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Keyser, Johann (Pseud.)

„Johann Keyser ietzo in Hall.“; „Bibl. in Hall.“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1647, 1669)
das ist: Caesar, Johann
* ?.11.1612 Kohlo/Niederlausitz, † 3.6.1694 Halle
Kalender seit 1647, erschienen bis mindestens 1698

Johann Caesar wandelte seinen Nachnamen nur ein wenig um und veröffentlichte unter dem Pseudonym „Johann Keyser“ seit 1647 Schreibkalender. Caesar wurde im November 1612 in Kohlo in der Niederlausitz (heute poln. Kolo) geboren. Das genaue Geburtsdatum ist nicht bekannt, doch es kann aufgrund einer Notiz im Sterberegister von St. Moritz zu Halle abgeschätzt werden. Er starb am 3. Juni 1694 in Halle an der Saale im Alter von „81 Jahr, 7 Monat etliche Wochen“. Wann Caesar nach Halle kam, ist ebenfalls unbekannt, doch als Stiefbruder des 22 Jahre älteren Christian Guenz, Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, könnte Caesar bereits das Hallesche Gymnasium besucht haben. Im November 1634 heiratete er Veronica Wachsmuth (1605–1667, geb. Steinhausen, Witwe von Sebastian Wachsmuth). Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor. Von 1641 bis 1687 war Johann Caesar Bibliothekar an der Marienbibliothek zu Halle (für die am 24.11.2003 und 7.6.2004 mitgeteilten Informationen danke ich Karsten Eisenmenger, ehemaliger Leiter der Marienbibliothek). Auf den Titelblättern der Jahreskalender erschien diese Bezeichnung erst ab dem Kalender für 1667.
Caesar widmete seine ersten Kalender angesehenen Bürgern der Stadt Halle, so Benedictus Oheim, Stadtphysikus (Kalender für 1648, zweiter Teil, S. A2b–A4b), Georg Wildvogel, fürstlich-magdeburgischer Kammersekretär, Caspar Wesener, Wein- und Kramermeister in Halle und Caesars Schwager (1649, zweiter Teil, S. A3a–b). Den Kalender für 1651 widmete Caesar „Gebard von Alvensleben Fürstl. Ertzstifftischen/ Magdeburgischen wolbestalten Rath/ auff neu Gattersleben/ meinem hochgeehrten Juncker/ und sehr geneigtem Förderer“ (1651, zweiter Teil, S. A3a–b). Am Schluß dieser Dedikation bekannte Caesar, daß er „als liebhabern der freyen künste/wie mir solche unter der Disciplin des sel. herrn Gueintzen: vor längsten/ ietzo aber vielmehr bekannt worden“, auf den hohen Herrn als einen Gönner „der gesäuberten Astrologie“ und auf dessen Unterstützung gegen „unbillige tadeler“ hoffe. Mit dem Stiefbruder Guenz (Jentsch, 1894, S. 256) und dem hier genannten Schwager Caspar Wesener können neue Spuren in der bisher kaum bekannten Biographie Caesars verfolgt werden.
Johann Caesar ist heute als einer derjenigen Kalendermacher zu würdigen, die bereits in den 1650er Jahren eine Überwindung des Aberglaubens anmahnten und dazu die Bedeutung der Bildung der Menschen und damit einhergehend die Notwendigkeit von Veröffentlichungen über Naturvorgänge in der deutschen Muttersprache erkannten. So führte er im Kalender für 1654 nicht nur die komplexe astronomische Rechnung für eine Finsternis mit allen Einzelheiten vor, sondern er benutzte dazu die deutschen Fachbegriffe (zweiter Teil, S. B2a–3a). Ebenfalls in der Muttersprache berichtete er bereits zwei Jahre zuvor in seinem Kalender für 1652 über eine Untersuchung der wahren Ursache des Bergrutsches bei Laucha an der Unstrut (vgl. Herbst, 2008a, S. 232f.). Schon die gewählte Überschrift „Judicium sine praejudicium“ (Urteil ohne Vorurteil) ist bezeichnend (zweiter Teil, S. C2b–4a). Dieser am 5. Mai 1651 erfolgte Erdrutsch wurde als „ein grosses Wunder“ unter den Menschen angesehen, die es zudem „vor ein zeichen des Jüngsten tages/ oder doch einer grossen trübsaal in diesen landen“ hielten. Caesar dagegen konnte „bey diesem Erdfall und abzischelung des stück weinberges kein wunder oder auch gewisses Zeichen grossen Landübels sehen“ (S. C3a). Als Mathematiker und Feldmesser ermittelte er die Dimensionen des Erdrutsches und ergründete dessen natürliche Ursache: eine unterirdische Quelle. Caesars zusammenfassende Erklärung lautete: „Hier kann ja nun kein wunder draus gemacht werden/ weil die erde nicht hinnauff sondern herab gefahren/ als ein schwer ding/ dessen natur also sieder der schöpfung nicht anders gewesen: der quell kann solche erde mit seinem fliessen hohl gemacht; der sehr nasse Winter und tieffe schnee […] das erdreich sehr erweichet/ und dan der kurtzvorhergehende grosse erschreckliche donner und platzregen mercklich darzu geholffen haben. etc:“ (S. C4a). Das ist ein Beispiel für eine rationale Erklärung von vermeintlichen Wundern in der Natur, veröffentlicht in einem Schreibkalender in der Mitte des 17. Jahrhunderts (vgl. Herbst, 2010a, S. 233–236).
Mit → Gottfried Kirch verband Caesar seit 1677 ein Briefwechsel, in dem es um den Austausch astronomischer Beobachtungen und Rechnungen sowie um die Gründung einer von Kirch vorgeschlagenen „Astronomischen Societät in Teutschland“ ging (vgl. Herbst, 2010a, S. 242–249). Einig waren sich beide darin, den sogenannten „Kalenderstümplern“ das Handwerk legen zu müssen. Infolge der bei Caesar altersbedingten Abnahme des Sehvermögens verringerte sich auch die Möglichkeit ausführlicher astronomischer Rechnungen und Caesar rechnete 1682 damit, seine Kalenderarbeit aufgeben zu müssen (Herbst, 2006, Bd. 1, S. 133). Als Unterstützung schickte ihm Kirch astronomische Rechnungen zur Verwendung im Kalender für 1683 (ebd., S. 119). Nach Caesars Tod wurde dessen (bzw. „Keysers“) Kalenderreihe bis mindestens für 1698 fortgeführt.

