Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


gibel_otto

Gibel, Otto

„Otto Gibelius Sch. Mind. Cant.“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1678)
* 1612 Burg auf der Insel Fehmarn, † 20.10.1682 Minden
Kalender nur [?] 1678

Otto Gibel wurde 1612 in Burg auf der Insel Fehmarn geboren. Dort war sein Vater Abraham (gest. 1629), der in Torgau geboren worden war und in Wittenberg studiert hatte, seit 1608 Pfarrer und Propst (Ganse, 1934, S. 10; Ganse stützte sich unter anderem auf Moller, 1744 und Jöcher, 1750/51 sowie Mattheson, 1740/1910 und Gerber, 1812). Die Mutter Catharina war eine Tochter des Lübecker Schulrektors Otto Walper, genannt Gual(t)perius (1546–1624) (Ganse, 1934, S. 11). Aufgrund der auf Fehmarn wütenden Pest verließ Gibel im jugendlichen Alter die Insel und zog 1629 nach Braunschweig zu seinen Verwandten Ennius Zigenmarus und Tobias Thyläus (Mattheson, 1740/1910, S. 90). Dort wurde der 1631 aus Magdeburg gekommene Heinrich Grimm sein Musiklehrer an der Catharinen-Schule. Ohne zuvor Gelegenheit gehabt zu haben, an einer Universität zu studieren, übernahm Gibel 1634 das Kantorat in Stadthagen. Aus dessen Zeit in dieser Stadt ist die Korrespondenz von Gibel mit dem Rat der Stadt und dem Grafen zu Schaumburg-Lippe im Stadtarchiv Stadthagen überliefert (Sign. K 86 nach Ganse, 1934, S. 13). Demnach stand Gibel am Ende seiner acht Jahre in Stadthagen aus den Jahresgehältern noch die Summe von „338 Thaler 3 Groschen 6 Pfennige“ zu (Ganse, 1934, S. 14). 1642 wurde Gibel Subkonrektor und 1648 Kantor in Minden, wo er den hochbetagten Kantor Martin Scheffer (gest. 23.10.1652) ablöste (ebd., S. 15, 23). In Minden entwickelte Gibel eine rege Tätigkeit als Kantor und Direktor der Chormusik. „Das Modernste, was damals in Deutschland komponiert wurde, die kleinen geistlichen Konzerte Heinrich Schützens, werden sogleich dem Unterricht dienstbar gemacht“ (ebd., S. 24). Mit Schütz (1585–1672), dem bedeutendsten Komponisten des 17. Jahrhunderts, wechselte Gibel Briefe (Ganse, 1934, S. 66).
Über Gibels Familienleben ist bekannt, daß er dreimal heiratete. Die Namen der Frauen konnten nicht ermittelt werden. Die erste Frau starb 1653 (ebd., S. 24). 1660 starb auch seine zweite Frau. Sie soll von der Hebamme Marie Mönck, die 1671 93jährig als Hexe verklagt wurde, vergiftet worden sein (ebd., S. 25, 76). Aus den Ehen sind auch Kinder hervorgegangen, denn am 1. Juni 1670 starb eines (ebd., S. 26), 1676 ein weiteres. 1677 starb seine dritte Frau (ebd., S. 27). Ein weiterer Sohn starb beim Baden. Der einzige mit Namen bekannte Sohn Otto Friedrich Gibel studierte ab dem 29. September 1689 an der Universität in Kiel (ebd., S. 27, Anm. 1). Otto Gibel starb hochgeehrt am 22. Oktober 1682 in Minden (vgl. Oldekop, 1682). Sein Nachfolger im Amt des Kantors wurde Johann Heinrich Keppler (Ganse, 1934, S. 27, 74) aus der Familie von → Johannes Kepler.
