Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


tobler_johannes

Tobler, Johannes

Johannes Tobler

„Johannes Tobler/ diser Wissenschafft beflissener“; „der Mathematischen Kunst Beflissener“; „Math.“; „Mathemat.“; „ehedemiger Lands=Hauptmann des Löbl. Stands Appenzell, A. R. nunmehriger Königl. Groß=Britannischer Friedens=Richter zu Granwil County in Süd-Carolina“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1723, 1724, 1729, 1732, 1754)
* 3.9.1696 Rehetobel bei St. Gallen, † 5.3.1765 New Windsor/Süd-Carolina
Kalender seit 1722, verfaßt bis 1736 sowie 1754, 1755 und 1767

Johannes Tobler wurde am 3. September 1696 in Rehetobel, einem Dorf ca. 10 km östlich von St. Gallen (heute im Kanton Appenzell Außerrhoden), geboren (Tobler: Kalender für 1767, zweiter Teil, unpag. [S. 30], dort auch ein Bildnis; vgl. Böning, 2018, S. 462). Er wurde gemäß dem reformierten Glauben erzogen, besuchte die Dorfschule und bildete sich selbst auf dem mathematischen Gebiet. Als Autodidakt (vgl. Böning, 2015, S. 136) begann er 1721 mit dem Schreiben von Jahreskalendern. Sein Motiv war, einen Kalender zu verfassen, der die Finsternisse vollständiger und genauer angab als die bis dahin verfügbaren Rosius-Kalender (→ Jacobus Rosius; siehe den Widmungsbrief an die „Herren Land= Ammann und Rath in dem ausseren Roden des Lands Appenzell“ im Kalender für 1722, Kalendarium, S. A1b).
Tobler arbeitete als Bauer und Weber. Er versah verschiedene Ämter: 1723 bis 1728 Ratsherr, 1728 bis 1730 Gemeindehauptmann von Rehetobel, 1730 bis 1731 Außerrhoder Landesfähnrich, 1731 bis 1733 Landeshauptmann (Tobler: Kalender für 1767, zweiter Teil, unpag. [S. 31]; vgl. Sturzenegger, 2004, S. 51; Böning, 2018, S. 467).
1718 heiratete Tobler Anna Zellweger von Gaiß. Mit ihr hatte er 10 Kinder, von denen 1766 noch sechs lebten, darunter Catharina Tobler in Trogen (Tobler: Kalender für 1767, zweiter Teil, unpag. [S. 30]).
Zu Beginn der 1730er Jahre kam es zu „bürgerkriegsähnlichen Tumulten“, die dazu führten, daß Tobler 1734 sein politisches Engagement aufgeben mußte und „1736 nur noch die Auswanderung nach Amerika als Ausweg sah“ (Böning, 2018, S. 468; vgl. Appenzeller Kalender für 1971, S. 53; Thürer, 1972, S. 128; Sturzenegger, 2004, S. 51). Am 7. September 1736 verließ Tobler seine Heimat (Schläpfer, 1978, S. 13) und siedelte mit seiner Frau und damals sieben Kindern nach Carolina über, gründete dort 1737 die Gemeinde New Windsor und wirkte erfolgreich als Plantagenbesitzer und Unternehmer (Böning, 2018, S. 469). Tobler berichtete: „ich wohne an einem erhöchten gefunden und vast ebnen Platz, habe einen zimlich grossen Kauffmans=Laden mit meinem ältesten Sohn gemein, wir holen die Waaren von Savanach von einem Kauffmann/ so selbe aus Engelland hat“ (Tobler: Kalender für 1753, Kalendarium, unpag. [Juli]). Zum Zeitpunkt des Niederschreibens der biographischen Skizze (1750, siehe ebd., [Oktober]) war Tobler „schon etliche Jahr Groß Brittanischer Friedens=Richter/ welches etwas unerhörtes/ von einem Mann/ welcher nicht mehr Englisch kan als ich“ (Tobler: Kalender für 1753, Kalendarium, unpag. [August]; vgl. die Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt des Kalenders für 1754). In seinen Kalendern für 1753 (Kalendarium, unpag. [ab August]), 1754 (zweiter Teil, unpag. [S. 32–42]) und 1755 (zweiter Teil, unpag. [S. 32–37]) brachte Tobler eine Landesbeschreibung Carolinas.
