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Jacobi, Valentin

„M. Valentinus Jacobi Weissenseianus“; „pastor Linderpaginus, der Mathematischen Künsten besonder liebhaber“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1587, 1589)
* ca. 1555 Weißensee bei Erfurt, † nach 1597 Linderbach bei Erfurt [?]
Kalender seit mindestens 1586, verfaßt bis mindestens 1597

Valentin Jacobi wurde in Weißensee, einer Stadt etwa 20 km nördlich von Erfurt, geboren (vgl. Titelei 1587). Über die Eltern konnten keine Einzelheiten ermittelt werden. Offenbar verbrachte er seine Kindheit in Erfurt, denn bei der Immatrikulation an der dortigen Universität im Wintersemester 1573/74 bezeichnete er sich als „Erphordensis“ (Weissenborn, 1884, S. 429 „Valentinus Iacobus Erphordensis“). Aus dem Zeitpunkt der Immatrikulation wird auf das ungefähre Geburtsjahr geschlossen. Am 30. Januar 1583 wurde er in Erfurt zum Magister promoviert (Mandt, 1583). Um 1588 (vgl. die Titeleien 1587 und 1589) wurde der Magister Jacobi Pfarrer in Linderbach, einem Dorf unweit von Erfurt. Über seine persönlichen Beziehungen geben die Widmungen der Kalender Anhaltspunkte. So dedizierte er den Kalender für 1587 den „Herren/ Herrn Günthern/ Herrn Antonio Heinrich/ Herrn Johanni Günthern/ vnnd Herrn Christiano Günthern/ Gebrüdere/ der Vier Grafen des H. Römischen Reichs/ Grafen zu Schwartzburg/ Herrn zu Arnstadt/ Sondershausen vnd Leutenbergk/ Söhnen vnd Jungen Herrn/ des Wolgebornen Herrn/ Herrn Hans Günthern/ Grafen zu Schwartzburgk/ etc.“ (Prognostikum, S. A1b), den für 1589 „Herrn Sebastiano Pirckner/ Obersten Bürgermeister der alten Keiserlichen Reichsstadt Mülhausen in Thüringen/ seinem besonder Mecaenati vnd Beförderer“ (Prognostikum, S. A2a), den für 1590 den Bürgermeistern und Ratsherren der Stadt Nürnberg (Prognostikum, S. A2a) und den für 1591 den „Herren/ Sigismundo von der Sachsen/ vnnd Johann Gebhart/ beiden Rathismeistern vnd Schloßherren zu Erffordt“ (Prognostikum, S. A2a).
Daß Jacobi neben den zweiten Teilen, den Prognostiken, jedes Jahr bis mindestens für 1597 (vgl. Zinner, 1941/64, S. 315 „Vorhersage für 1597“) auch einen Schreibkalender verfaßte, folgt aus Bemerkungen in den Prognostiken. So schrieb Jacobi im Prognostikum für 1587: „habe ich auch nach dem gemeinen Nutz zu gute vnd besten/ auff das künfftige 1587. Jhar abermals ein Calendarium vnd Practicam Physicam gestellet“ (S. A2b), woraus folgt, daß er schon ein Jahr zuvor Kalender und Prognostikum herausgegeben hat. Später heißt es im Prognostikum für 1590: „Ob ich zwar hinförder ein Calendarium vnd Physicum Prognosticon zu stellen nicht im willens gewesen/ jedoch […]“ (S. A2a), und für 1591: „hab ich auch noch auff diß 1591. Jahr nach vnsers Herrn Jesu Christi Geburt/ ein Diarium sampt einem Prognosticon/ hinden gesetzt alle Superstition, aus dem Astronomischen fundament gerechnet vnd gestellet“ (S. A3b). Im Prognostikum für 1590 führte er weiter aus, daß es viele Gründe geben würde, nicht mit dem Schreiben von Kalendern und Prognostiken fortzufahren. Schließlich habe er sich aber doch dazu entschlossen, unter anderem deswegen, damit den Kalenderschreibern, die die Sache „nicht recht verstünden“, Kalender mit richtigem (astronomischem) Grund entgegengehalten werden können (siehe Quellenzitat). Die zwei Seiten umfassende Stellungnahme Jacobis ist ein seltenes Dokument über die Situation im Kalenderwesen um 1590 und wird deshalb vollständig wiedergegeben.
Der Kalenderdruck in Erfurt umfaßte um 1590 auch die Kalender von → Johannes Reinstein, → Hector Mithobius d. Ä., → Valentin Steinmetz und → Johannes Krabbe.

