der Reihe 3); LASA Dessau (Ex. für 1662 der Reihe 3); LASA Magdeburg (Ex. für 1660 der Reihe 3); SHSTA Dresden (Ex. ab 1661 bis 1680 der Reihe 3); SSTA Chemnitz (Ex. für 1679 der Reihe 2). VD17. CERL.\\ | ||
+ | **Online: | ||
+ | [[http:// | ||
+ | **Andere Drucke:**\\ | ||
+ | (1) Berichtendes Send=Schreiben Vom Cometen/ So im Christmonat des 1664. Christen=Jahres ist erschienen: Darinnen derselbige Astronomicè, | ||
+ | (2) Berichtendes Send=Schreiben Von dem Oster=neu/ Oder dem Andern Cometen/ So am H. Oster=tage/ und folgende zwey Wochen dieses 1665. Christen=Jahrs im Tische vornemlich ist erschienen: Darinnen derselbige Astronomicè, | ||
+ | (3) Spectaculum Historicum. Historisches Schau=Spiel/ | ||
+ | **Literatur: | ||
+ | Klaus-Dieter Herbst: Das Neueste im Jahresrhythmus. Zur Professionalisierung des Kalenderwesens im 17. Jahrhundert. In: Astrid Blome und Holger Böning (Hrsg.): Presse und Geschichte. Leistungen und Perspektiven der historischen Presseforschung. Bremen 2008 (= Presse und Geschichte – Neue Beiträge Bd. 36), S. 97–124. Zu Richter: S. 62–69.\\ | ||
+ | Klaus-Dieter Herbst: Die Schreibkalender für das Jahr 1670. In: Peter Heßelmann (Hrsg.): Grimmelshausen als Kalenderschriftsteller und die zeitgenössische Kalenderliteratur. Bern, Berlin, Brüssel, Frankfurt am Main, New York, Oxford, Wien 2011 (= Beihefte zu Simpliciana 5), S. 33–73. Zu Richter: S. 107–111.\\ | ||
+ | Klaus-Dieter Herbst: Die Schreibkalender im Kontext der Frühaufklärung. Jena 2010 (= Acta Calendariographica – Forschungsberichte, | ||
+ | Klaus-Dieter Herbst: Der Jahres-Zeiger Schreib-Kalender von Christoph Richter (1618–1680). Online-Publikation vom 24.11.2008, [[http:// | ||
+ | **Quellenzitate: | ||
+ | (1) „Es hat mich aber zur Calendariographia von Jugend auff angetrieben die Lust zu den Studiis Mathematicis, | ||
+ | (2) „Aber ich kann mit Warheit bekennen/ daß meine Natur von Jugend auff curieux, vorwitzig und sorgfältig gewesen viel seltzames zu wissen und zu erfahren/ und unter andern sonderlich die Mysteria Astrologica, | ||
+ | (3) Mit Blick auf dieselbe schrieb Richter im Kalender für 1675: „In meiner Jugend/ wenn ich Marci Freundes/ und andere dergleichen Kalender=Weissagungen lase: dachte ich/ den Mann möchte man in Gold einfassen/ der so auß dem Gestirne kann propheceyen: | ||
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+ | Erstellt: 24.04.2014\\ | ||
+ | Letzte Aktualisierung vor 20.01.2020: 13.11.2019\\ | ||
+ | Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 04.05.2023 | ||