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Marius, Simon

„Simon Marivs Gvntzenhvsanvs, Francvs, Astronomiae Studiosus“; „Astronomiae & Medicinae Studiosus“; „Fürstlicher bestelter Mathematicus vnd Medicinae studiosus“ (Selbstbezeichnungen auf den Titelblättern, zit. 1602, 1603, 1607 (zweiter Teil))
* 10.1.1573 Gunzenhausen in Franken, † 26.12.1624/5.1.1625 Ansbach
Kalender seit 1601, verfaßt bis 1629

Simon Marius (dt. Mayr) zählt zu den führenden deutschen Astronomen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Mehrere Aufsätze und lexikalische Beiträge beschäftigen sich mit seiner Biographie und seiner Entdeckung der vier großen Jupitermonde (vgl. z. B. Gaab/Leich, 2016 und Krafft, 1999). Auch als Kalendermacher ist er bereits sehr gut erforscht (vgl. Herbst, 2009c; Kremer, 2016; Matthäus, 2016).
Marius wurde am 10. Januar 1573 in Gunzenhausen, ca. 20 km südöstlich von Ansbach in Franken gelegen, geboren (wenn nicht anders angegeben, folgen die biographischen Angaben Gaab, 2016; zahlreiche biographische Details wurden den Kalendern von Marius entnommen). Sein Vater Reichart Mayr (ca. 1529–1599) war Ratsverwandter und Büttner in der Stadt. Die Mutter Elisabeth (ca. 1534–1599), eine Wirtstochter, war die zweite Frau von Mayr. Simon war das siebente und letzte Kind aus dieser Ehe (die Geschwister und ihre teils bis heute nachweisbaren Nachkommen sind genannt in Gaab, 2016, S. 14–17).
Mit 13 Jahren kam Marius im Frühjahr 1586 als Schüler der Fürstenschule nach Heilsbronn. Am 22. Mai nahm er dort an der Abendmahlsfeier teil (Gaab, 2016, S. 19, 22). Hans Gaab zeigte auf, daß Marius’ angeblicher Aufenthalt von 1586 bis 1589 in Ansbach als Sänger der fürstlichen Hofkapelle wohl eher ins Reich der Legenden gehört (ebd., S. 22) und daß dessen angebliches Studium an der Universität in Königsberg nicht den Tatsachen entspricht und es auch nicht Marius’ Wunsch war, in Königsberg zu studieren (ebd, S. 39, 41). Er blieb bis 1601 in Heilsbronn, ohne zwischenzeitlich an einer Universität studiert zu haben. Nach ihm besuchte ab 1607 auch → Abdias Trew die Heilsbronner Fürstenschule.
Vom 8./18. Juli bis 12./22. August 1596 war ein neuer Komet am Himmel zu sehen (C/1596 N1, siehe Kronk, 1999, S. 329). Auch Marius erblickte ihn und berichtete darüber. In der Folgezeit begann er mit dem Verfassen von Schreibkalendern und den dazugehörigen zweiten Teilen, den Prognostiken. Für das Jahr 1601 erschien sein erster Kalender. Marius widmete sich zunehmend astronomischen Problemen, darunter den astronomischen Rechnungen, die er nach den Tafeln verschiedener Astronomen ausführte. Seine Kalender nutzte er, um die unterschiedlichen Ergebnisse im Sinne einer gelehrten Kommunikation (vgl. Herbst, 2009a) unter den Astronomen zu diskutieren (Matthäus, 2016, S. 290f.). Eine solche Diskussion in den Schreibkalendern tauchte erstmals in den Kalendern von → Victorinus Schönfeldt auf.
Als die Tafeln, die die genauesten Ergebnisse lieferten, bezeichnete er jene von Tycho Brahe (Kremer, 2016, S. 321). So war es nur konsequent, daß er sich um eine Anstellung bei diesem Astronomen in Prag bewarb. Ende Mai 1601 traf er in Prag ein. Brahe lag damals krank im Bett. „Marius hat ihn wahrscheinlich nie persönlich getroffen, konnte aber mit seinen Instrumenten arbeiten“ (Gaab, 2016, S. 45). In Prag lernte er → David Fabricius kennen, der sich dort ca. drei Wochen aufhielt und bei Brahe wohnte. Mit ihm blieb Marius zeitlebens in brieflichem Kontakt. Zu einer Begegnung mit → Johannes Kepler kam es in Prag vermutlich nicht, weil dieser von Ende April bis Ende August 1601 nicht in Prag war. Marius war zum Monatswechsel August/September bereits aus Prag abgereist und hielt sich Anfang September in Wien auf. Er reiste weiter nach Padua, wo er sich am 18. Dezember 1601 in die Matrikel der Universität einschrieb (Rosetti/Dosio, 1986, S. 122 „Simon Marius Guntzenhusanus Francus inclytae Germanicae nationi nomen meum dedi, expositis pro more 6 libris Venetis, 18 decembris anno 1601“) und mittels eines markgräflichen Stipendiums von anfangs 100 und ab 1605 von 150 Gulden (Gaab, 2016, S. 57, 64) ein Medizinstudium begann. In Padua, wo damals Galileo Galilei mathematische Vorlesungen hielt, übernahm er innerhalb der Deutschen Nation der Studenten mehrere angesehene Funktionen (Prokurator, Konsiliar, Bibliothekar). Am 10. Oktober 1604 erblickte Marius in Padua zusammen mit anderen Studenten die im Schlangenträger aufleuchtende Nova.
