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Chemnitz, Martin

* 9.11.1522 Treuenbrietzen, † 8.4.1586 Braunschweig
Kalender seit 1549, verfaßt bis vermutlich 1554

Martin Chemnitz wurde am 9. November 1522 als jüngster Sohn einer Kaufmanns- und Tuchmacherfamilie in Treuenbrietzen geboren. Die Eltern waren „Paul Kemnitz“ (gest. 1533) und Euphemia Koldeborn (Kaltenborn, gest. 1566) (Chemnitz, 1719, S. 3f.). Der Geburtsort liegt ca. 30 km nordöstlich von Wittenberg. Die erste Schulbildung erlangte Chemnitz in Treuenbrietzen, wo er von dem Schulmeister und späteren kurbrandenburgischen Hofprediger Laurentius Barthold gefördert wurde (Kaufmann, 1997, S. 193). Nach Wittenberg kam Chemnitz im 14. Lebensjahr zum Besuch der Trivialschule, weil die verwitwete Mutter in Wittenberg „Bluts=Freunde“ hatte, die den Sohn aufnahmen (Chemnitz, 1719, S. 6). Hier hörte er bereits in jungen Jahren Luther predigen. Durch die Förderung von Petrus Niemann, Sekretär des Rats in Magdeburg, erhielt Chemnitz von Michaelis 1539 bis Johannis 1542 die Möglichkeit, in Magdeburg die Schule zu besuchen (ebd., S. 8). Nach Vermittlung des Magdeburger Schulrektors ging Chemnitz „Anno 1542. auf Johannis“ bis Ostern 1543 als Lehrer („Baccalaureus“) nach Calbe und unterrichtete Latein und Griechisch (ebd., S. 10). Zu Ostern 1543 wurde er an der Universität in Frankfurt an der Oder immatrikuliert (Friedländer, 1887, Bd. 1, S. 88 „[1543.] 32. Martinus Kemnicz Bricensis 10“, später hinzugefügte Notiz „doctor theologiae“), wo Georg Sabinus lehrte, der mit Chemnitz blutsverwandt und Schwiegersohn Melanchthons war. Nach ungefähr einem Jahr zog es ihn aus Geldmangel weiter und er wirkte als Schulmeister und Fischzollschreiber in Wriezen an der Oder (Chemnitz, 1719, S. 11). Schließlich zog er 1545 auf die Wittenberger Universität, wo er bei Philipp Melanchthon wohnte und vor allem Mathematik studierte, was Astronomie und Astrologie mit einschloß (ebd., S. 12; einen Eintrag in die Matrikel gibt es nicht, vgl. Förstemann, 1841, Bd. 1). Aufgrund der kriegsbedingten Schließung der Universität wechselte Chemnitz nach einem Zwischenaufenthalt im heimatlichen Treuenbrietzen (vgl. Kaufmann, 1997, S. 198, Anm. 41) an die Universität in Königsberg, wo er am 18. Mai 1547 eintraf (Chemnitz, 1719, S. 13) und sich in die Matrikel einschrieb (Erler, 1910, Bd. 1, S. 7 „Martinus Kemnitz 5 gr.“, an 84. Stelle von 86 zwischen 1.8.1546 und 8.9.1547; nach Königsberg war auch Sabinus als Gründungsrektor der Universität gegangen). Im kommenden Jahr 1548 wurde ihm am 31. Mai „die Schule zu Königsberg im Kniphoff befohlen“ (Chemnitz, 1719, S. 13), er wurde also Rektor der ehemaligen Domschule (Arnold, 1746, 2. Teil, S. 490), und am 27. September 1548 folgte die Promotion zum Magister artium (Chemnitz, 1719, S. 13).
In Königsberg verfaßte Chemnitz 1548 „ein Deutsch Allmanach oder Calender und Practicam […] auf das Jahr 1549. und ist in Königsberg ausgangen den 18 Novembr.“, ebenso für 1550 (Chemnitz, 1719, S. 13). Er ist damit der erste, der in Königsberg einen Schreibkalender drucken ließ, vermutlich bei Hans Weinreich (vgl. Reske, 2007, S. 482). Den Almanach für 1550 verfaßte er „auf ausdrücklichen Wunsch Herzog Albrechts; vgl. dessen Brief an Chemnitz vom 8./10.10.1549“ (Kaufmann, 1997, S. 199, Anm. 48). Nach Chemnitz verfaßte → Simon Titius in Königsberg Schreibkalender.
Chemnitz reiste 1549 gemeinsam mit Sabinus nach Wittenberg, ging aber aufgrund der Pest nicht nach Königsberg zurück und ließ sich stattdessen zunächst in Saalfeld nieder. Erst 1550 kehrte er in die ostpreußische Stadt zurück (Chemnitz, 1719, S. 14) und studierte Medizin, Jurisprudenz und Theologie (ebd., S. 15f.). Auf Anordnung des Herzogs Albrecht d. Ä. von Preußen verfaßte er „aufs neue Calender“ (Zickermann, 1724, S. 129) und wurde am 5. April 1550 zum Bibliothekar des Herzogs bestallt (Chemnitz, 1719, S. 15). Das Jahresgehalt betrug 40 Gulden (Kaufmann, 1997, S. 201, Anm. 57). Da Chemnitz am 3. April 1553 Königsberg aufgrund des Osiandrischen Streits verließ (Chemnitz, 