Titel:
(1) 1647–1694: SchreibCalender, Format 4°.
(2) 1649[?]–1698[?]: SchreibCalender, Format 8°.
(3) [?]–1670–[?]: [Kupfertitel] Schreibe=Calender. [Zweites Titelblatt] Schreib=Calender, Format 16°.
Druck und Verlag:
1647–1671: Christoph Salfeld d. Ä., Halle, 1672–1694[?]: Salfelds Erben, Halle, [1695?]–1698: Christoph Salfelds Witwe, Halle.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 113. Ergänzung: FB Gotha, Chart B 1470 (9) und 1554a (Reihe 2) und Chart B 1555 (Reihe 3); SLUB Dresden, Mscr. Dresd. Q. 233, 241, 249 (Ex. für 1649, 1663, 1670 der Reihe 2); BFS Halle, AFSt/W II/-/3a (Ex. für 1698 der Reihe 2); LASA Dessau, Z 44, A 9e Nr. 3 (Ex. ab 1649 der Reihe 2). VD17. CERL.
Online:
(1) 1647–1679, 1691, 1694 [16.04.2014],
(2) 1698 [24.06.2019].
Andere Drucke unter dem Namen Johann Caesar:
(1) Des Cometen, So im Decembr: 1652. erschienen/ lauf/ höhe von der erden/ grösse und muthmaßliche bedeutung/ beschrieben von Johanne Caesare zu Halle in Sachsen. Halle 1653.
(2) Nachricht Vom Cometen/ so zu ausgange des 1664. Jahres erschienen. Halle [1664].
Literatur:
Johann Christoph Dreyhaupt: Pagvs Neletici Et Nvdzici, Oder Ausführliche diplomatisch=historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz=Stifft, nunmehr aber durch den westphälischen Friedens=Schluß secularisirten Hertzogthum Magdeburg gehörigen Saal=Creyses, […]. Zweyter Theil. Halle 1750, S. 217–220: „Von der Marien=Bibliothec“.
Gustav Ferdinand Hertzberg: Geschichte der Stadt Halle an der Saale während des 16. und 17. Jahrhunderts. (1513 bis 1717.) Nach den Quellen dargestellt. Halle 1891. Zu Caesar: S. 521 mit dem Hinweis auf eine Handschrift von Caesar aus dem Jahr 1667 und auf W. Jahn: Die Marienbibliothek, II. In: 1. Beilage zu Nr. 91, 1889 der Saalezeitung.

Erstellt: 16.04.2014
Letzte Aktualisierung vor 20.01.2020: 15.10.2019
Letzte Aktualisierung nach 20.01.2020: 07.12.2021

keyser_johann_pseud.txt · Zuletzt geändert: 2021/12/07 12:25 von klaus-dieter herbst