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Schöner, Johannes

Johannes Schöner

„Johannes Schoner von Karlstat“; „Johann Schöner von Karlstat der Astronomey verordentleser zu Nürmberg“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1504; 1529 der Reihe 2)
* 16.1.1477 Karlstadt/Main, † 16.1.1547 Nürnberg
Laßtafel seit 1504, Kalender seit mindestens 1527, verfaßt bis 1547

Johannes Schöner wurde am 16. Januar 1477 im ca. 20 km nordöstlich von Würzburg gelegenen Karlstadt am Main geboren (Will, 1755, Bd. 3, S. 559; Maruska, 2008, S. 15 mit Hinweis auf Schöners Tagebuch, in das dieser seinen Geburtstag notierte). Von den Eltern sind nur der Name und der Sterbetag des Vaters bekannt: Petrus Schoner, gest. 18.11.1496 (Maruska, 2008, S. 16). Vom Herbst 1494 an studierte er an der Universität in Erfurt Philosophie, Mathematik, Medizin und Theologie (Weissenborn, 1884, S. 185 [1494. Mich.] Iohannes Schoner de Karstadt t[otu]m.“). In Erfurt wurde er am 21. März 1498 zum Baccalaureus Artium promoviert (Maruska, 2008, S. 16; Schwinges/Wriedt, 1995, S. 257).
Nach dem Studium leitete Schöner vom 22. Februar bis 20. September 1499 die Schule in Gemünden bei Würzburg (Maruska, 2008, S. 16). Er kehrte zurück nach Erfurt, wo er am 13. Juni 1500 die Priesterweihe erhielt (ebd.). Am 2. Februar 1501 verließ er Erfurt in Richtung Bamberg und übernahm am 18. April 1501 eine Anstellung als Kaplan in Hallstadt bei Bamberg (ebd., S. 17). Vom 4. Juni 1504 bis 4. Mai 1506 wirkte Schöner als Vikar in seinem Geburtsort Karlstadt (ebd.). Danach ging er nach Bamberg.
Seit 20. Mai 1499 lebte Schöner mit Kunigunde Holocher zusammen. Vermutlich haben beide auch heimlich geheiratet, was aus einem Tagebucheintrag vom 3. November 1503 gefolgert werden könnte (Maruska, 2008, S. 17 zitiert den Eintrag). Wielange beide gemeinsam lebten, ist nicht bekannt, vielleicht bis 1524 (ebd. u. S. 40). Sie hatten mindestens drei Kinder: Johannes (geb. 1.2.1501), Sibilla (geb. 12.6.1503) und Vitus (geb. 21.11.1504). Ob Kunigunde auch die Mutter des vierten Kindes, des Sohns Heinrich (geb. 23.10.1513) ist, bleibt unklar (ebd., S. 18).
Neben seinem Wirken ab 1507 in Bamberg soll Schöner seit 1516 auch Pfarrverweser in dem Dorf Kirchehrenbach bei Forchheim gewesen sein (Maruska, 2008, S. 23; Schmeidler, 2007, S. 405; Matthäus, 1969, Sp. 1022; Zinner, 1956/79, S. 528). Während der Zeit in Bamberg suchte Schöner Kontakt zu den Humanisten Johann Seiler in Bamberg sowie Lorenz Beheim und Willibald Pirckheimer in Nürnberg (Maruska, 2008, S. 24). Im Dezember 1523, vielleicht schon einige Monate früher, mußte Schöner Bamberg verlassen, weil er den Verpflichtungen als Geistlicher des Stifts St. Jacob nicht nachgekommen war, und wurde nach Kirchehrenbach als Frühmesser strafversetzt (ebd., S. 27, 33f.). Ob dem auch der Vorwurf seitens der kirchlichen Obrigkeit, Schöner sei Lutheraner, zugrunde lag, kann nicht entschieden werden (ebd., S. 33). Dort waren die Umstände für Schöners Aktivitäten ungünstig und er versuchte mehrmals, wieder nach Bamberg zurückversetzt zu werden. Nachdem das nicht gelungen war, ergriff er 1526 nach anfänglichem Zögern die Gelegenheit, als Lehrer für Mathematik an das neugegründete evangelische Gymnasium in Nürnberg zu wechseln (ebd., S. 43). Seit Anfang August 1526 lebte Schöner in Nürnberg und lehrte für jährlich 100 Gulden am Egidiengymnasium – die Pfründe von 50 Gulden als Geistlicher entfielen fortan (ebd., S. 45, 51, 55). Verbunden mit dieser Stelle als Lehrer war das Amt des Nürnberger Kalendariographen, d. h. die Pflicht, die jährlichen Laßzettel, Kalender und Prognostiken zu erstellen (Matthäus, 1969, Sp. 1028; vgl. Matthäus, 2010b; Maruska, 2008, S. 57). Ein von Hans Springinsklee 1528 gemaltes Bildnis (Landesmuseum Hannover) zeigt den Lehrer und Kalendermacher Schöner im Alter von ungefähr 50 Jahren. Als Schöner im Sommer 1546 die Lehrtätigkeit aufgab, übernahm → Joachim Heller dessen Stellung.
