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Talander, Albert (Pseud.)

„Albert Talander“ (Selbstbezeichnung auf dem Titelblatt, zit. 1699)
Kalender nur [?] 1699

Der Name „Talander“ wurde als Pseudonym von August Bohse benutzt (Zedler, 1732, Bd. 41, Sp. 1533). Deshalb wird hier vermutet, daß auch „Albert Talander“ von Bohse verwendet wurde. Daß Bohse tatsächlich nicht nur unter einem künstlichen Namen publizierte, belegt ein 1708 erschienener Druck mit dem vermeintlichen Verfassernamen „Gustav Hobes“, der ein Anagramm für „Avgust Bohse“ ist (Dünnhaupt, 1990, Teil 1, S. 716, Nr. 58.1). Daß bei dem Kalender zu dem sonst üblichen Pseudonym „Talander“ noch ein Vorname hinzugefügt wurde, ist mit dem im Kalenderwesen des 17. Jahrhunderts üblichen Vorgehen bei der Titel- und Namensgebung zu erklären, denn es gibt bis um 1700 keinen Kalender mit nur einem Namensteil bei der Verfasserangabe.
Bohse wurde am 2. April 1661 in Halle an der Saale geboren (Zedler, 1732, 4. Supplementband, Sp. 276; davon abweichend CERL1: 2. Mai). Seine Eltern waren Gottfried Bohse (1624–1691), Beisitzer des Schöppenstuhls in Halle, und Anna Sophia Kühne (1634–1714) (Flemming, 1955, S. 422). Nach dem Besuch des Gymnasiums in Halle besuchte er seit dem Sommersemester 1679 die Universität in Leipzig, wo er bereits 1667 als Kind in die Matrikel eingeschrieben worden war (Erler, 1909, Bd. 2, S. 42 „Bose Aug. al. Bohse Hallen. dp. 22 gr. i W 1667 S 23, 22 gr. i S 1679 S 33, prom.“). Einer seiner Lehrer war hier Valentin Alberti (Tiemann, 1932, S. 7). Aufgrund der in Leipzig grassierenden Pest wechselte er an die Universität in Jena und schrieb sich dort am 8. Juli 1681 in die Matrikel ein (Jauernig/Steiger, 1977, S. 69 „Bohse, Aug., Hala-Saxo, 8. Juli 1681“). 1683 ging er nach Leipzig zurück und beendete dort 1685 aus Geldmangel das Studium (Tiemann, 1932, S. 8). Anschließend arbeitete er als Hauslehrer (z. B. bei einem Herrn von Hesler (Kertscher, 2011, S. 195) und hielt in Hamburg (drei Jahre bis 1688), Berlin, Dresden, Halle und Leipzig Vorträge über Redekunst und Rechtswissenschaft (Tiemann, 1932, S. 8; Flemming, 1955, S. 422; Kertscher, 2011, S. 195). Seit 1684 schrieb er unter dem Pseudonym „Talander“ zahlreiche Romane im galanten Stil, verfaßte „Briefsteller“ sowie „Hofmeister“ und übersetzte aus dem Französischen und Italienischen (siehe bei den anderen Drucken). 1691 wurde er als Sekretär an den Weißenfelser Hof berufen, wo er Texte für Opern schrieb (Tiemann, 1932, S. 8; Flemming, 1955, S. 422). Trotz der Anstellung in Weißenfels durfte er nach Jena umziehen und dort seine juristischen Studien fortsetzen.
Nachdem aber Herzog Johann Adolph I. von Sachsen-Weißenfels am 26. Juli 1697 gestorben war und Bohse seine Stellung in Weißenfels verloren hatte, geriet er erneut in Geldnot (Tiemann, 1932, S. 8). Er suchte jetzt sein Auskommen durch juristische Vorlesungen an der Erfurter Universität, wofür er die Erlaubnis der Juristen-Fakultät in Jena erhielt (Tiemann, 1932, S. 8; Kertscher, 2011, S. 195). Die Geldnot könnte der Grund dafür gewesen sein, daß sich Bohse um 1698 auch dem Kalendermachen zuwandte, denn ein Kalendermacher erhielt damals pro Kalenderreihe zwischen 20 und 50 Reichstaler vom Verleger als Honorar (vgl. Herbst, 2004a; Herbst, 2012d, S. 333, Anm. 25).
Bohse heiratete in Jena Susanna Helene Reichhelm (1670–1732), eine Tochter des Stadtkämmerers Paul Christian Reichhelm in Halle (Kertscher, 2011, S. 195). Nach der im Juni 1700 in Jena erfolgten Promotion zum Doktor der Rechte (anderer Druck, Titel 1) wurde er schließlich 1708 als Professor an die im November 1708 errichtete Ritterakademie in Liegnitz berufen. Seinen Abschied von Jena nahm er am 3. Mai 1708 (Reichard, 1708). In Liegnitz war er bis zu seiner Emeritierung 1730 oberster Professor und veröffentlichte unter seinem richtigen Namen zahlreiche Schulschriften, darunter Dissertation, denen er als Praeses vorstand. Er starb am 11. August 1742 in Liegnitz „einsam und verlassen, gleichsam unbeachtet“ (Tiemann, 1932, S. 8 mit Verweis beim Sterbedatum auf Schubert, 1911b).
August Bohse ist in der deutschen Literaturgeschichte gut erforscht. Er gilt als der erste bedeutende Verfasser (Nusser, 2002, S. 177) bzw. als „der Schöpfer der galanten Romane“ (Schubert, 1911a, S. 12; vgl. Tiemann, 1932). Diese Romane leiteten die Leser „in frühaufklärerischer Weise zu Weltklugheit und galanter Conduite“ an und befriedigten „auch die Lust der Leser an pikanten erotischen Szenarien“ (Kertscher, 2011, S. 196).
Der Kalender von „Albert Talander“ ist in der Literatur bisher nicht beachtet worden. Das einzige bekannte Exemplar ist ein Schreibkalender für 1699 (überliefert im TSA Altenburg, Bibl. GAGO 513/1). In der Textbeigabe wird „dieses Landes Flüssen/ Wäldern/ Saltz=Suden/ item/ von Nahmen/ Sitten und Sprache der Thüringer gehandelt“ (Titelblatt). Dieser Text erinnert an die 1698 von Talander bzw. Bohse publizierten „Curieuse und Historische Reisen durch Europa, Darinnen aller diesen Welt-Theil bewohnenden Völcker Uhrsprung/ Religion/ Sitten und Gebräuche […] begriffen“ (Dünnhaupt, 1990, Teil 1, S. 738, Nr. 58.1). Der Kalender wurde 1698 verfaßt. Auch die Nähe von Bohses damaligen Lebensorten Jena und Erfurt zum Druckort Gotha (vgl. → Petrus Aventinus) bestärkt die Vermutung, daß sich hinter Albert Talander August Bohse verbarg.