Auf Befehl des Ansbacher Markgrafen Joachim Ernst kehrte Marius im Juli 1605 nach Franken zurück. Offenbar hielt er sich zunächst in seinem Geburtsort Gunzenhausen auf, bevor er 1606 als Mathematiker bzw. Astronom und Mediziner in die Dienste des Markgrafen trat und fortan für jährlich 150 Gulden Besoldung (Gaab, 2016, S. 66) die Kalender für Ansbach verfertigte (wohl als Nachfolger für den verstorbenen → Georg Caesius) und bei Bedarf die Menschen medizinisch versorgte. Nunmehr zwar nicht mit üppigem Gehalt ausgestattet, aber mit sicherer Stellung versorgt, heiratete Marius am 8. Mai 1606 Felicitas Lauer, Tochter des Verlegers seiner Kalender. Mit ihr hatte er sieben Kinder (namentlich genannt in Gaab, 2016, S. 67). Nachdem Marius sein Leben lang nur eine schwächliche Gesundheit hatte und zuletzt schwer erkrankte, verstarb er bereits am 26. Dezember (nach julianischem Datum) 1624 in Ansbach (ebd., S. 67).
Auf Betreiben von Hans Philipp Fuchs von Bimbach (ca. 1567–1626), Oberst und Direktor des Geheimen, des Hof- und des Kammerrats am Ansbacher Hof, gab Marius 1610 die ersten sechs Bücher der „Elemente“ von Euklid in deutscher Übersetzung heraus. Von Fuchs von Bimbach erhielt er auch ein Fernrohr, mit dem ihm seine größte astronomische Leistung gelang: zeitlich fast parallel zu und unabhängig von Galilei entdeckte Marius die vier großen Satelliten des Jupiter (zuerst veröffentlicht in seinem Kalender für 1612, siehe Herbst, 2009c). Später beobachtete er auch die Sonnenflecken (August 1611) und den Andromeda-Nebel (Dezember 1612). Im Oktober 1613 traf er in Regensburg mit Kepler zusammen, nachdem es kurz zuvor zu einem Briefwechsel zwischen beiden Astronomen gekommen war (zu den bekannten Briefen mit Kepler und anderen Astronomen siehe Gaab, 2016, S. 77, Anm. 414).
Von den für 1601 bis 1629 von Marius verfaßten Schreibkalendern sind fast alle Jahrgänge mit wenigstens einem Exemplar überliefert (es fehlen das Kalendarium für 1601 sowie die Kalendarien und Prognostiken für 1604 und 1617). Die nach Marius’ Tod erschienenen Kalender für 1626 bis 1629 hatte der Astronom schon zu Lebzeiten verfaßt und konnten so posthum veröffentlicht werden. Richard L. Kremer vermutet, daß nach 1609 vom Schreibkalender zwei Ausgaben gedruckt wurden, „eine mit den täglichen Längen [der Planeten und des Mondes], die andere entweder mit einer historischen Chronik der Ereignisse des 15. und 16. Jahrhunderts im Markgrafentum Brandenburg-Ansbach oder mit einer Tabelle der täglichen Zeiten von Sonnenauf- und -untergang“ (Kremer, 2016, S. 319, Anm. 24). Um das bestätigen zu können, müßten noch mehr Exemplare aufgefunden werden.
In den Kalendern ließ Marius häufig Angaben zum Wetter in den vergangenen Jahren einfließen. Hierzu hatte er über viele Jahre hinweg das Wetter aufgezeichnet (vgl. Herbst, 2010a, S. 215f.).
Hauptinteresse von Marius waren die astronomischen Rechnungen. Hierzu hatte er bereits 1596 sein „astronomisches Programm verkündet, die vorhandenen mathematischen Texte zur Astronomie mittels quantitativer Messungen von Planetenpositionen zu überprüfen“ (Kremer, 2016, S. 314). Entsprechend häufig verglich er in seinen Kalendern die auf der Basis verschiedener astronomischer Tafeln gewonnenen Ergebnisse und forderte seine Leser auf, diese anhand von Beobachtungen zu überprüfen (dazu ausführlich in Kremer, 2016). Marius favorisierte die Berechnungen nach Tycho Brahe und reihte „sich entschieden unter die Tychoniker“ ein (Kremer, 2016, S. 337 mit Verweis auf das Prognostikum für 1607). Die kosmologischen Vorstellungen scheinen ihn nicht interessiert zu haben (vgl. Kremer, 2016, S. 330) und so blieb er im Grunde dem überkommenen geozentrischen Weltbild verhaftet, wofür schließlich Kepler kein Verständnis zeigte (Matthäus, 2016, S. 292).

