„Elias Crätschmairus Philiatrus“; „Elias Crätschmar der Medicin, vnd Mathematic Liebhaber“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1628 Kalendarium und Prognostikum)
* ca. 1602 Habelschwerdt/Schlesien, † 27.4.1661 Pitschen/Schlesien
Kalender seit 1627, verfaßt bis 1629
Elias Crätschmair (Krätschmair, Kretschmer) wurde etwa 1602 in Habelschwerdt/Schlesien (poln. Bystrzyca Kłodzka) geboren. Diese Stadt an der Neiße liegt etwa 20 km südlich von Glatz (poln. Kłodzko). In dem benachbarten Heinzendorf (poln. Skrzynka) war von 1593 bis 1623 ein Zacharias Kretzschmer (1550–1629) Pfarrer an der evangelischen Kirche (Pfarrerbuch Schlesien, Bd. 2, S. 327). Er könnte ein Verwandter von Elias Crätschmair gewesen sein. Das ungefähre Geburtsjahr wurde aus der Ende 1619 erfolgten Immatrikulation an der Universität in Frankfurt an der Oder abgeleitet (Friedländer, 1887, Bd. 1, S. 635 „[1619.] Elias Krethsmer Habelschwerdensis Silesius“). Hier lernte er den aus Schweidnitz/Schlesien (poln. Świdnica), ca. 40 km südwestlich von Breslau (poln. Wrocław), stammenden Justinus Frisen kennen, der sich unmittelbar nach Crätschmair in die Matrikel einschrieb (ebd., S. 636). Vermutlich aufgrund dieser Bekanntschaft wendete sich Crätschmair nach dem Studium nach Schweidnitz, wo er spätestens seit September 1625 wohnte (anderer Druck, Titel 1, S. A4a, das Widmungsschreiben ist datiert mit Schweidnitz, 29.9.1625) und als Arzt tätig war. Hier lernte er Maria Cunitia (29.5.1604–22.8.1664) kennen, eine Tochter des Schweidnitzer Stadtarztes Heinrich Kunitz (Cunitz, Cunitius, 1580–1629) und Witwe des Advokaten David Gerstmann (?–1626; die Heirat erfolgte am 26.9.1623, HÄLS, 1997, S. 240). 1630 heirateten beide (HÄLS, 1997, Bd. 1, S. 241). Als Protestanten mußten sie der Kriegswirren halber Schweidnitz verlassen. Sie flüchteten in das Dorf Łubnic in Polen, das zum Klosterbesitz der Zisterzienserinnen von Ołobok gehörte (Guentherodt, 2009, S. 175; Targosz, 2008, S. 105) und sich in der Nähe von dem etwa 80 km nordöstlich von Breslau gelegenen Ostrów Wielkopolski befindet. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) war es für das Ehepaar möglich, wieder nach Schlesien zu gehen und so zogen sie in die ca. 80 km östlich von Breslau und ca. 60 km nordöstlich von Brieg (poln. Brzeg) gelegene Stadt Pitschen (poln. Byczyna) (Kaczorowski, 1995, S. 103).
Mit Maria Cunitia hatte Crätschmaier zwei Kinder, die Söhne Elias Theodatus und Henricus (HÄLS, 1997, Bd. 4, S. 94; Knötel, 1933, S. 39). Bekannt sind auch die Enkel Elias und Bogdan, von denen „der letzte das Gut Sacharowitz in dem Oppelischen besessen, und in demselben Fürstenthume einen berühmten Sachwalter (Advocatum) abgegeben“ hat (Zedler, 1732, Bd. 18, Sp. 237). Crätschmair starb in Pitschen am 27. April 1661 (Günther, 1884, S. 311).
Elias Crätschmair beschäftigte sich auch mit Astronomie, insbesondere mit der Ephemeridenrechnung (vgl. den anderen Druck, Titel 1). Er unterrichtete seine Frau in diesem Fach, die schließlich 1650 ein astronomisches Tafelwerk in lateinischer und in deutscher Sprache vorlegte (Cunitia, 1650), das sie von 1643 bis 1645 in Łubnic verfaßt hatte (Cunitia, 1750, Vorrede; vgl. Zedler, 1732, Bd. 18, Sp. 237). Crätschmair wurde auch geadelt und erhielt den Namenszusatz „von Löwen“, sodaß er seine lateinischen Briefe (z. B. an den Danziger Astronom Johannes Hevelius) mit „Elias à Leonibus“ unterschrieb. Mit Hevelius wechselte er von 1648 bis 1654 13 Briefe (Herbst/Keyes, 2014, S. 309 und passim), aus denen der 1650 erfolgte Wohnortwechsel hervorgeht (vgl. Targosz, 2008, S. 108).
Den ersten Kalender verfaßte Crätschmair für das Jahr 1627 (UB Wrocław, 542593). Er bezeichnete ihn als „sein Erstes Calendarium“ (Kalender für 1627, Kalendarium, S. A2a), entsprechend war der für 1628 „sein Anderes Calendarium“ (Kalender für 1628, Kalendarium, S. A2a) und der für 1629 „sein Drittes Calendarium“ (Kalender für 1629, Kalendarium, S. A2a). Crätschmair widmete seinen Kalender für 1627 als Zugezogener den „Hochweisen Herren Bürgermeistern vnd Rathmannen“ der Stadt Schweidnitz“ (Kalender für 1627, Kalendarium, S. A2a), den für 1628 Valentin Sebisch, Ratsmitglied in Breslau, Johannes Dobricius, „Philos. & Med. Doct. practico, apud Vratislavienses Primario“ und seinem Vetter Johannes Crätschmair in Wien (Kalender für 1628, Kalendarium, S. A2a) und den für 1629 „Herrn Heinrich Freyherrn von Bibran […] baider Fürstenthümber Schweidnitz vnd Jawer Vollmächtigen LandsHauptman“ (Kalender für 1629, Kalendarium, S. A2a).