Gibel veröffentlichte nicht nur ein Schulbuch für den Musikunterricht (anderer Druck, Titel 1), sondern auch Bücher zur Musikdidaktik und -theorie. Diese verfaßte er auch „in unser Teutschen Muttersprache/ sintemal nicht alle bey uns in Teutschland/ so der Music verwandt und zugethan/ der Lateinischen Sprach kündig und erfahren“ (Gibel, 1666 (anderer Druck, Titel 5), Vorrede, unpag.). Sein Vorhaben, Lehrbücher über die gesamte Musiktheorie zu veröffentlichen, konnte er nicht vollständig umsetzen. Er veröffentlichte nur einen Teil „über die mathematisch-physikalischen Grundlagen der Musik“ (siehe den anderen Druck, Titel 4), den er ausschnittsweise mit einer anderen Schrift über die „mathematische[] Intervallbestimmung und Probleme der musikalischen Temperatur“ (siehe den anderen Druck, Titel 5) vertiefte (Ruhnke, 1964, S. 368).
Daß der Kantor und Musiker Otto Gibel auch Schreibkalender verfaßte, wurde in der Literatur bisher nicht erwähnt. Überliefert ist von ihm nur ein Kalender für 1678. Der Drucker dieses Kalenders, Johann Piler in Minden, hatte seine Offizin 1666 eröffnet und am 7. Juli 1668 ein kurfürstliches Privilegium zum Schutz vor Nachdrucken erhalten (Reske, 2007, S. 615). Da der Kalenderdruck in der Regel eine sichere ökonomische Basis für einen Drucker war, ist es denkbar, daß Piler von Anfang an Kalender druckte. Belegt sind Schreibkalender für 1674 bis 1676 von → Johann Meyer (Reihe 3), die vermutlich von Piler gedruckt wurden (sicher ist nur der Verleger Johann Ernst Heydorn in Minden). Da Meyer hauptsächlich in Braunschweig drucken ließ, erscheint es als möglich, daß Gibel nach 1676 als Kalenderautor für Piler wirkte. Nach dem Tod von Gibel druckte Piler eine Kalenderreihe von → Johann Heinrich Voigt (Reihe 11). Über die in den 1680er Jahren in Minden verkauften Kalender schrieb der dort lebende Johann Georg Marggraf am 27. Dezember 1685 / 6. Januar 1686 in einem Brief an → Gottfried Kirch: „Hiesige westpfälische im Gebrauch gehende Kalender, sind des Voigts seiner Hauß, Artzney und Baumgartenß Von dem hiesigen Buchdrucker h. Pielern verlegt und gedruckt, und den des Meyers seiner, Von dem sehligen Keysern, der nun Todes verblichen, verleget und zu Braunßweich gedrucket“ (Herbst, 2006, Bd. 1, S. 338).