1719, S. 18; Chemnitz war „als Opponent Osianders bei dessen berühmt gewordener Disputation über die Rechtfertigungslehre am 24. Oktober 1550“ aufgetreten, Kaufmann, 1997, S. 206), könnte er noch für 1554 einen Königsberger Kalender verfaßt haben. Daß er als Kalendermacher und Astrologe vom Herzog sehr geschätzt wurde, geht aus Chemnitz’ Notiz hervor, wonach er diesem auch nach dem Weggang aus Königsberg „jährlich etliche revolutiones S. F. G. stellen solte“ und dafür schon am 31. Dezember 1552 200 Taler erhalten hatte (Chemnitz, 1719, S. 18). Als späterer Theologe in Braunschweig schrieb er keine Kalender mehr, denn er hielt nichts von den astrologischen Vorhersagen, deren Fundamente er schon in Königsberg als sehr schwach erkannte (vgl. ebd., S. 15: „Sed quia fundamenta praedictionum videbam admodum esse infirma, volui Astrologia tantum ita uti, ut inde necessaria subsidia ad alia studia corraderem, quod satis feliciter succesit. Nugas tamen Arabicas & alia quaedam superstitiosula semper in ille arte fugi, contemsi & odi.“).
Am 29. April 1553 traf Chemnitz wieder in Wittenberg ein (ebd., S. 18), wo er am 18. Oktober 1553 in die philosophische Fakultät aufgenommen wurde (Köstlin, 1887, Bd. 4, S. 27; Chemnitz, 1719, S. 19 nennt den 15. Januar 1554). Seit dem 9. Juni 1554 hielt Chemnitz die Vorlesung über die „Loci communes“ (Kaufmann, 1997, S. 218; Burmeister, 2015, S. 154; vgl. Chemnitz, 1719, S. 19). Nach einem Besuch bei seinem Freund Joachim Mörlin in Braunschweig kam er dem Wunsch der Braunschweiger nach und zog dorthin. Am 16. Dezember 1554 hielt er „in officio Coadjutoris die erste Predigt“ an der St. Ägidien-Kirche (Chemnitz, 1719, S. 20). Fortan wirkte Chemnitz als Theologe in Braunschweig. Mit Melanchthon in Wittenberg gewechselte Briefe sind aus den Jahren 1555 bis 1557 überliefert (vgl. Melanchthon, 1977, Briefe Nr. 7497, 7530, 7535, 7556, 7764, 7786, 8230, 8261).
Chemnitz heiratete am 19. August 1555 Anna Jeger, Tochter des Licentiaten der Rechte Hermann Jeger in Rostock (Chemnitz, 1719, S. 21; Wolf, 1957). Aus der Ehe gingen zehn Kinder hervor: Martin (28.5.1556–9.5.1557), Anna (4.11.1557–14.11.1563), Magdalena (27.7.1559–1632), Martin (15.10.1561–1627), Anna (14.1.1564–1622), Paul (8.3.1566–1614), Eva (18.5.1568–?), Margarete (4.8.1570–5.6.1579), Julia (7.2.1573–1630), Hedwigis (16.4.1575–15.10.1577). Chemnitz starb am 8. April 1586 in Braunschweig (Chemnitz, 1719, S. 23).
In Braunschweig verfaßte Chemnitz zahlreiche eigene theologische Schriften und war an Sammelschriften als Beiträger beteiligt (vgl. VD16). Er war maßgeblich beteiligt an der Durchführung der Reformation im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel und er legte in seinen Schriften in einer später „nicht mehr erreichten Weise die reformatorische Theologie in umfassender Auseinandersetzung mit dem tridentinischen Katholizismus kontroverstheologisch“ dar (Wolf, 1957, S. 201). 1567 folgte er Mörlin als Superintendent in Braunschweig nach. Im Juni 1568 wurde er in die Matrikel der Universität Rostock eingeschrieben (Hofmeister, 1889, Bd. 2, S. 165 „Mense Iunio [1568] […] Martinius Chemnitius superintendens Brunsuicensis.“) und unter dem Dekan der theologischen Fakultät Simon Pauli zum Doktor der Theologie promoviert (ebd., S. 166; anderer Druck, Titel 4). Die gedruckten Chemnitzschen Loci-Vorlesungen waren im 17. Jahrhundert ein entscheidendes theologisches Lehrbuch (Kaufmann, 1997, S. 253). Als einer der damals bedeutendsten lutherischen Theologen äußerte er sich im Dezember 1582 auch über die Kalenderreform Papst Gregors XIII., deren „Canones“ er zwar noch nicht kannte, aber die angestrebte Änderung – durch Auslassung von zehn Tagen sollten die Zeitpunkte für die unbeweglichen Feste wieder auf den Platz zur Zeit des Konzils von Nicäa zurückgeführt werden – positiv bewertete (anderer Druck, Titel 5; vgl. Steinmetz, 2011, S. 228). Chemnitz verfaßte 1556 auch eine Kometenschrift, die aber vermutlich nicht im Druck erschienen ist (vgl. Melanchthon, 1977, Bd. 7, S. 418, Brief Nr. 7786 vom 16.4.1556).