Einer seiner Schüler am Egidiengymnasium war → Abdias Sixtus Wickner. Ob → Paul Fabricius ebenfalls ein Schüler Schöners war, wie in der Literatur vermutet, wird hier bezweifelt, denen es fehlen für eine solche Annahme belastbare Quellen.
In Nürnberg heiratete Schöner am 7. August 1527 Anna Zeler (Maruska, 2008, S. 59 mit Verweis auf das Kirchenbuch zu St. Sebald). Zuvor war er „zum Protestantismus übergetreten“ (ebd., S. 60). Aus dieser Ehe gingen die Kinder Andreas (geb. 1528), Conrad (get. 16.8.1533), Burckhard (get. 11.10.1535) und Anna (get. 9.3.1537) hervor (ebd., S. 61). Mitte März 1537 starb Schöners Frau und der Witwer, der damals noch zwei kleine Kinder versorgen mußte, heiratete umgehend am 15. Mai 1537 erneut, diesmal Veronica Koch (gest. 1548), deren Ehe kinderlos blieb (ebd.). Schöner starb am 16. Januar 1547 (ebd., S. 62 mit Verweis auf das Nürnberger Totengeläutbuch).
Schöner hatte sich eine eigene Druckerei aufgebaut, so 1515 in Bamberg, 1523 in Kirchehrenbach (Maruska, 2008, S. 117f.; Reske, 2007, S. 56, 416) und 1534 in Nürnberg (Reske, 2007, S. 674). Er druckte zahlreiche eigene Werke und die anderer Autoren, ließ die Werke aber auch in den Offizinen anderer Drucker herstellen (aufgeführt in Maruska, 2008, S. 113–130). Die Schriften befassen sich mit Astrologie, Astronomie, Mathematik, Medizin und Geographie (zusammenfassend dargestellt in ebd., S. 132–149), eingeschlossen sind die Laßzettel, Jahreskalender und Prognostiken (Matthäus, 1969, Sp. 1022–1025). Von wissenschaftshistorischer Bedeutung sind die Editionen einzelner Manuskripte der Astronomen Regiomontanus (1436–1476) und Bernhard Walther (1430–1504), zu deren Nachlässen er in Nürnberg Zugang hatte. Schöner stand auch die von Regiomontanus hinterlassene über 140 Bände umfassende Bibliothek zur Verfügung (Matthäus, 1969, Sp. 1380). Zu würdigen ist Schöner auch als Konstrukteur von Globen, bei deren Herstellung in „Massenproduktion“ er eine „Vorreiterrolle“ innehatte (Maruska, 2008, S. 375), und von mathematisch-astronomischen Instrumenten (ebd., S. 151–164; Zinner, 1956/79, S. 528f.). Schöner gilt als der bedeutendste Mathematiker seiner Zeit. Die Astronomen Erasmus Reinhold d. Ä., Georg Joachim Rheticus und Joachim Heller verehrten Schöner als ihren gemeinsamen Lehrmeister (Burmeister, 2015, S. 537; zu Schöner als Astrologe vgl. Brosseder, 2004, passim).
Überliefert sind 19 Briefe von Schöner an Pirckheimer (Maruska, 2008, S. 34, gedruckt S. 252–290), 5 Briefe zwischen Ottheinrich von der Pfalz und Schöner (ebd., S. 63, gedruckt S. 291–298, 304f.) sowie einige handschriftliche Rezepte, die Schöner als Mediziner ausweisen (ebd., S. 306–309). Das überlieferte Tagebuch Schöners enthält auch Wetteraufzeichnungen für den Zeitraum vom 28.2.1481 bis 25.1.1486 (gedruckt in ebd., S. 202–224). Schöner gehörte zum „Melanchthon-Zirkel“ (Burmeister, 2015, S. 537); ein Briefwechsel zwischen Schöner und Philipp Melanchthon ist belegt (Melanchthon, 1977, Bd. T5, S. 31f., Bd. T7, S. 195–199, Bd. T13, S. 503).
Als Verfasser von Jahreskalendern bzw. Laßtafeln trat Schöner ab dem Jahr 1504 auf. Damals veröffentlichte er eine Aderlaßtafel, die von Johann Pfeil in Bamberg gedruckt wurde (überliefert in der UB Erlangen; Maruska, 2008, S. 22, abgebildet in Hofmann-Randall, 2003, S. 434). Vermutet wird in der Literatur, daß Schöner von da an jährlich Kalender und Prognostiken verfaßte, die Überlieferung solcher Drucke beginnt jedoch erst mit zwei Almanachen für 1529 (Reihen 2 und 3; zusätzlich ist nur noch ein deutscher Almanach für 1539 vorhanden) und einem deutschen Prognostikum für 1532. Sicher anzunehmen ist, daß er seit 1526 Kalender für 1527 und die folgenden Jahre verfaßte, denn er trat „gleich nach der Übernahme seiner Mathematiklektur wieder als Kalendermacher auf, wie es die Ratsverlässe erweisen“ (Matthäus, 1969, Sp. 1022). Von den Prognostiken sind Exemplare für die Jahre 1532, 1534–1543 und 1547 überliefert (vgl. ebd., Sp. 1023). An der Erfindung des „Schreibkalenders“ in Quart, die 1539 in Nürnberg gelang, hatte der damals weithin bekannte Astronom und Kalendermacher offenbar keinen Anteil (vgl. → Dionysius Sibenburger).