Titel:
[?]–1678–[?]: Schreib=Calender.
Druck und Verlag:
Johann Piler, Minden.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 91. VD17. CERL.
Andere Drucke:
(1) Seminarium Modulatoriae Vocalis, Das ist: Ein Pflantzgarten der Singkunst/ In welchem deroselben erst anfahende Schüler gantz leicht vnd vortheilhafftig können erzogen/ vnd fürs erst gleichsamb auff die Beine gebracht werden/ dessen Methodus in vorgeheffter Praefation ordentlich beschrieben. Für alle vier Menschen=Stimmen vnd Sänger also zugerichtet vnd publiciret. Celle 1645. SBPK Berlin, Mus. ant. theor. G 88. Andere Ausgaben: Hamburg 1648, Bremen 1657, Rinteln 1658.
(2) Compendium modulatoriae. Jena 1651. Zitiert nach Ganse, 1934, S. 77.
(3) Kurtzer/ jedoch Gründlicher Bericht von den Vocibus Musicalibus, Darin gehandelt wird von der Musicalischen Syllabication, oder (wie man gemeiniglich redet) von der Solmisation; wann/ von wem/ vnd zu was Ende dieselbe erfunden: imgleichen/ wie mancherley Art man davon habe: dann auch/ ob die jenige mit den Sechs Vocibus UT, RE, MI, FA, Sol, La, zu behalten/ oder zu verbessern/ oder/ so wol die/ als alle andere/ alte vnd neue Vocues in gesamt/ gantz vnd gar abzuschaffen/ vnd an dero stat die Claves selbst zu solchem Syllabiciren zu gebrauchen: Für die jenigen/ so mit Vnterweisung der Jugend im Singen vmbgehen/ zu wolmeinendem Nachricht Auffgesetet von Ottoe Gibelio, Directore Musices vnd Cantore der Schul zu Minden. Bremen 1659. SBPK Berlin, Mus. ant. theor. G 80. Und in anderer Bibliothek.
(4) Ottonis Gibelii Femaria-Holsati Introductio Musicae Theoreticae Didacticae, In qua Praecipua ejus Principia, cum primis vero Mathematica, in gratiam omnium φιλομενι ad veram Scientiarum methodum concinnata, summâ pariter perspicuitate ac brevitate proponuntur; nec tantum ad Monochordum, sed alia quoque hodie usitatiore & mobiliora Instrumenta, tum secundum veterem tum novam Musices rationem, accurate applicantur. Pars Generalis. Bremen 1660. BSB München, 4 Mus. th. 555. Online [22.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(5) Propositiones Mathematico-Musicae, Das ist: Etliche fürnehme und gar nützliche Musicalische Auffgaben/ auß der Mathesi demonstriret, und nach Beschaffenheit in beygefügten Kupfferstücken künstlich repraesentiret und für Augen gestellet/ Allen wahren Music-Liebhabern zum besten auffgesetzet und an Tag gegeben. Minden 1666. SBPK Berlin, Mus. ant. theor. G 86. Online [22.02.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
Kompositionen (vgl. Ganse, 1934, S. 78 und Eitner, 1959, Bd. 4, S. 244):
(6) 1. Teil Geistlicher Harmonien von 1–5 Stimmen. Hamburg 1671. Zitiert nach Ganse, 1934, S. 78.
(7) Kantate: Die Eitelkeit der Welt/ Aus dem 1. und 2. Capitel des Predigers Salomonis in eine Musicalische Harmoni gebracht […] Und nachdem […] Herr Christoph von Kannenberg […] in die Kirche zu S. Marien in Minden beygesetzet worden/ Musiciret und abgesungen Von Ottone Gibelio, Directore Musices und Cantore der Schul daselbst. Enthalten in: Inclutus Heic Heros Dux Kannenbergius Alget […]. SUB Göttingen, 2 CONC FUN 54 (1c). Und in anderer Bibliothek.
(8) Kantate: Die Liebe Gottes/ Auß dem Jeremiâ am 31. Cap. […] in einem Dialogo verfasset/ Und nachdem Die […] Frau Maria/ gebohrne von Bartensleben/ Verwittibte Frau Generalin von Kannenberg […] in die Kirche zu S. Marien in Minden beygesetzet worden/ Musiciret und abgesungen Von Ottone Gibelio, Directore Musices und Cantore der Schul daselbst. Enthalten in: Klägliche Zeitung Der zerstöhreten Hofnungs-Burg. Der teure Kannenberg ist toht […] Die […] Fr. Maria von Bartensleben […] Ist toht […]. Minden 1673. SUB Göttingen, 2 CONC FUN 9 (1).
Literatur (Auswahl):
Albrecht Ganse: Der Cantor Otto Gibelius (1612–1682), sein Leben und seine Werke, unter besonderer Berücksichtigung seiner Schriften zur Schulgesangsmethodik. Inaugural-Dissertation (Kiel 1931). Leipzig 1934. ThULB Jena, 2010 NA 10741 (6).
Johann Mattheson: Grundlage einer Ehren-Pforte, woran der Tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen. Zum ferneren Ausbau angegeben von Mattheson. Hamburg. 1740. In Verlegung des Verfassers. Vollständiger, originalgetreuer Neudruck mit gelegentlichen bibliographischen Hinweisen und Matthesons Nachträgen herausgegeben von Max Schneider. Berlin 1910. Photomechanischer Nachdruck Kassel, Graz 1994. Zu Otto Gibel: S. 90f.
Bertram Oldekop: Memoria Viri Clarißimi Humanißimique Dn. Otthonis Gibelii de Schola Mindensium Senatoris hactenus meriti Cantoris & Directoris Chori Musici scientissimi/ In solennibus exequiis die Domini XXII. Oct. MDCXXCII. […]. [Minden] 1682. HAB Wolfenbüttel, Db 1828 (30).
Martin Ruhnke: Art. „Gibel, Otto“. In: Neue Deutsche Biographie Bd. 6 (1964), S. 367f. [22.02.2017].

Erstellt: 23.02.2017
Letzte Aktualisierung: 14.08.2019

gibel_otto.txt · Zuletzt geändert: 2019/08/14 12:27 von klaus-dieter herbst