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Praetorius, Johann

Johann Praetorius

„M. Iohann. Praetorius, außm Jochimsthal/ verordneter Astronomus zu Nürnberg/ vnd Professor der Schul zu Altdorff“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1584, Reihe 2)
* 1537 Joachimsthal/Böhmen, † 27.10.1616 Altdorf
Kalender seit 1577, verfaßt bis 1616

Johann Praetorius wurde 1537 in Joachimsthal in Böhmen (nicht Brandenburg) geboren. Ein Bruder seiner Mutter war der Reformator Johannes Mathesius (1504–1565) in Joachimsthal (Will, 1755, Bd. 3, S. 225). Dieser erwähnte den Tod seines „allerliebsten Schwehers“, Paul Richters, am 10. Januar 1559 in seiner „Postilla Prophetica“ (Matthesius, 1589, S. 68v; für den am 17.2.2019 gegebenen Hinweis auf diese Quelle danke ich Dr. Hans Gaab, Fürth). Somit könnte dieser Paul Richter der Vater von Johann Prätorius gewesen sein. Ein Bruder von Johann war Paul Praetorius (gest. 28.12.1584), 1552 Lehrer an der Schule zu St. Lorenz in Nürnberg und 1561 als Nachfolger von Sebald Heiden (1499–1561) Rektor der Schule zu St. Sebald (Will, 1755, Bd. 3, S. 224f.). Johann studierte seit dem 16. Mai 1557 an der Universität in Wittenberg (Förstemann, 1841, Bd. 1, S. 329 „[1557] Mense Maio. 16. Johannes Praetorius Vallensis, Mathesii affinis“, hier der Hinweis auf die durch Heirat entstandene Verwandtschaft mit Mathesius). Nach dem Studium wurde er nach Nürnberg gerufen, wo er von 1562 bis 1568 mathematische und astronomische Instrumente mit großem Erfolg anfertigte (Zinner, 1956/79, S. 471f.). 1569 wandte er sich nach Prag und Wien, wo er mit dem Geistlichen Andreas Dudith (1533–1589) zusammenkam (und ihm später nach Breslau und Krakau folgte) und Kaiser Maximilian II. in Mathematik unterrichtete (Will, 1755, Bd. 3, S. 226). 1571 erhielt Praetorius eine Professur für Mathematik an der Wittenberger Universität. „1575 gieng er, ohne Zweifel wegen der Cryptocalvinischen Unruhen, von Wittenberg weg und wieder zu dem Dudith nach Pohlen. Dieser schickte ihn nach Regensburg zu dem Kaiser, bey dem er auch den 9. Aug. 1576 Audienz hatte“ (Will, 1755, Bd. 3, S. 226). Am 9. November 1576 wurde er mit einem Jahresgehalt von 160 Gulden als Astronom von der Stadt Nürnberg (als offizieller Kalendariograph, vgl. Matthäus, 2010b, S. 191f.) angestellt und als Lehrer für Mathematik an die 1575 nach Altdorf verlegte Schule zu St. Egidien abgeordnet (Matthäus, 1969, Sp. 1045; 1578 wurde die Schule zur Akademie erhoben und 1622 in eine Universität umgewandelt). „Er wurde vornemlich des Kalender=Wesens wegen hieher vociret“ (ebd., S. 227). Hier heiratete er 1579 Helena Siegel (gest. 1636), mit der er zwei Söhne und sieben Töchter hatte (ebd., S. 228). Als Professor an der Universität und als Erfinder mathematischer Instrumente erlangte er unter den Gelehrten hohes Ansehen. Er starb am 27. Oktober 1616. Sein Nachlaß mit zahlreichen Manuskripten wurde „der Altdorfischen Bibliothek 1641“ übergeben (Will, 1755, Bd. 3, S. 228 mit einer Auflistung aller Manuskripte S. 229f.).
Den ersten Kalender samt Prognostikum verfertigte Praetorius für 1577 als Nachfolger des verstorbenen → Christian Heiden als offizieller Kalendariograph von Nürnberg (Matthäus, 2010b, S. 191). Das zu einem Schreibkalender in quart gehörige Prognostikum schrieb er jedoch nur bis Anfang der 1580er Jahre (die letzte überlieferte Schrift ist die für 1581 in der HAB Wolfenbüttel, vgl. aber Hellmann, 1924, S. 29, wonach Praetorius bis für 1598 Prognostiken veröffentlicht haben soll). Er lehnte die astrologische Deutung der Himmelserscheinungen grundsätzlich ab, weil die Regeln dafür „von den alten Chaldäern und Arabern“ stammen und zu höchst unsicheren Aussagen führen würden (Matthäus, 1969, Sp. 1046). Dagegen anerkannte er als einzige verläßliche Quelle für Vorhersagen die heilige Schrift und damit „die Autorität des Gotteswortes“ (ebd., Sp. 1047; vgl. Quellenzitat). Mit dieser Haltung war er unter den Kalendermachern damals allein. Sein Nachfolger als Nürnberger Kalendariograph, → Johann Caspar Odontius, schrieb wieder die jährlichen Prognostiken.