Titel:
Deutsche Kalender:
(1) 1504–[?]: Aderlaßtafel, Format 2°, Einblattdruck.
(2) 1527–1539[?]: Almanach, Format 2°, Einblattdruck.
Lateinische Kalender:
(3) [1527?]–1529[?]: Pragense Diarium, Format 2°, Einblattdruck.
Deutsches Prognostikum:
(4) 1527–1547: Prognosticatio oder practica deutsch [oder nur: Practica; oder nur Prognostication], Format 4°.
Lateinisches Prognostikum:
(5) [?]–1547: Prognosticon Astrologicon, Format 4°.
Druck und Verlag:
(1) 1504: Johann Pfeil, Bamberg.
(2) 1529: ?, [Nürnberg ?], 1539: [Kunigunde Hergot?], Nürnberg.
(3) 1529: ?, [Nürnberg ?].
(4) 1532[?]–[1533?]: Friedrich Peypus, Nürnberg, 1534[?]–1540: Kunigunde Hergot, Nürnberg, 1541–1543[?]: Georg Wachter, Nürnberg. [1544?]–1547: Johann vom Berg und Ulrich Neuber, Nürnberg.
(5) 1547: Johann vom Berg und Ulrich Neuber, Nürnberg.
Nachweis:
Matthäus, 1969, Sp. 1361. Zinner, 1941/65, S. 170, Nr. 1394, 1395 (Ex. für 1529 der Reihen 1, 2) und passim. ZKAAD, 1987–1993, Teil 4, S. 305–309, Nr. 3753, 3762, 3775, 3783, 3804 (Prognostiken für 1534, 1538, 1541, 1543, 1547). CERL. VD16.
Online:
(2) 1529,
(3) 1529,
(4) 1532, 1539, 1540,
(5) 1547 [25.02.2019].
Andere Drucke:
Monika Maruska liefert in ihrer Dissertation (2008) eine Übersicht über alle von Schöner selbst verfaßten Schriften sowie über alle von ihm herausgegebenen Drucke anderer Autoren. Ein Verzeichnis im Internet findet man an anderer Stelle, siehe die Bibliographie zu Schöner. [25.02.2019].
Literatur (Auswahl):
Ernst Zinner: Die fränkische Sternkunde im 11. bis 16. Jahrhundert. Bamberg 1934 (= XXVII. Bericht der Naturforschenden Gesellschaft). Zu Johann Schöner: S. 28–33, 99–103 (nicht eingesehen).
Klaus Matthäus: Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens. Die Entwicklung der in Nürnberg gedruckten Jahreskalender in Buchform. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Frankfurt am Main 1969, Bd. IX, Sp. 967–1396. Zu Johann Schöner: Sp. 1020–1026.
Felix Schmeidler: Art. „Schöner, Johannes“. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 23 (2007), S. 405–406 [21.02.2019].
Monika Maruska: Johannes Schöner – „Homo est nescio qualis“. Leben und Werk eines fränkischen Wissenschaftlers an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Dissertation (Dr. phil.), Universität Wien. Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät. Nicht gedruckt. 2008. Online [21.02.2019].
Karl Heinz Burmeister: Magister Rheticus und seine Schulgesellen. Das Ringen um Kenntnis und Durchsetzung des heliozentrischen Weltsystems des Kopernikus um 1540/50. Konstanz, München 2015 (= Forschungen zur Geschichte Vorarlbergs, Bd. 11 N. F.). Zu Johann Schöner: S. 535–538.
Astronomie in Nürnberg. Art. „Johannes Schöner“. Online [21.02.2019].

Erstellt: 25.02.2019
Letzte Aktualisierung: 24.11.2019

schoener_johannes.txt · Zuletzt geändert: 2019/11/24 11:23 von klaus-dieter herbst