Auch in Amerika gab Tobler ab 1752 Kalender heraus (Böning, 2018, S. 469; Reihen 5, 6). Die erste deutschsprachige Kalenderreihe in Pennsylvania erschien für 1739. „Der/ Hoch=Deutsch/ Americanische/ Calender“ wurde in Germantown von Christoph Sauer gedruckt (Mix, 2012, Bd. 1, S. 557). Druckort und Drucker von Toblers englischsprachigen Kalendern sind nicht bekannt.
Tobler starb am 5. März 1765 in New Windsor (Tobler: Kalender für 1767, zweiter Teil, unpag. [S. 31]).
Nachdem Tobler ausgewandert war, wurde der Appenzeller Kalender ab dem Jahr 1737 von Toblers Freund, dem reformierten Pfarrer → Gabriel Walser (1695–1776) in Speicher im Kanton Appenzell fortgeführt, ohne daß dessen Name auf dem Titelblatt genannt wurde (Walser setzte aber seinen Namen unter den „Vorbericht“ des Kalenders für 1737, Kalendarium, S. A1b). Walser hat „den Calender continuiert und von An. 1737 bis An 1749. alljährlich heraus gegeben“ (Tobler: Kalender für 1753, Kalendarium, S. C1a [März]). Für 15 weitere Jahre (bis 1751) hatte Tobler schon Vorarbeit geleistet und die Kalenderrechnungen Walser überlassenen (Tobler: Kalender für 1753, Kalendarium, S. C2a [April]; Tobler: Kalender für 1767, zweiter Teil, unpag. [S. 31]; vgl. Böning, 2018, S. 469). Aus der Heimat erreichte ihn die Nachricht von dem weiterhin bestehenden Interesse an einem Kalender aus seiner Feder. Tobler entschloß sich zu liefern und hatte 1752 schon die Manuskripte „biß zu End des 1766. Jahrs fertig“ (Tobler: Kalender für 1753, Kalendarium, S. C2a [April]; vgl. Sturzenegger, 2004, S. 52; Tschui, 2009, S. 239). Offenbar lieferte Tobler auch Material für einen St. Galler Kalender, denn er merkte in Bezug auf die Beschreibung des Landes Pennsylvanien an: „ich habe das nöthigste in dem vorher gesetzten St. Galler Calender gemeldet“ (Tobler: Kalender für 1753, Kalendarium, unpag. [August]). Von diesem Kalender für das Jahr 1750 und für St. Gallen aus Toblers Hand ist bisher nichts bekannt geworden.
Nach Walser setzte der Bauer → Ulrich Sturzenegger (1714–1781) in Trogen die Kalenderreihe fort (vgl. Böning, 2018, S. 471–479). Bereits beim Kalender für 1746 war Sturzenegger für die Kalenderredaktion mit dem Material von Walser (bzw. Tobler) verantwortlich, weil dieser 1745 das Pfarramt in Berneck im Rheintal übernommen hatte (Tschui, 2009, S. 239). Erst beim Kalender für 1750 erschien wieder ein Verfassername auf dem Titelblatt, diesmal der von Ulrich Sturzenegger.
1766 richtete Sturzenegger eine eigene Druckerei in Trogen ein und druckte „einen Quart= samt einem Sack=Calender“ (Sturzenegger: Appenzeller Staats= Kriegs und Friedens=Calender für 1767, unpag. [S. 55]). Bei einem Kalender für 1770 führte Sturzenegger den hinkenden Boten auf dem Titelblatt ein: „Der Appenzeller Hinkende Bott oder der grosse Historische Calender“ (vgl. Wernicke, 2008, S. 488). Seit dem Kalender für 1771 firmierte eine zweite Appenzeller Reihe mit dem hinkenden Boten unter dem Titel „Appenzeller Staats=Kriegs u. Friedens Calender, oder der Hinkende Bott“ (vgl. Greilich/Mix, 2006, S. 460). Eine textlich identische und von Sturzenegger parallel herausgegebene Ausgabe unter dem Titel „grosser Staats=Kriegs und Friedens Appenzeller Calender“ (ebd., S. 461) verzichtete auf den hinkenden Boten als Markenzeichen (vgl. Böning, 2018, S. 472; diese Reihe erschien seit 1765, siehe Wernicke, 2008, S. 74, 488). In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden volksaufklärerische Texte auch Eingang in den Appenzeller Kalender (Böning, 2002, S. 98–102).