Titel:
1549–[1554?]: Deutsch Allmanach oder Calender, Format 4° [kein Exemplar überliefert, zitiert nach Chemnitz, 1719, S. 13].
Druck und Verlag:
[Hans Weinreich ?], Königsberg.
Nachweis:
Zinner, 1941/64, S. 459 (Ex. für 1549, 1550). VD16 (ohne Kalender). CERL (ohne Kalender).
Andere Drucke (Auswahl):
(1) Die Reine gesunde Lehre/ von der wahren gegenwertigkeit/ des Leibs vnd Bluts Christi in seinem abendmal/ wie dieselbe in den Euangelischen kirchen/ der Augspurgischen Confession verwandt/ bißanher gelehret ist/ vnd noch gelehret wirdt/ in kurtze/ deutliche/ einfeltige heuptstücke im latein zusamen gezogen/ durch M. Martinum Kemnitz/ Prediger zu Braunschweig. Jetzundt aber dem einfeltigen leser zu gut ins deutsch verfertiget/ durch Johannem Zanger Oenipontanum, auch Prediger daselbst. Leipzig 1561. HAB Wolfenbüttel, A: 236.4 Theol. (2). Online [04.12.2018]. Und in anderen Bibliotheken. Die lateinische Vorlage: Repetitio Sanae Doctrinae […]. Leipzig 1561. ThULB Jena, 8 MS 25531 (1) und anderes Exemplar. Auch in anderen Bibliotheken.
(2) [Examen Concilii Tridentini] Examen, das ist/ Erörterung Deß Trientischen Concilij Durch […] D. Martinum Chemnicium […] verteutschet durch Georgium Nigrinum. Frankfurt am Main 1576. SUB Göttingen, 4 TH POLEM 192/17. Online [04.12.2018]. Und in anderen Bibliotheken. Lateinische Vorlage: Examen Decretorvm Concilii Tridentini […]. 4 Teile. Frankfurt am Main 1566–1573. HAB Wolfenbüttel, H: S 105.8° Helmst. Und in anderen Bibliotheken.
(3) Loci Theologici Reverendi Et Clarissimi Viri, D. Martini Chemnitii […] Qvibvs Et Loci Commvnes D. Philippi Melanchthonis perspicuè explicantur, & quasi integrum Christianae doctrinae Corpus, Ecclesia Dei syncerè proponitur. Frankfurt am Main 1591. ULB Halle, N. VIII. 72. Online [04.12.2018]. Und in anderen Bibliotheken.
(4) (Disputation) Propositiones, De Persona Et Beneficiis Filii Dei, Domini Et Redemptoris nostri Iesu Christi: de quibus publicè, pro gradu Doctoris in Theologia, disputabit Reuerendus et Clarißimus vir, M. Martinvs Kemnicivs, Superintendens Ecclesiae Dei, in inclyta vrbe Saxoniae, Brvnsviga. Die 28. Ivnii. Rostock 1568. UB Rostock, R.U.-theol. 1568 Kemnicius, Martinus. Online [04.12.2018].
(5) D. Martini Kemnicii: Bericht vom newen Bapstischen Gregoriano Calendario/ an den Landgraffen zu Hessen/ etc. Ohne Ort 1584. ThULB Jena, 4 Polit. IV, 1(11). Online [04.12.2018]. Und in anderen Bibliotheken.
Literatur (Auswahl):
Die einschlägige Literatur zur Biographie von Martin Chemnitz ist aufgelistet in Kaufmann, 1997, S. 192, Anm. 8. Eine Aufzählung der Quellen liefert Mahlmann, 1981, S. 719f. Hier wird nur genannt, was für das Abfassen des Textes benutzt wurde.
Mart. Chemnitii Eigenhändige Lebensbeschreibung. Nebst denen Ihm zu Braunschweig gesetzten Epitaphis. Königsberg 1719. SLUB Dresden, Biogr. erud. D. 2495. Online [03.12.2018].
Ernst Wolf: Art. „Chemnitz, Martin“. In: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 201f. [04.12.2018].
Theodor Mahlmann: Art. „Chemnitz, Martin (1522–1586). In: TRE, Bd. 7 (1981), S. 714–721.
Thomas Kaufmann: Martin Chemnitz (1522–1586). Zur Wirkungsgeschichte der theologischen Loci. In: Heinz Scheible (Hrsg.): Melanchthon in seinen Schülern. Wolfenbüttel 1997 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 73), S. 183–254.

Erstellt: 04.12.2018
Letzte Aktualisierung: 11.07.2019

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