Titel:
[?]–1699–[?]: Thüringischer Zeit= Geschicht= und Schreib=Calender.
Druck und Verlag:
Christoph Reyher, Gotha.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 154. CERL1 und CERL2 (jeweils ohne Kalender).
Andere Drucke:
Die Werke (Romane, Briefsteller, Hofmeister, Übersetzungen, Leichenpredigten, Gedichte, Schulschriften) von August Bohse (Talander) sind verzeichnet in Dünnhaupt, 1990, Teil 1, S. 713–757. Der Schreibkalender fehlt dort. Hier wird nur dessen Dissertation von 1700 angeführt.
(1) (Dissertation) Christian Wildvogel (Praeses), August Bohse (Respondent): Dissertatio Inavgvralis Jvridica De Jvre Posthvmorvm. […] devenerando pro summis in utroque Jure honoribus ac privilegiis Doctoralibvs ritè ac legitimè consequendis solenni eruditorum ventilationi submittit Mense Junio Anno 1700 Agvstvs Bohse, Hala Saxo, dictus Talander. Jena. ThULB Jena, 4 Diss. jur. 73 (20) und 2004 A 526 (23). Und in anderen Bibliotheken.
Literatur (Auswahl):
Bartholomaeus Christian Reichard: Als der Hoch=Edle Vest und Hochgelahrte Hr. Augustus Bohse J. U. weitberühmter Doctor und vortrefflicher Orator in der Universität Jena Auf die Kays. und Königl. Ritter=Academie in Fürstenthum Lignitz zum Professore Primario Durch hohen Rath des güthigen Gottes beruffen ward Und den 3. Maji Anno 1708. Dahin seine Reise glücklich antrat/ Solte ergebenst gratuliren Barth. Christ. Reichard, Fürstl. Sächsischer gemeinschafftl. Bibliothecarius in Jena. Jena 1708. ThULB Jena, 2 Sax. II, 22 (65).
Art. „Bose oder Bohse (August)“. In: Zedler, 1732, 4. Supplementband (1754), Sp. 276f.
Art. „Talander“. In: Zedler, 1732, Bd. 41 (1744), Sp. 1533f.
Willi Flemming: Art. „Bohse, August (Pseudonym Talander)“. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 2 (1955), S. 422f.
Heinrich Tiemann: Die heroisch-galanten Romane August Bohses als Ausdruck der seelischen Entwicklung in der Generation von 1680 bis 1710. Inaugural-Dissertation an der Universität Kiel. Kiel 1932. ThULB Jena, 2010 NA 10635 (11).
Ernst Schubert: August Bohse genannt Talander. Ein Beitrag zur Geschichte der galanten Zeit in Deutschland. Einleitung und II. Kapitel. Inaugural-Dissertation an der Universität Breslau. Breslau 1911. ThULB Jena, 2010 NA 10635 (10).
Ernst Schubert: Augustus Bohse genannt Talander. Breslau 1911 (= Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte, Heft 27). Noch nicht eingesehen.
Hans-Joachim Kertscher: August Bohse Schriftsteller und Übersetzer. 350. Geburtstag. In: Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte, Bd. 18 (2011), S. 195f. (Kertscher bezieht sich auch auf Dreyhaupt, 1750, S. 593).

Erstellt: 17.08.2017
Letzte Aktualisierung: 03.12.2019

talander_albert_pseud.txt · Zuletzt geändert: 2019/12/03 08:34 von klaus-dieter herbst