Titel:
(1) 1577–1616: Schreib Calender, Format 4°.
(2) 1577–1616: Schreib Calender, Format 8°.
Druck und Verlag:
(1), (2) 1577–[1586?]: Valentin Neuber, Nürnberg, 1587[?]–[1589?]: Nicolaus Knorr, Nürnberg, 1590[?]–1597: Christoph Lochner d. Ä. (und Johann Hofmann bis 1593), Nürnberg, 1598–1608: Valentin Fuhrmann, Nürnberg, 1609–1616: Georg Leopold Fuhrmann, Nürnberg.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 135. Matthäus, 1969, Sp. 1359. VD16a und VD16b. VD17.
Online:
(1) 1587 Kalendarium [21.04.2016].
Andere Drucke:
(1) De Cometis, Qui Antea Visi Svnt, Et De Eo, Qvi Novissime Mense Novembri Apparvit […]. Nürnberg 1578. BSB München, Res/4 Astr. p. 514,19. Online [21.04.2016]. Und in anderen Bibliotheken.
(2) Narratio Oder Historische erzelung dern Cometen/ so vor diser zeit sind gesehen worden/ vnd dann auch dessen/ so jüngst im Monat Nouember erschienen ist […]. Nürnberg 1578. BSB München, Res/4 Astr. p. 514,20. Online [21.04.2016]. Und in anderen Bibliotheken.
(3) Problema, quod iubet Ex Qvatvor Rectis Lineis Datis Qvadrilaterum fieri, quod sit in Circulo. Nürnberg 1598. BSB München, 4 Math. p. 277. Online [21.04.2016]. Und in anderen Bibliotheken.
Literatur:
Klaus Matthäus: Zur Geschichte des Nürnberger Kalenderwesens. Die Entwicklung der in Nürnberg gedruckten Jahreskalender in Buchform. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Frankfurt am Main 1969, Bd. IX, Sp. 967–1396. Zu Johann Praetorius: Sp. 1044–1047.
Quellenzitat:
„Vnd ist also diß Prognosticon, auß erzelten Reuolutionibus, nach lehre Ptulomaei [sic], der Arabum, vnd newer Astrologen gezogen/ wöllen darneben keines weges den constellationibus, das jenige zuschreiben/ das jnen nit gebüret. Was aber dauon zu halten sey/ ist vielfeltig/ so wol von Alten als den jetzigen newen Practicanten/ neben vnsern Praeceptoren erklert worden/ Muß bekennen das mancher vil/ ex decretis & regulis Astrologorum saget/ deß er selbst nicht gnugsame vrsachen sihet oder verstehet. Ein Christ/ der mit Gottes Wort recht vnterricht/ weiß wol/ wo er widerwertigkeyt hülff suchen/ auch wem er die schuld geben sol/ Deßgleichen da jhm ein glück widerfehrt/ wem ers zu dancken hab. Was auch verstendige gelehrte Leut sint/ wissen/ disen Studijs auch gebürlichen rhum vnd beförderung zu geben.“ (Johann Praetorius: Schreib Calender für 1580 (Reihe 1), zweiter Teil, S. B2b–3a).

Erstellt: 21.04.2016
Letzte Aktualisierung: 20.02.2019

praetorius_johann.txt · Zuletzt geändert: 2019/02/20 11:35 von klaus-dieter herbst