Titel:
(1) 1601–1629: SchreibCalender, Format 4°.
(2) 1624[?]–1626[?]: Almanach, Wandkalender, Format 2°.
Druck und Verlag:
(1) 1601–1610: Druck Abraham Wagenmann, Nürnberg, Verlag Johann Lauer, Nürnberg, 1611–1612: Druck Christoph Lochner, Nürnberg, Verlag Johann Lauer, Nürnberg, 1613–1614: Kalendarium: Druck und Verlag Johann Lauer, Nürnberg, Prognostikum: Druck Paul Böheim, Ansbach, Verlag Johann Lauer, Nürnberg, 1615–1629: Druck und Verlag Johann Lauer, Nürnberg.
Nach Reske, 2007, S. 22 druckte Paul Böheim „seit 1606 auch die Ansbacher Kalender des hier ansässigen Astronomen und Mathematikers Simon Marius“. Bei den von mir gesehenen Exemplaren wird nur bei den Prognostiken für die Jahre 1613 und 1614 Böheim als Drucker genannt.
(2) 1624[?]–1626[?]: Druck und Verlag Johann Lauer, Nürnberg.
Nachweis:
Herbst, 2008a, S. 124. Ergänzung: StiftsA Klosterneuburg (Prognostikum für 1610), StA Wertheim (Ex. für 1611, 1628). Matthäus, 1969, Sp. 1357. Simon-Marius-Portal; gibt über Herbst, 2008a hinaus ferner an: BSB München (Prognostikum für 1601), HAAB Weimar (Prognostikum für 1601), UB Darmstadt (Ex. für 1607), BETH Zürich (Ex. für 1608), HAB Wolfenbüttel (Ex. für 1623). VD17. CERL.
Online:
Fast alle überlieferten Kalender mit den Prognostiken sind im Simon-Marius-Portal online einsehbar [10.02.2017].
Andere Drucke:
Alle sechs von Simon Marius zwischen 1596 und 1625 (posthum) veröffentlichten anderen Drucke sind verzeichnet in Gaab/Leich, 2016, S. 471f. und online einsehbar im Simon-Marius-Portal.
Literatur (Auswahl):
Fritz Krafft: Art. „Mayr (Marius) Simon“. In: Fritz Krafft (Hrsg.): Vorstoß ins Unerkannte. Lexikon großer Naturwissenschaftler. Weinheim 1999, S. 290f.
Klaus-Dieter Herbst: Galilei’s astronomical discoveries using the telescope and their evaluation found in a writing-calendar from 1611. In: Astronomische Nachrichten, Vol. 330, No. 6, S. 536–539 (2009). DOI 10.1002/asna.200911212.
Hans Gaab, Pierre Leich (Hrsg.): Simon Marius und seine Forschung. Leipzig 2016 (= Acta Historica Astronomiae, Vol. 57).
Hans Gaab: Zur Biographie von Simon Marius (1573–1624). In: Gaab/Leich, 2016, S. 13–102.
Klaus Matthäus: Simon Marius als Kalenderschreiber. In: Gaab/Leich, 2016, S. 257–309.
Richard L. Kremer: Simon Marius als Tychonischer Kalendermacher. In: Gaab/Leich, 2016, S. 311–360.

Erstellt: 10.02.2017

marius_simon.txt · Zuletzt geändert: 2017/04/21 15:53 von klaus-dieter herbst