Titel:
Deutsche Kalender:
(1) 1722–1724: Schreib=Calender. 1725–1736: Appenzeller Schreib=Calender.
(2) 1750–[?]: St. Galler [Schreib=Calender] [kein Exemplar überliefert, genannt in Toblers Appenzeller Kalender für 1753).
(3) 1753: Appenzeller Schreib=Calender. 1754–1755: Schreib=Calender.
(4) 1767–[?]: Appenzeller Schreib=Calender.
Englische Kalender:
(5) 1752–[?]: The South-Carolina Almanack.
(6) 1756–[?]: The Pennsylvania-Almanack.
Druck und Verlag:
(1) 1722: Johann Christoph Egg, Lindau, 1723: Druck ?, Verlag Bartholomaeus Einhorn, St. Gallen, 1724: Druck ?, Verlag Johannes Tobler, Rehetobel, 1725–1728: Druck ?, Verlag Johannes Tobler, Rehetobel, Bartholomaeus Einhorn, St. Gallen, 1729: Druck Christian Ulrich Wagner, Ulm, Verlag Johann Laurenz Mock, Herisau, 1730: Druck Tobias Hochreutiner, St. Gallen, Verlag Johann Laurenz Mock, Rehetobel, 1731–1732: Druck Tobias Hochreutiner, St. Gallen, Verlag Johannes Züricher, Rehetobel, 1733: Druck Tobias Hochreutiner, St. Gallen, Verlag Johannes Riederer, Rehetobel, 1734–1735: Druck Tobias Hochreutiner, St. Gallen, Verlag Johannes Hochreutiner, St. Gallen, 1736: Druck ?, Verlag Johannes Tobler, Rehetobel.
(2) 1750: ?, St. Gallen.
(3) 1753: Druck Ruprecht Weniger, St. Gallen, Verlag Ulrich Zimtzenegger, 1754–1755: Ruprecht Weniger, St. Gallen, Verlag Hans Jacob Hochreutiner, St. Gallen.
(4) 1767: Druck und Verlag Ulrich Sturzenegger, Trogen.
(5) ?
(6) ?
Vgl. die „Druckgeschichte des Appenzeller Kalenders“ in Tschui, 2009, S. 237–242 und „Der Appenzeller Kalender“ in Schläpfer, 1978, S. 9–23.
Nachweis:
KB Appenzell Außerrhoden (Ex. online). ETH Zürich (Ex. online). SIV Basel (Ex. für 1771–1819 mit den Notizen der Familie Sturzenegger). Wernicke, 2008, S. 487–489. Tschui, 2009, S. 357. CERL (Reihe 6).
Online:
(1), (3), (4) [15.04.2019],
(1), (3), (4) [25.04.2019].
Literatur (Auswahl):
Johannes Tobler: Appenzeller Schreib=Calender für 1753. Druck Ruprecht Weniger, St. Gallen, Verlag Ulrich Zimtzenegger. Autobiographisches im Widmungsschreiben, enthalten in der linken Textspalte des Kalendariums.
Johannes Tobler: Appenzeller Schreib=Calender für 1767. Druck und Verlag Ulrich Sturzenegger. Zu Johannes Tobler: S. 30–31 („Lebens Beschreibung“).
250 Jahre Appenzeller Kalender 1721–1971. In: Appenzeller Kalender für 1971, S. 51–59. Zu Johannes Tobler: S. 51–53 [15.04.2019].
Arthur Sturzenegger: Johannes Tobler, Politiker und Mathematicus, Begründer des Appenzeller Kalenders. In: Appenzeller Kalender mit Häädler Kalender für 2004, S. 50–52 [25.04.2019].
Holger Böning: Aufgeklärte Kalendermacher aus dem Bauernstand – der Appenzeller Kalender und seine Herausgeber. In: Klaus-Dieter Herbst und Werner Greiling (Hrsg.): Schreibkalender und ihre Autoren in Mittel-, Ost- und Ostmitteleuropa (1540–1850). Bremen 2018, S. 459–491. Zu Johannes Tobler: S. 462–471.
Walter Schläpfer: Pressegeschichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Herisau/Trogen 1978. Zum Appenzeller Kalender: S. 9–23.
Georg Thürer: 250 Jahre Appenzeller Kalender. Ein Beitrag zur Literatur des kleinen Mannes. In: Rorschacher Neujahrsblatt 62 (1972), S. 125–144. Zu Johannes Tobler: S. 127–129 [25.04.2019].

Erstellt: 02..05.2019
Letzte Aktualisierung: 02.05.2019

tobler_johannes.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/15 10:27 von Simon Sax