Titel:
1586[?]–1597[?]: [Diarium] (kein Exemplar ermittelt).
Druck und Verlag:
Johann Beck, Erfurt.
Nachweis:
Zinner, 1941/64, S. 291, Nr. 3258 (Vorhersage für 1587) und passim (bis 1597). ZKAAD, 1987–1993, Teil 4, S. 331 (für 1589), S. 332 (für 1590). VD16. CERL.
Online:
1591 Prognostikum [19.04.2016].
Quellenzitat:
„Ob ich zwar hinförder ein Calendarium vnd Physicum Prognosticon zu stellen nicht im willens gewesen/ jedoch bin ich aus hefftigem Anhalten vnd Vermanung vornehmer Leut hierinnen fortzufahren/ vnd auch diß Jahr zu schreiben beweget worden.
Es sind aber vornemlich nachfolgende Vrsachen/ darumb ich hinförder Calender oder Practicken zu schreiben/ ein Bedencken getragen.
Als erstlich/ hat mich hierzu beweget/ die grosse Beschwerligkeit meines Ampts. Dan ist je vnd allwege das Ampt eines trewen Seelsorgers vnd Pfarherrs sorglicher vorgefallen/ vnd voller Mühe gewesen/ so ist es in Warheit itziger Zeit/ da nicht allein die Welt auff die todte Neige kommen/ allerley Laster im schwange gehen/ vnd niemand sich den heiligen Geist mehr wil regieren vnd straffen lassen/ sondern auch gefährliche vnd schreckliche Irrthümer/ vornemlich der Calvinisten vnd Sacrament Schmermer ie mehr vnd mehr einreissen.
[S. A2b] Die ander bewegliche Vrsache ist [?]anitas canonum/ welche erstlich daher rührt/ daß in so vielen Jahren die fixae stellae ex novis observationibus, vnd daher der mittel Lauff der Planeten nicht recht rectificirt sein/ welches/ wie ich verhoffe/ vom hochgelärten vnd vornemen Astronomo M. Michaele Moestlino Mathematum inclyta Tubinga Professore dignis. (utpote in quodam scripto omnem se astronomiamm radicitus renovaturum, pollicitus est) beschehen wird. Daher dan der ware Lauff der Planeten nicht so richtig sein kan/ wie sol dan auch das judicium astrologicum so wol vnd genaw zustimmen?
Zudem hat mich auch nicht wenig beweget/ daß die edle vnd treffliche Kunst Astronomia also in grosse Verachtung kommen ist/ welche doch die Alten hoch vnd werth gehalten haben. Dan wer sihet nicht/ wie Astronomia nit allein bey dem gemeinen Pöfel/ sondern auch offtmals von etlichen Gelärten veracht/ wo nicht gar verworffen wird? Vnd das noch mehr ist/ von etlichen Theologen, die doch omnipotentiam & providentiam DEI daraus erkennen solten. Similiter á quibusdam arti medicae deditis id fieri experienta testatur, sed quomodo ejusmodi scioli hujus artis imperiti hominis complexionem indagare, atque aegrotum commodè curare possint, valde miror.
Vber das/ hette mich auch schier abgehalten/ die grosse Vndanckbarkeit der itzigen Welt. Dan wer acht doch das für eine sonderliche Gabe GOTTES? Ja/ wer danckt GOTT dafür/ daß er jetziger Zeit ein Calender vnd järliche Nachrichtigung/ welche nicht ohne grosse Mühe vnd Vnkosten gestellet/ vmb so ein gering Gelt/ als vier oder fünff Pfennige käuffen kan? welches vns für 150. Jahren/ vor Regiomontani Zeiten nicht hat widerfaren können. Ja/ man hat vor etlichen hundert Jahren niemand funden/ der dieser Kunst obgelegen/ als Könige vnd vornehme Potentaten.
Item/ wo findet man doch jetziger Zeit Patronen/ welche hujus artis cultores mit jhrer liberalitet vnd Freygebigkeit beförderten? Warhafftig/ werden ihr nicht so gar viel befunden. Wan man dan nichts vor seine gehabte Mühe/ Arbeit vnd Vnkosten haben soll/ wen wolt dan solches nicht bewegen?
Weiter/ so ist mir auch nicht wenig zu Gemüt gangen/ die Confusion, welche Bapst Gregorius XIII. mit seiner reformation des Calenders eingeführet hat. Da ich verhoffet/ es solt diese controversia durchs H. Römische Reich cassirt vnd auffgehaben/ vnd ein bessere des Calenders Emendation ex ipsis fundamentis astronomicis fürgelegt vnd publicirt werden. Weil aber solches/ so viel mir bewust/ nicht geschehen vnd ich gleich wol die Correction järlich zusetzen mit meinem Trucker mich verstri= [S. A3a] chet habe/ hat mir solches auch bedäncklichen vorfallen wollen: Jedoch bin ich der Hoffnung/ weil ich der gedachten newen Correction nicht beyfalle/ sondern nur zu des gemeinen Mannes Nutz vnd Nachrichtigung setze/ man wird mich hierinnen entschüldiget halten.
Endlich/ so hat mich auch sehr beweget/ nimia ingeniorum nostri temporis petulantia. Dan wer sihet nicht/ wie ihr etliche mit Calender schreiben sich herfür thun? welche/ wenn man sie solte examiniren, auch wol doctrinam puerilem de circulis nicht recht verstünden. Aber sie dencken/ wenn sie ein wenig usum Ephemeridum verstehen/ (ja/ wenn sie ihn nur recht verstünden) vnd etliche astrologische Regeln oben hin angesehen/ so sey es genug/ schreiben darnach Calender/ ribs/ rabs oben hin/ nur darumb/ daß sie in grosses Ansehen kommen wollen/ vnd bey dem gemeinen Mann gros geachtet werden.
Vber sölche klaget nicht wenig Hieron. Cardanus in commen. lib. 2. Quadr. Ptolem. pag. 157. ubi sic inquit. Plaerique malunt videri quim esse. Das ist: Ein jeder wil die Ehre han/ Vnd seinen Kopff nicht strecken dran.
Sihe dieses vnd dergleichen hette mich schier vom schreiben abgehalten/ wo ich durch obgesetzte Vrsachen nicht fort zu faren bewegt/ vnd durch dieselbigen vber wunden worden.“ (Valentin Jacobi: Kalender für 1590, zweiter Teil, S. A2a–3a, Exemplar der MB Halle, R 3.67 (34)).

Erstellt: 20.04.2016
Letzte Aktualisierung: 01.10.2019

jacobi_valentin.txt · Zuletzt geändert: 2019/10/01 16:34 von klaus-dieter herbst