Die Kalender von Elias Crätschmair zeichnen sich durch sehr ausführliche astronomische Angaben aus. So brachte er dort, wo andere Kalendermacher einen „Almanach“ mit Jahreszahlen bedeutender historischer Ereignisse setzten, die astronomischen „Radices motuum mediorum ad meridiem 1. Jan: annj“ für den Horizont von Breslau (dieses und alle folgenden Beispiele aus dem kalender für 1628, hier Kalendarium, S. A1b). Die Verso-Seiten des Kalendariums enthalten für jeden Planeten die Position am 1., 11. und 21. Tag eines jeden Monats. Diese berechnete er „auß den newen fundamentis Tychonico Longomontanis“ (S. E1a; vgl. Longomontan, 1622). Damit wollte er dem Mangel der Ephemeriden, „welche an jetzo entweder gar nicht/ oder ja schwerlich zu bekommen“ seien, abhelfen. Ferner wies er seine Leser darauf hin, daß „der Calculus Prutenicus, vornemblich in [Mars, Venus] vnd [Merkur] vber einen gantzen gradt auch wol zwey drey/ von der observation abweichet“ (ebd.; vgl. Reinhold, 1551). Am Ende des Kalendarium erörterte Crätschmair „etliche notwendige Fragen“, z. B. im Kalender für 1628 „Ob gewisse vnn vnterschiedene sphaeren sein so die Himmlischen Cörper herumb führen/ wie man in gemein Philosophiret?“, „Ob die Fixsterne gleicher weite von der Erden abstehen/ vnd viel derselben auch der kleinsten Raum hetten?“, „Ob es möglich der Sternen gewisse grösse/ vnd weite von der Erden zu wissen?“ (ebd., 7 Seiten). Er setzte sich dabei mit den neuesten astronomischen Erkenntnissen auseinander und schrieb das „in philosophischer Freyheit/ vnd niemands praejudicio“ sowie „auß bloßer Liebe zur Wahrheit“. Auch den zweiten Kalenderteil nutzte Crätschmair, um seine naturphilosophischen Anschauungen zu verbreiten. Im Kalender für 1628 setzte er sich mit der Frage auseinander, „was/ wie viel/ vnd wie hoch von der Astrologi zu halten“ sei (zweiter Teil, S. F4b–G4b). Mit dieser Art der inhaltlichen Gestaltung seiner Kalender gehörte Crätschmair zu den damals anspruchsvollsten Kalendermachern (vgl. z. B. → Peter Crüger), die mit ihren Kalendern dazu beitrugen, astronomisches und naturphilosophisches Wissen unter den Menschen zu verbreiten.
Titel:
1627–1629: Calender.
Druck und Verlag:
Druck August Gründer, Brieg, Verlag David Müller, Breslau.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 76. Ergänzung: UB Wroław, Alte Drucke 542593 (Ex. für 1627), Handschriften B 2000 bb (Ex. für 1628), B 2000 dd (Ex. für 1629), gesehen am 23.–27.11.2015). VD17 (ohne Kalender). CERL (ohne Kalender).
Andere Drucke:
(1) Horologium Zodiacale, Sive Tabulae perpetuae, justam & veram singularum horarum planetariarum quantitatem per totum annum complectentes, &c. Das ist: Immerwehrender Magischer= oder Planeten=StundZeiger. Die gewisse grösse aller Planeten Stunden durchs gantze Jahr anzeigendt. Allen Artisten, Magis, Astrolog. &c. vnd in Summa Männiglich nützlich zubrauchen gerichtet/ vnd mit sonderm fleiß computirt auff die Elevation 50. gr. 48. min. doch also/ daß sie reductivè durchs gantze Deutschland gebraucht werden können. Breslau 1626. SLUB Dresden, Astron.504.hd.misc. 3. Online [04.01.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
(2) Bericht vom Zustande des Firmaments/ vnd dem danherrührendem Zustand der Völcker auff Erden. Item: Vom Krieg vnd anderm Vnglück/ etc. Neben einer Rota Mundi. Ohne Ort 1627. ULB Halle, AB 154585 (9). Und in anderen Bibliotheken. Erneute Ausgabe: Breslau 1682. ThULB Jena, 4 Math. VII, 74 (5). Online [04.01.2017]. Und in anderen Bibliotheken.
Literatur (Auswahl):
Paul Knötel: Ein Pitschener Arzt des 17. Jahrhunderts. In: Der Oberschlesier, 15 (1933) 1, S. 36–39.
Siegmund Günther: Art. „Löwen: Elias v. L.“. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 19 (1884), S. 311f. [04.01.2017].
Włodzimierz Kaczorowski: Elias von Löben lekarzem miejskim w Byczynie. In: Kwartalnik opolski, Bd. 43 (1995), H. 3, S. 101–104.
Michael Sachs: Art. „Löwen, Elias von“. In: HÄLS, 1997, Bd. 4, S. 94.
Ingrid Guentherodt: Zum Briefwechsel des schlesischen Gelehrtenehepaars Cunitia / de Leonibus um 1650 mit den Astronomen Hevelius, Danzig und Bullialdus, Paris. In: Klaus-Dieter Herbst und Stefan Kratochwil (Hrsg.): Kommunikation in der Frühen Neuzeit. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Brüssel, New York, Oxford, Wien 2009, S. 171–188.
Erstellt: 25.01.2017
Letzte Aktualisierung: 31.07.2019